Unterschied Implikationen und Präsupposition

Hallo,

es gibt einen Beitrag, in dem der Unterschied zwischen Präsupposition und Implikationen schön erklärt wird, allerdings scheitere ich am Unterschied zwischen der (semantischen) Implikation und der Präsupposition. Wäre jemand so nett und könnte mir das erklären?

Vielen Dank und viele Grüße

Standardbeispiel (von Russell):
Der gegenwärtige König von Frankreich ist kahlköpfig
Die Aussage ist nur dann wahr, wenn es gegenwärtig einen König von Frankreich gibt.

Damit ist eine notwendige Bedingung dafür erfüllt, dass die Aussage
Der gegenwärtige König von Frankreich ist kahlköpfig (p)
die andere Aussage
Es gibt gegenwärtig einen König von Frankreich (q)
impliziert.

<p impliziert q> ist nur dann falsch, wenn p wahr und q falsch ist. In unserem Beispiel ist aber q gerade wahr, wenn p wahr ist. Daher liegt Implikation vor.

Es liegt allerdings auch Präsupposition vor. Denn:
Auch Nicht-p impliziert q.

Auch Der gegenwärtige König von Frankreich ist nicht kahlköpfig
impliziert
Es gibt gegenwärtig einen König von Frankreich

Wenn sowohl p als auch Nicht-p impliziert, dass q, dann ist q mit p (wie mit Nicht-p) präsupponiert.

Ich verstehe das beim Beispiel von kunnuku so, dass die Implikation ist, dass Frankreich auch tatsächlich einen König hat, während die Präsupposition ist, dass es überhaupt einen König von Frankreich geben kann.

(01.02.2016, 15:13:14)JMV schrieb: Ich verstehe das beim Beispiel von kunnuku so, dass die Implikation ist, dass Frankreich auch tatsächlich einen König hat, während die Präsupposition ist, dass es überhaupt einen König von Frankreich geben kann.

Nein. Nicht nur "Der gegenwärtige König von Frankreich ist kahlköpfig", sondern auch "Der gegenwärtige König von Frankreich ist nicht kahlköpfig" impliziert, dass es gegenwärtig einen König von Frankreich gibt. Daher wird, dass es gegenwärtig einen König von Frankreich gibt, hier auch PRÄSUPPONIERT. (Mit "überhaupt geben können" hat das nichts zu tun.)

Ich würde das Thema gern noch einmal aufgreifen:

Sind Existenzpräsuppositionen nicht immer auch semantische Implikationen?

Zum Beispiel:
(1) Peters Tochter ging in das Haus.

eine mögliche Implikation: (2) Es gibt ein Haus. Denn wenn (2) falsch ist, ist auch (1) falsch.
eine mögliche Präsupposition: (3) Es gibt ein Haus. Denn es herrscht Konstanz unter Negation: (1a) Peters Tochter ging nicht in das Haus. (2) Es gibt ein Haus.

Das kann man doch ewig so weiter spielen, denn immer, wenn ich etwas als Existenzpräsopposition bestimmen kann, kann ich es gleichzeitig auch als Implikation nachweisen ... Gibt es auch Beispiele für Implikationen, die sich nicht auch als Präsupposition nachweisen lassen?

Juste schrieb:Sind Existenzpräsuppositionen nicht immer auch semantische Implikationen?

Präsuppositionen unterscheiden sich von semantischen Implikationen durch den Existenzbezug:
Bei der Präsupposition geht es darum, ob erwähnte Objekte existieren:

Peters Tochter ging in das Haus.
-> Peter existiert und hat eine Tochter
-> es existiert ein Haus

(Wenn es kein Haus gibt, ist die Aussage nicht wahr. Wenn Peter keine Tochter hat, ist die Aussage nicht wahr. Etc.)

Bei der semantischen Implikation geht es um den Bezug zweier Aussagen zueinander, egal, ob die Komponenten der Aussage existieren:

Peters Tochter ging in das Haus.
-> das Haus wurde von Peters Tochter betreten

Dies ist aber noch kein vollständiger Implikationssatz. Ein solcher liegt vor, wenn zwei Aussagen (meist durch "wenn ..., dann...") verknüpft werden:

Wenn Peters Tochter in das Haus geht, wird das Haus von Peters Tochter betreten.

(Das entspricht: "Der Satz 'Peters Tochter ging ins Haus' impliziert semantisch, dass das Haus von Peters Tochter betreten wurde.)

