Hallo, Leo! (:
Es ist zwar nicht mein Expertise-Bereich, aber ich wage mich mal an eine Überlegung:
Deine Beispielsätze lassen sich aus meiner Sicht grundlegend in zwei semantische Kategorien aufteilen, wobei zwei je nach Kontext einer der beiden Kategorien zugeordnet werden können:
1. Interrogativ
"Er will wissen, wie viel Uhr es ist." –
Wie viel Uhr ist es?
"Sag mir, wie viel Uhr es ist!" –
Wie viel Uhr ist es?
"Berichte mir, was in dem Brief stand!" –
Was stand in dem Brief?
"Ich hatte Angst (davor), wen ich treffen würde." –
Wen würde ich treffen?
"Der König möge schreiben, wem ich es geben soll." –
Wem soll ich es geben?
"He was afraid whom he might encounter." –
Whom was he about to encounter?
2. Relativ
"Schreib auf, wie viel Uhr es ist!"
"Schreib mal auf, wie viel Uhr es ist, damit wir uns später erinnern."
"Was immer in dem Brief steht, werde ich an den König, meinen Herrn, schreiben."
"Ich werde berichten, was immer in dem Brief steht."
"Er hat mir geschrieben, wen er liebt."
"He wrote me whom he loves."
"Er verletzt stets die, die (od. den, den) er liebt."
"He constantly hurts whom he loves."
"Er merkte sich, wen er gesehen hatte."
"Er notierte, wen er gesehen hatte."
"Er fürchtete, wen er gesehen hatte."
"Er tat, was er wollte."
"Tu, was du willst."
3. Ambig
"Er fürchtete, wen er treffen würde."
"Der König möge mir schreiben, wie immer seine Order lautet."
Die Sätze, die ich der ersten Kategorie zugeordnet habe, lassen sich mit wenig Bedeutungsverlust im Gesprächskontext zu Fragen paraphrasieren (kursiv nach Gedankenstrich).
- "Er hat mir geschrieben, wen er liebt." geht zwar möglicherweise eine Frage voraus, wenn Du den Satz aber durch "Wen liebt er?" ersetzt, merkst Du, dass es mit seinem perfektiven Aspekt kollidiert: Die Frage wird nicht im Verlauf des Ausgangssatzes gestellt, sondern geht ihm höchstens voraus.
- "Er fürchtete, wen er treffen würde." kann auf zweierlei Weise interpretiert werden:
- "Er fragte sich besorgt, wen er treffen würde." – Wen würde er treffen?
- "Er fürchtete sich vor der Person, die er treffen würde."
- "Der König möge mir schreiben, wie immer seine Order lautet." ebenfalls:
- "Der König möge mir seinen Befehl mitteilen, damit ich ihn ausführen kann." – Wie lautet die Order des Königs?
- "Der König möge mir seinen Befehl schreiben, damit ich ihn im Wortlaut weitergeben/dokumentieren kann."
Grammatisch haben wir es in beiden Kategorien mit Relativa zu tun: wer, was, who, wie viel. Dabei ist es irrelevant, ob es Relativpronomina (wer, was, who) oder Relativadverbien (wie viel) sind. Relevant ist einzig, ob sie eine interrogative Bedeutung annehmen. In vielen indogermanischen Sprachen werden Interrogativa auch als Relativa verwendet (vielleicht in den meisten; kenn mich nicht mit allen aus). Beispiele: franz. que, qui, quand, …; engl. what, who, when, …; norw. hva, hvem, når, …
Und als Relativa haben sie entsprechend auch in einigen Kontexten eine interrogative Bedeutung, wobei es fast immer klar ist, ob das Relativum im spezifischen Kontext interrogativ oder rein relativ verwendet wird.
Hoffe, das hilft Dir weiter. Leider kenne ich mich in der Materie nicht gut genug aus, um Dir tiefere Einblicke geben zu können.
Liebe Grüße
Yaouoay