Unterschied Implikationen und Präsupposition

Zitat:

Zitat:"Willi schwitzt." präsupponiert, dass Willi Skat spielt, - warum? Es handelte sich doch nur um eine Implikation.

"Willi schwitzt." präsupponiert, dass Willi Skat spielt,

wenn man vom Satz "Wenn Willi schwitzt, spielt er Skat." ausgeht.
Denn hier ist das Skatspielen die Voraussetzung (Präsupposition) für das Schwitzen.

Nein, das Voraussetzung-Sein ist zu vage und reicht wohl nicht fürs Präsupponieren; dann würde es gleich jedes Implizieren umfassen.
Man muss eben Alltagssprache und künstliche Logik-Sprache strikt trennen!  Letztere ist allenfalls eine Explikatsprache für erstere.   Daher sehe ich auch nicht DEN Aussagewert von Wenn-dann-Sätzen.

Nun ist natürlich die Frage, ob wir von reiner Theorie ausgehen und die Grammatik als Selbstzweck betrachten, oder von Alltagssprache ausgehen.
Letzteres haben wir aber verloren, sobald wir Beispiele wie "Wenn Willi schwitzt, spielt er Skat" aufführen und über Präsupposition und logische Implikation reden.
Wenn es dir um Alltagssprache geht, bist du hier nicht richtig. Hier geht es um bittere Theorie. 

Aber du hast auf andere Weise recht: Es handelt sich nicht um eine Präsupposition, da die Aussage unter interner Negation nicht konstant bleibt, das hatte ich übersehen:

"Willi schwitzt nicht" präsupponiert nämlich nicht mehr "Willi spielt Skat".

Endlich haben wir unseren Satz, der materiale Implikation, aber keine Präsupposition ist! 

Zitat:Das ist eine semantische Implikation. Denn es geht darum, ob die beiden Aussagen zueinander logisch sind.

Semantische Implikation ist nun etwas Anderes als materiale Implikation.
Die materiale Implikation wäre:

"Wenn Peter es (dass Willi schwitzt) weiß, schwitzt Peter."

?

Dann ersetzt du "Präsupposition" durch "semantische Implikation"?
Aus Russells "Der gegenwärtige König von Frankreich ist kahlköpfig" folgte logisch "Es gibt genau einen ...", daher sei das eine semantische Implikation. Meinetwegen. Was "logisch" heißt, ist immer etwas unklar, wenn man es nicht vorher ad hoc definiert.

Was meinst du mit Dann ersetzt du "Präsupposition" durch "semantische Implikation"? ?
Eine mögliche semantische Implikation von "Der gegenwärtige König von Frankreich ist kahlköpfig" wäre vielleicht

"Wenn der gegenwärtige König von Frankreich kahlköpfig ist, gibt es einen König von Frankreich."

Dessen bin ich mir aber nicht sicher, es der erste Teilsatz eine Präsupposition enthält, die im zweiten Teilsatz bestätigt wird. Eine semantische Implikation wäre aber definitiv:

"Wenn der gegenwärtige König von Frankreich kahlköpfig ist, hat er keine Haare."

Denn dieser Satz setzt nicht voraus, dass es einen gegenwärtigen König von Frankreich gibt.

Zitat:"Alle Männer schwitzen. Werner ist ein Mann." Das impliziert semantisch, dass Werner schwitzt? OK, was hat das noch mit Präsupposition zu tun?

Gar nichts. Eine materiale Implikation lässt sich ableiten:

"Wenn alle Männer schwitzen, dann schwitzt Werner, der ein Mann ist."

Wenn du die Sukzedens negierst, ist die Aussage falsch, da nicht mehr alle Männer schwitzen. Das ist eine materiale Implikation. Natürlich haben wir den Boden der Alltagssprache mit diesem Beispiel verlassen.

Die Probe, ob es eine Präsupposition ist, wäre nun, ob die Aussage unter interner Negation konstant ist:

"Nicht alle Männer schwitzen. Werner, der ein Mann ist, schwitzt."

Stimmt nicht, weil Werner nicht mehr unbedingt schwitzen muss. Also keine Präsupposition.



Liebe Grüße
Yaouoay

Sorry, ich bin der Sache nicht mehr nachgegangen, weil mir nicht mehr klar ist, was gezeigt werden sollte.

Zitat:Sorry, ich bin der Sache nicht mehr nachgegangen, weil mir nicht mehr klar ist, was gezeigt werden sollte.

Die ursprüngliche Frage zielte auf den Unterschied zwischen Präsupposition und semantischer Implikation ab, du warst damals aber versehentlich auf Präsupposition und materiale Implikation eingegangen.
Einige Zeit nach der letzten Antwort Anfang 2016 griff juste das Thema Ende 2017 nochmal auf und fragte, ob Existenzpräsuppositionen nicht auch immer semantische Implikationen seien.
Bei deiner Antwort (#9) übersahst du leider abermals, dass sich die Diskussion um semantische Implikation, nicht um materiale handelte.
Daraus resultierte eine mühselige Diskussion, basierend auf einem Missverständnis, welches sich nicht schnell genug lösen ließ, als dass der Thread nun noch übersichtlich sein könnte …
Ist es dir jetzt klarer?  :)


LG~Y

Danke!
Ist Folgendes richtig?