Selbst wenn es weder Peters Tochter noch ein Haus gibt, ist diese Aussage wahr.
Eine semantische Implikation mit dem Beispiel von oben:

Der gegenwärtige König von Frankreich ist kahlköpfig.
-> der König ist nicht behaart

Vollständiger semantischer Implikationssatz:

"Wenn der gegenwärtige König von Frankreich kahlköpfig ist, hat er kein Haar."
(Aus dem Satz 'Der gegenwärtige König von Frankreich ist kahlköpfig" folgt semantisch, dass der gegenwärtige König Frankreichs kein Haar hat.)

Selbst wenn es keinen König von Frankreich gibt, ist die Aussage wahr, da aus Kahlköpfigkeit Haarlosigkeit folgt.


Nun wurde bisher auf logische Implikation eingegangen, was etwas vollkommen anderes ist. Das hat dich, Juste, sicher verwirrt.
Bezieht sich nun deine Frage auf semantische Implikation (welche ich erklärt habe) oder auf (logische/materiale) Implikation?
Denn auch bei einer normalen (materialen) Implikation benutzt man die Formulierung: "wenn ..., dann ...":

Wenn es regnet, wird die Straße nass.
Man nennt die erste Komponente "Antezedens" und die zweite "Sukzedens". Die Aussage einer materialen Implikation ist dann falsch, wenn die Sukzedens (hier: "wird die Straße nass") falsch ist, also negiert:

"Wenn es regnet, wird die Straße nicht nass." ist falsch, aber
"Wenn es nicht regnet, wird die Straße nass." kann richtig sein, da man sie auch mit einem Gartenschlauch abspritzen kann.
"Wenn es nicht regnet, wird die Straße nicht nass." kann richtig sein.

Also:
wahr+wahr -> wahr
falsch+wahr -> wahr
falsch+falsch -> wahr
wahr+falsch -> falsch

Die Formulierung "wenn ..., dann ..." impliziert zwar einen kausalen Zusammenhang zwischen Antezedens und Sukzedens, doch tatsächlich werden nur die Teilaussagen auf inhaltliche Richtigkeit bzw. Negation geprüft.
Also ist folgender Satz nach der logischen Implikation wahr:

"Wenn der Himmel grün ist, dann ist Licht schnell."
Denn bei einem falschen Antezedens kann das folgende Sukzedens jedwede Aussage enthalten, auch eine falsche, da das Antezedens ja einen nichtrealen Sachverhalt voraussetzt:

"Wenn der Himmel grün ist, dann ist Licht langsam."
In einer Realität, in der der Himmel grün ist, kann Licht schließlich auch langsam sein.
Folgende Aussage hingegen ist falsch, da das Sukzedens falsch, das Antezedens hingegen wahr ist:

"Wenn der Himmel blau ist, dann ist Licht langsam."

Wenn man Antezedens und Sukzedens vertauscht, ist die letzte Aussage wieder wahr, da durch die falsche Antezedens "Licht ist langsam" wieder eine "andere Realität" vorausgesetzt wird:

"Wenn Licht langsam ist, dann ist der Himmel blau."


Habe ich deine Fragen beantworten können?

Liebe Grüße
Yaouoay

Vielen Dank für die schnelle Antwort, Yaouoay!
Der Unterschied zwischen semantischen und logischen Implikationen war mir bisher gar nicht bewusst.

Kannst du (oder jemand anderes) mir Literatur dazu empfehlen? In vielen Einführungen in die Semantik und Pragmatik werden Implikationen nur als Randnotiz abgehandelt ...

Zitat:Kannst du (oder jemand anderes) mir Literatur dazu empfehlen? In vielen Einführungen in die Semantik und Pragmatik werden Implikationen nur als Randnotiz abgehandelt ...

Ich recherchiere meine Antworten solange im Internet, bis mir ein "dreidimensionales" Bild von einem Konzept entsteht.
Literatur zu Linguistik habe ich (leider) so gut wie keine in meinem Regal zu stehen.

(30.12.2017, 13:01:08)Juste schrieb: Sind Existenzpräsuppositionen nicht immer auch semantische Implikationen?

Gibt es auch Beispiele für Implikationen, die sich nicht auch als Präsupposition nachweisen lassen?

Ersteres: Ja.

Das zweite auch: Ja. Z.B.:

Willi schwitzt nur dann, wenn er Skat spielt.

Dass Willi schwitzt, impliziert dann, dass er Skat spielt. Aber es handelt sich nicht um eine Präsupposition.

Denn zwar impliziert dann

Willi schwitzt wiederum

Willi spielt Skat.

Aber  Willi schwitzt nicht  impliziert auch dann nicht Willi spielt Skat.

Wenn p  q  präsupponiert, prüsupponiert auch Nicht-p  q.

