(28.07.2011, 17:07:25)maaskantje schrieb: Was sind ergativ-sprachen?
Das ist ein riesen Fass, aber
im Prinzip geht es um Folgendes:
Zunächst kann man Verben danach einteilen, wie viele Argumente sie fordern. Ein Verb, das nur jemanden benötigt, der die Aktion ausführt, heißt monovalent oder intransitiv. Ein Beispiel für einen Satz mit so einem Verb wäre:
'Der Hund bellt'. 'Bellen' ist das Verb/Prädikat, der Hund führt diese Aktion aus, er ist der Agens. Ein Verb, das zwei Argumente fordert, nennt man transitiv, oder (bi/)divalent. Beispiele wären 'essen', 'sehen', oder 'beißen':
'Der Hund beißt den Mann'.
In der Schulgrammatik würde man sagen, der Hund ist das Subjekt, der Mann das Objekt, allerdings sind diese Begriffe nicht ganz unproblematisch, weshalb ich die Termini Agens (das, was die Aktion ausführt) und Patiens (das, was von der Aktion in irgendeiner Weise betroffen ist) verwenden möchte. (Zum besseren Verständnis: In der Schulgrammatik könnte man sagen, intransitive Verben haben nur ein Subjekt, aber kein Objekt. Transitive Verben haben Subjekt und Objekt).
Dann zum nächsten Schritt: Irgendwie muss man nun kenntlich machen, was in einem Satz Agens und was Patiens ist. In isolierenden/analytischen Sprachen wie Englisch passiert das über die Wortstellung:
'The dog bites the man' - 'Der Hund beißt den Mann'
'The man bites the Dog' - 'Der Mann beißt den Hund'
Ändert man die Wortstellung, ändert man auch die Bedeutung.
Im Deutschen geschieht diese Markierung über Kasus resp. die Artikel:
'Der Hund beißt den Mann'
'Den Mann beißt der Hund'
Hier kann man die Satzstellung verändern, ohne dass sich an der Bedeutung etwas ändern würden.
Nun zum dritten Schritt: Im Ganzen habe ich drei Entitäten erwähnt, den Agens des intransitiven Satzes (der Hund in 'der Hund bellt'), den Agens des transitiven Satzes (der Hund in 'der Hund beißt den Mann') und den Patiens des transitiven Satzes (der Mann in 'der Hund beißt den Mann'). Bei diesem ganzen Themenkomplex, geht es darum, wie diese drei Kategorien behandelt werden, und ob einige davon dieselbe Behandlung erfahren.
Deutsch ist eine Nominativ/Akkusativ-Sprache.
Der Agens im intrasitiven Satz und der Agens im transitiven Satz haben dieselbe formale Markierung; sie stehen im Nominativ. Der Patiens dagegen hat eine eigene Markierung, er steht im Akkusativ.
In solchen Sprachen werden die beiden Agens gleich behandelt.
In einer Ergativ/Absolutiv-Sprache ist es andersrum: Agens im intrasitiven Satz und Patiens im transitiven werden gleich behandelt - sie stehen im Absolutiv - während der Patiens im transitiven Satz einen eigenen Kasus hat, den Ergativ. Ein klassisches Beispiel für derartige Sprachen ist das Dyirbal aus Australien (vorallem bekannt durch Dixon, der auch ein Buch zur Ergativität geschrieben hat, 'Ergativity') Weitere sind zum Beispiel Baskisch oder Georgisch.
Das lässt sich relativ einfach schreiben, aber muss in der Regel eine Weile Sacken, bis man das verinnerlicht hat ;)
Neben diesen beiden Mustern gibt es auch noch weitere, zum Beispiel Tripartite Systeme, in denen alle drei Kategorien gesondert gehandhabt werden (das berühmteste Beispiel dürfte Na'vi sein :D).
Wenn dich das interessiert, kannst du ja mal hier schauen:
http://wals.info/feature/98A
Innerhalb der Ergativ-Sprachen kann man dann noch mal Unterscheidungen machen. Dyirbal gilt als Sprache mit syntaktischer Ergativität, dann gibt es morphologische Ergativität (Baskisch), und schließlich noch Splitsysteme (Georgisch), die nur teilweise ergativisch sind (solche Splits kann man zum Beispiel mit Belebtheitshierarchien erklären). Außerdem wird der Begriff ergativisch hin und wieder auch noch verwendet, wenn es generell darum geht, irgendeine Form von Partizipantenorientierung zu benennen (etwa ergativische Verben).
Also das nur als Einstieg. Man muss sich ein wenig in die Thematik einlesen, bis es klick macht. ;)