Der gegenwärtige König von Frankreich ist kahlköpfig 

 impliziert semantisch

Jemand ist gegenwärtig König von Frankreich



Dann wäre jedenfalls diese semantische Implikation auch eine Präsupposition, sofern dies das Standardbeispiel für Präsuppositionen ist.


Bei

"Willi weiß nicht, dass es regnet"

im Verhältnis zu

"Es regnet"

liegt wohl auch eine semantische Implikation vor.
Ist diese nun keine Präsupposition, da es dabei nicht um Existenz geht?

 (Bitte ggf. so kurz wie möglich   Eigentlich bin ich zurzeit nicht am Thema Präsupposition 'dran'. Aber ich frage mich hier nun, was der theoretische Wert einer Beschränkung von Präsuppositionen auf Existenzpräsuppositionen wäre.)

Zitat:Bei

"Willi weiß nicht, dass es regnet"

im Verhältnis zu

"Es regnet"

liegt wohl auch eine semantische Implikation vor.
Ist diese nun keine Präsupposition, da es dabei nicht um Existenz geht?

Existenzpräsuppositionen sind eine Unterkategorie der Präsuppositionen. Dein Beispiel nennt man "faktive Prässupposition", weil es sich bei "wissen" um ein faktives Verb handelt, wo der Aussagewert des Nebensatzes nicht durch Negation des Hauptsatzes negiert wird.
Aber eine semantische Implikation liegt nicht vor, würd ich sagen, da sich eine solche eher auf den Sachverhalt, dass Willi es nicht weiß beziehen würde; z. B.:

Wenn Willi nicht weiß, dass es regnet, hört er den Regen nicht.

Zitat:Ist Folgendes richtig?

Der gegenwärtige König von Frankreich ist kahlköpfig 

 impliziert semantisch

Jemand ist gegenwärtig König von Frankreich



Dann wäre jedenfalls diese semantische Implikation auch eine Präsupposition, sofern dies das Standardbeispiel für Präsuppositionen ist.

Bei der semantischen Impl. wird in den verglichenen Teilsätzen jeweils etwas ausgesagt. Jedoch bezieht sich das Prädikat des Satzes auf die Kahlköpfigkeit und nicht auf die Existenz, sodass die einzige semantische Implikation auf die Kahlköpfigkeit abzielen kann:

Wenn der gegenwärtige König von Frankreich kahlköpfig ist, dann hat er keine Haare.

Diese Sätze sind zueinander wahr, auch wenn es keinen König gibt.

Zitat:Aber ich frage mich hier nun, was der theoretische Wert einer Beschränkung von Präsuppositionen auf Existenzpräsuppositionen wäre.

Wie meinen?


LG~Y

"Jedoch bezieht sich das Prädikat des Satzes auf die Kahlköpfigkeit und nicht auf die Existenz" Ah, dann ist der Knackpunkt der semantischen Implikation die Wortbedeutung. Wie in "Wenn Willi Junggeselle ist, ist er unverheiratet."
Ein bisschen schwierig dann, die 'faktiven Präsupositionen' nicht zu den semantischen Implikationen zu zählen. Denn es liegt ja auch an der Bedeutung von "wissen", dass "Willi weiß, dass es regnet" "Es regnet" impliziert.

"bezieht sich das Prädikat des Satzes auf die Kahlköpfigkeit und nicht auf die Existenz, sodass die einzige semantische Implikation auf die Kahlköpfigkeit abzielen kann"
Demnach wird an die semantische Implikation die Anforderung gestellt, dass das Rhema aufgegriffen wird?


Ich frage mich eben, was diese Termini jeweils leisten sollen. Aber das würde nun ziemlich weit führen. (Dazu habe ich jetzt wohl eher keine Lust.)
Zusätzlich zu dem Gesagten beziehen sich Aussagen von Konditionalen noch auf Background-Situationen, die unausgedrückt bleiben. Barwises (Situation in Logic II) Beispiel:
Der Boss hat 20 potentielle Mörder neben Oswald an der Straße aufgereiht, an der Kennedy entlangfahren soll. Diese nicht genannte Situation rechtfertigt die Äußerung des Konditionals "Wenn nicht Oswald ihn umbringt, dann jemand anderes" durch den Chef, genauso wie die Äußerung des Counterfactuals "Wenn nicht Oswald ihn umgebracht hätte, dann jemand anderes". Diese Situation im Background wird weder semantisch impliziert noch präsupponiert.