Lieber kunnukun, 

wie kommst du darauf, dass Existenzpräsuppositionen immer semantische Implikationen sind?
Die beiden behandeln vollkommen unterschiedliche Logikbereiche.

Zitat:Willi schwitzt nur dann, wenn er Skat spielt.

Dass Willi schwitzt, impliziert dann, dass er Skat spielt. Aber es handelt sich nicht um eine Präsupposition. 

Denn zwar impliziert dann

Willi schwitzt wiederum

Willi spielt Skat.

Aber  Willi schwitzt nicht  impliziert auch dann nicht Willi spielt Skat.

Wenn p  q  präsupponiert, prüsupponiert auch Nicht-p  q.

Der Implikationssatz lautet unverdreht:

"Nur wenn Willi Skat spielt, schwitzt er."

Aber das Skatspielen ist in dem Satz keine hinreichende Bedingung für das Schwitzen, da der Satz

"Willi spielt Skat und schwitzt nicht."

nach dem ursprünglichen Implikationssatz wahr ist oder sein kann. 
Denn das Skatspielen ist zwar eine notwendige Bedingung, aber vielleicht gibt es ja noch andere, wie z. B. einen starken Gegner.

Wenn ich den Satz leicht umformuliere, können wir daraus eine echte materiale Implikation machen:

"Wenn Willi schwitzt, dann spielt er Skat."

Denn:
p + ¬q → falsch

("Willi schwitzt und spielt kein Skat" ist demnach falsch; das, was du mit deinem ursprünglichen Satz bezwecken wolltest.)

Dies kann wiederum keine Präsupposition sein, weil ¬p nicht q präsupponiert, d. h.:

"Willi schwitzt." präsupponiert, dass Willi Skat spielt,
aber
"Willi schwitzt nicht." kann auch ganz andere Gründe haben.
(Eigentlich das, was du geschrieben hattest, kunnukun; nur hattest du es nicht präzise genug formuliert.)


Liebe Grüße
Yaouoay

(04.01.2018, 22:27:40)Yaouoay schrieb: Der Implikationssatz lautet unverdreht:

"Nur wenn Willi Skat spielt, schwitzt er."

Das ist einfach eine andere Implikation (die vielleicht aufgrund bestimmter Erfahrungen näher liegt).

Zitat:Das ist einfach eine andere Implikation

Wo ist der denn der inhaltliche Unterschied zwischen

"Willi schwitzt nur dann, wenn er Skat spielt."

und

"Nur wenn Willi Skat spielt, schwitzt er."
?

Meiner Ansicht nach folgt beim ersten Satz die Antezedens der Sukzedens, also p kommt nach q, was ich beim zweiten Satz umgekehrt habe.

Bin mir nicht sicher.

Das von mir genannte

(1)   "Willi schwitzt nur dann, wenn er Skat spielt".


    Willi schwitzt    ->      Willi spielt Skat


Drückt 

(2)    "Nur wenn Willi Skat spielt, schwitzt er"

 dieselbe Implikation aus ?

Doch, sorry, stimmt wohl.


Aber zu

Aber das Skatspielen ist in dem Satz keine hinreichende Bedingung für das Schwitzen, da der Satz

"Willi spielt Skat und schwitzt nicht."

nach dem ursprünglichen Implikationssatz wahr ist oder sein kann : 



"Willi spielt Skat und schwitzt nicht" ist nicht die Negation von

Willi schwitzt    ->      Willi spielt Skat

Die Negation ist

"Willi schwitzt und spielt nicht Skat."



echte materiale Implikation machen:


"Wenn Willi schwitzt, dann spielt er Skat."

Mit "wenn" - "dann"  habe ich eher noch mehr Probleme, weil dessen Beitrag zu Wahrheitsbedingungen extrem unklar ist. (Siehe u.a. Edgington, aber auch Barwise zu Konditionalen im Indikativ)

"Willi schwitzt." präsupponiert, dass Willi Skat spielt,   -   warum?  Es handelte sich doch nur um eine Implikation.



Präsuppositionen unterscheiden sich von semantischen Implikationen durch den Existenzbezug

Mmh. Wie ist es mit Peter weiß, dass Willi schwitzt   bzw.   Peter weiß nicht, dass Willi schwitzt

?
Präsupponieren nicht beide, dass Willi schwitzt?   Und handelt es sich nicht gerade deshalb um eine Präsupposition, weil beide (Negationen voneinander) es implizieren?

Mir fehlt hier gerade ein bisschen der rote faden.

kunnukun schrieb:Aber zu

Aber das Skatspielen ist in dem Satz keine hinreichende Bedingung für das Schwitzen, da der Satz

"Willi spielt Skat und schwitzt nicht."

nach dem ursprünglichen Implikationssatz wahr ist oder sein kann :

"Willi spielt Skat und schwitzt nicht" ist nicht die Negation von

Willi schwitzt    ->      Willi spielt Skat

Die Negation ist

"Willi schwitzt und spielt nicht Skat."

