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Yaouoay > 30.06.2024, 00:02:46
Jon.Schnee > 30.06.2024, 16:21:34
(30.06.2024, 00:02:46)Yaouoay schrieb: Wie würdet Ihr Folgendes ins Deutsche übersetzen: „Amor vigilat et dormiens non dormitat“? Das steht auf einem Grabstein.
...
Wenn sich non auf dormitat bezieht, würde ich es so übersetzen: „Liebe wacht, und wenn sie schläft, schlummert sie nicht.“
Also vielleicht im Sinne von „Entweder ist die Liebe wach oder nicht, es gibt kein Dazwischen“.
Ich habe auch in Betracht gezogen, dass dormiens eine Metapher für den Tod sein könnte.
Habt Ihr noch andere Ideen?
Yaouoay > 01.07.2024, 02:27:56
Jon.Schnee schrieb:"Die Liebe wacht, und auch wenn sie schläft, ist sie nicht untätig/inaktiv."
Im Sinne von "Sie mag schlafen, aber selbst im Schlaf wirkt sie und erlischt nicht."
In gewisser Weise ist "dormiens" natürlich eine Metapher für den Tod, aber ich würde es nicht so übersetzen: Denn der Sinn des Satzes ist ja ziemlich eindeutig, dass die Liebe, selbst wenn wir tot sind, selbst nicht stirbt, sondern allerhöchstens ruht, also eben gerade nicht tot ist (auch wenn sie es in gewisser Weise ist).
Zitat:Amor modum saepe nescit: sed super omnem modum fervescit. Amor onus non sentit: labores non reputat, plus affectat quam valet; de impossibilitate non causatur: quia cuncta sibi posse et licere arbitratur. Valet igitur ad omnia; et multa implet et effectui mancipat: ubi non amans deficit et iacet. Amor vigilat et dormiens non dormitat; fatigatus non lassatur, artatus non artatur, territus non conturbatur: sed sicut vivax flamma et ardens facula sursum erumpit secure que pertransit. Si quis amat: novit quid haec vox clamet.
Jon.Schnee > 01.07.2024, 09:23:01
(01.07.2024, 02:27:56)Yaouoay schrieb: Vielen Dank für Deine Gedanken dazu!
Das Partizip konzessiv zu interpretieren, ist eine gute Idee. Durch die Polysemie von sowohl dormire als auch dormitare ist es aber leider schwierig, sicher zu sein. Dass Letzteres eine Intensiv-Bildung zu Ersterem ist, habe ich auch gelesen, trotzdem scheinen mir persönlich die Bedeutungen von dormire generell intensiver. Laut meinem Langenscheidt kann dormire übrigens ebenfalls ‚untätig sein‘ bedeuten, da ist nicht viel gewonnen.
Yaouoay > 02.07.2024, 00:59:38
Zitat:Die Liebe wacht und selbst wenn sie ruht, schläft sie nicht fest; wenn sie erschöpft ist, ermattet sie nicht; wenn sie bedrängt wird, lässt sie sich nicht bedrängen; wenn sie in Angst versetzt wird, lässt sie sich nicht aus der Ruhe bringen; sondern wie eine lebendige Flamme und eine brennende Fackel (eig. Deminutiv) bricht sie nach oben aus und zieht sorglos umher.
Jon.Schnee > 02.07.2024, 14:48:51
(02.07.2024, 00:59:38)Yaouoay schrieb: Das spricht definitiv für Deine Übersetzung hier. Allerdings entspricht es nicht ganz den Bedeutungen von dormito, die ich in Wörterbüchern gefunden habe – sehr wohl aber dem Fakt, dass es sich um eine Intensivbildung handelt. Insofern würde ich sagen, dass Du damit wohl die naheliegendste Übersetzung gefunden hast. Vielen Dank! (:
Yaouoay > 02.07.2024, 22:38:19
Zitat:Die meisten Wörterbücher sind halt auf das antike Latein ausgerichtet; wenn du mit Langenscheidt oder Pons arbeitest, noch mit einem Fokus auf der klassischen Epoche (1. Jahrhundert v.Chr.), die größeren Wörterbücher wie Georges oder Thesaurus Linguae Latinae bis in die Spätantike. Der Autor dieses Textes Thomas von Kempen ist aber ja aus dem 14./15. Jahrhundert und Mönch, also Mittellateiner mit im besten Fall einer Tendenz zum Neulatein. Da kann das schon mal vorkommen, dass das Intensivum wieder eher die eigentliche Intensivbedeutung bekommt als die, die es im "klassischen" Latein hat. Ich selbst bin viel im 16. Jahrhundert tätig, und auch wenn die natürlich Cicero immer als Vorbild haben, stößt man doch immer mal wieder auf Wörter oder Konstruktionen, die Cicero so garantiert nicht verwendet hätte, selbst bei Humanisten, die sich wirklich um die Rückkehr zum Alten bemühen.
kunnukun > 26.07.2024, 21:07:16
thf > 12.08.2024, 15:10:55