(08.05.2020, 17:11:01)reger schrieb: Theorie, Methode und Ansatz. [...] Manchmal wird es aber scheinbar auch synonym verwendet. Was versteht ihr darunter? Einfach eine erste Annäherung? Geringere Komplexität?
Eine systematische Unterscheidung der drei kenne ich nicht. Vermutlich drückt man mit "Theorie" von vornherein Anspruchsvolleres aus als mit "Ansatz". "On formal accounts" - dergleichen fasst mehrere 'Ansätze' zusammen, die gemeinsam haben, Explikatsprachen zu verwenden, mal eher semiformal, um etwas anschaulich zu machen, mal durch Beschreibung eines Kalküls. Ich nehme an, dass semantisch eine Theorie etwas anderes ist als biologisch. Was macht eine semantische oder eine syntaktische Theorie zu einer Theorie, was es etwa mit Darwins Evolutionstheorie gemeinsam hätte? Womöglich bestehen hier zwischen den Verwendungen von "Theorie" nur Familienähnlichkeiten.
Es bleibt auch hier gültig:
66. Betrachte z. B. einmal die Vorgänge, die wir „Spiele“ nennen. Ich meine Brettspiele, Kartenspiele, Ballspiel, Kampfspiele, usw. Was ist allen diesen gemeinsam? – Sag nicht: „Es muß ihnen etwas gemeinsam sein, sonst hießen sie nicht ‚Spiele’“ – sondern schau, ob ihnen allen etwas gemeinsam ist. – Denn wenn du sie anschaust, wirst du zwar nicht etwas sehen, was allen gemeinsam wäre, aber du wirst Ähnlichkeiten, Verwandtschaften, sehen, und zwar eine ganze Reihe. Wie gesagt: denk nicht, sondern schau! – Schau z. B. die Brettspiele an, mit ihren mannigfachen Verwandtschaften. Nun geh zu den Kartenspielen über: hier findest du viele Entsprechungen mit jener ersten Klasse, aber viele gemeinsame Züge verschwinden, andere treten auf. Wenn wir nun zu den Ballspielen übergehen, so bleibt manches Gemeinsame erhalten, aber vieles geht verloren. – Sind sie alle ‚unterhaltend’? Vergleiche Schach mit dem Mühlfahren. Oder gibt es überall ein Gewinnen und Verlieren, oder eine Konkurrenz der Spielenden? Denk an die Patiencen. In den Ballspielen gibt es Gewinnen und Verlieren; aber wenn ein Kind den Ball an die Wand wirft und wieder auffängt, so ist dieser Zug verschwunden. Schau, welche Rolle Geschick und Glück spielen. Und wie verschieden ist Geschick im Schachspiel und Geschick im Tennisspiel. Denk nun an die Reigenspiele: Hier ist das Element der Unterhaltung, aber wie viele der anderen Charakterzüge sind verschwunden! Und so können wir durch die vielen, vielen anderen Gruppen von Spielen gehen. Ähnlichkeiten auftauchen und verschwinden sehen.
Und das Ergebnis dieser Betrachtung lautet nun: Wir sehen ein kompliziertes Netz von Ähnlichkeiten, die einander übergreifen und kreuzen. Ähnlichkeiten im Großen und Kleinen. (Wittgenstein 1967: 48)
Ergänzung:
Ich habe den Eindruck, dass Ansätze oft aus sozusagen ‚ästhetischen‘ Vorlieben heraus gepflegt werden. Deshalb erscheint es mir so wichtig, sich immer wieder klarzumachen, welche Argumentation jeweils genau zu einem Ansatz geführt hat. Man denke etwa daran, wie in G&B-Seminaren das CP-IP-Schema an die Tafel gemalt wird, um dann loszulegen …