Yaouoay schrieb:("Willi schwitzt und spielt kein Skat" ist demnach falsch; das, was du mit deinem ursprünglichen Satz bezwecken wolltest.)

Dein ursprünglicher Implikationssatz hatte aber nicht die Aussage

Willi schwitzt -> Willi spielt Skat,

sondern

Willi spielt Skat -> Willi schwitzt,

trotz der Zuerstnennung der Sukzedens.
So war die Negation der Sukzedens, sowie bei meiner Umstellung "Nur wenn Willi Skat spielt, schwitzt er.":

"Willi spielt Skat und schwitzt nicht.",

weil "Willi schwitzt" die Sukzedens ist.

kunnukun schrieb:Mit "wenn" - "dann" habe ich eher noch mehr Probleme, weil dessen Beitrag zu Wahrheitsbedingungen extrem unklar ist. (Siehe u.a. Edgington, aber auch Barwise zu Konditionalen im Indikativ)

Der Satz "Wenn Willi schwitzt, spielt er Skat." hat den gleichen Aussagewert. Die Formulierung "wenn ..., [dann]" wird in der Implikation anders verwendet als im normalen Sprachgebrauch, was viele Bemängeln.
Deshalb sagt man auch "schon wenn ..., dann", was mir aber auch nicht viel klarer erscheint.

Zitat:"Willi schwitzt." präsupponiert, dass Willi Skat spielt, - warum? Es handelte sich doch nur um eine Implikation.

"Willi schwitzt." präsupponiert, dass Willi Skat spielt,
wenn man vom Satz "Wenn Willi schwitzt, spielt er Skat." ausgeht.
Denn hier ist das Skatspielen die Voraussetzung (Präsupposition) für das Schwitzen.

Zitat:Präsuppositionen unterscheiden sich von semantischen Implikationen durch den Existenzbezug

Mmh. Wie ist es mit Peter weiß, dass Willi schwitzt bzw. Peter weiß nicht, dass Willi schwitzt

?
Präsupponieren nicht beide, dass Willi schwitzt? Und handelt es sich nicht gerade deshalb um eine Präsupposition, weil beide (Negationen voneinander) es implizieren?

Aber wo ist die semantische Implikation?
Vielleicht bei:

"Wenn Peter weiß, dass Willi schwitzt, dann schwitzt Willi."

Das ist eine semantische Implikation. Denn es geht darum, ob die beiden Aussagen zueinander logisch sind.
Semantische Implikation ist nun etwas Anderes als materiale Implikation.
Die materiale Implikation wäre:

"Wenn Peter es (dass Willi schwitzt) weiß, schwitzt Peter."

Denn auch ¬p + q ist möglich, p + ¬q hingegen nicht:

"Wenn Peter es weiß, schwitzt Peter nicht."



Konnte ich Klarheit verschaffen? :)
Yaouoay

"Willi schwitzt." präsupponiert, dass Willi Skat spielt,
wenn man vom Satz "Wenn Willi schwitzt, spielt er Skat." ausgeht.
Denn hier ist das Skatspielen die Voraussetzung (Präsupposition) für das Schwitzen.

Nein, das Voraussetzung-Sein ist zu vage und reicht wohl nicht fürs Präsupponieren; dann würde es gleich jedes Implizieren umfassen.
Man muss eben Alltagssprache und künstliche Logik-Sprache strikt trennen!  Letztere ist allenfalls eine Explikatsprache für erstere.   Daher sehe ich auch nicht DEN Aussagewert von Wenn-dann-Sätzen.



Das ist eine semantische Implikation. Denn es geht darum, ob die beiden Aussagen zueinander logisch sind.

Semantische Implikation ist nun etwas Anderes als materiale Implikation.
Die materiale Implikation wäre:

"Wenn Peter es (dass Willi schwitzt) weiß, schwitzt Peter."

?

Dann ersetzt du "Präsupposition" durch "semantische Implikation"?
Aus Russells "Der gegenwärtige König von Frankreich ist kahlköpfig" folgte logisch "Es gibt genau einen ...", daher sei das eine semantische Implikation. Meinetwegen. Was "logisch" heißt, ist immer etwas unklar, wenn man es nicht vorher ad hoc definiert.

"Alle Männer schwitzen. Werner ist ein Mann." Das impliziert semantisch, dass Werner schwitzt? OK, was hat das noch mit Präsupposition zu tun?