Folgende Frage zu einer speziellen Redeweise:
"Ich gab den Schutz Suchenden Verpflegung und Unterkunft."

Präsupponiert das nicht, dass es sich bei denen, denen ich Verpflegung und Unterkunft gab, um Schutz Suchende handelt?


Und allgemeiner: Mir ist immer noch nicht klar: 
Besteht nicht Einigkeit darüber, dass Präsupponieren eine spezielle Art von Implizieren ist?

Zitat:Folgende Frage zu einer speziellen Redeweise:
"Ich gab den Schutz Suchenden Verpflegung und Unterkunft."

Präsupponiert das nicht, dass es sich bei denen, denen ich Verpflegung und Unterkunft gab, um Schutz Suchende handelt?

Das ist eine gute Frage, kunnukun!
Es handelt sich, wie ich das sehe, um eine andere Präsupposition:

"Ich gab den Schutzsuchenden Verpflegung und Unterkunft."
"Ich gab den Schutzsuchenden nicht Verpflegung und Unterkunft."

Beides präsupponiert:

"Es gibt Schutzsuchende."

Eine andere kongruente Präsupposition gibt es nicht.

Zitat:Und allgemeiner: Mir ist immer noch nicht klar: 

Besteht nicht Einigkeit darüber, dass Präsupponieren eine spezielle Art von Implizieren ist?

Ja, Präsupposition ist eine Form der Implikation, sowie es materiale und semantische auch sind.
Aber Präsupposition ist nicht gleich materiale oder semantische Implikation!


LG~Y

(08.01.2018, 22:07:02)Yaouoay schrieb:

Zitat:Folgende Frage zu einer speziellen Redeweise:
"Ich gab den Schutz Suchenden Verpflegung und Unterkunft."

Präsupponiert das nicht, dass es sich bei denen, denen ich Verpflegung und Unterkunft gab, um Schutz Suchende handelt?

Das ist eine gute Frage, kunnukun!
Es handelt sich, wie ich das sehe, um eine andere Präsupposition:

"Ich gab den Schutzsuchenden Verpflegung und Unterkunft."
"Ich gab den Schutzsuchenden nicht Verpflegung und Unterkunft."

Beides präsupponiert:

"Es gibt Schutzsuchende."

Eine andere kongruente Präsupposition gibt es nicht.

Da bin ich mir nicht sicher.  Mit "den Schutz Suchenden" wird in der Äußerungssituation ein Bezug hergestellt; und zwar ein Bezug auf eine Situation, die Situationssemantiker wohl als Rekurssituation bezeichnen würden.  "es gibt" ist also zu schwach. Präsupponiert wird, dass die, die ich meine (sie gehören zu einer Rekurssituation, vgl. z.B. https://books.google.de/books?id=68MXOCS...on&f=false  S. 200 - ach nein, erheblich kürzer und angenehmer als Resource Situation S. 6 in http://www.helsinki.fi/esslli/courses/re...1/K1-3.pdf ) Schutz suchend sind.

Ich verstehe, was du meinst, kunnukun:
Es gibt eine Rekurssituation, in der eingeführt wird, dass die Schutzsuchenden Schutz suchen.

Also angenommen, unsere Rekurssituation r sieht so aus:

"Drei Menschen m flohen vor Terroristen g."

Im nächsten Satz s wird auf diese Situation Bezug genommen:

"Ich gab den Schutzsuchenden m Verpflegung und Unterkunft."
bzw.
"Ich gab den Schutzsuchenden m nicht Verpflegung und Unterkunft." (als Beleg für eine vorliegende Präsupposition)

Der zweite Satz s setzt also voraus (präsupponiert), dass m schutzsuchend ist, also dass es eine (Rekurs)situation r gibt, in der m vor g geschützt werden will.
Die Präsupposition "es gibt Schutzsuchende m" hat nun nicht den gleichen Status wie "Drei Menschen m flohen vor Terroristen.", da sie nicht erklärt, warum m schutzsuchend ist.
Ein Satz wie

"Ich gab den Schutzsuchenden m Verpflegung und Unterkunft."

präsupponiert nicht nur, dass es Schutzsuchende m gibt, sondern auch, dass es einen Grund g gibt, dessentwegen m schutzsuchend ist.

(12.01.2018, 22:13:33)Yaouoay schrieb: Ich verstehe, was du meinst, kunnukun:
Es gibt eine Rekurssituation, in der eingeführt wird, dass die Schutzsuchenden Schutz suchen.

Nein. Ganz einfach: Leute werden in einer Rekurssituation eingeführt. Auf die wird DANN in der Äußerungssituation Bezug genommen. Und in der Äußerung wird ihnen zugeschrieben, Schutz suchend zu sein.   Als was sie in der Rekurssituation eingeführt werden, ist egal. Es brauchen nur Leute zu sein, die man durchs Fenster sieht, oder Leute, von denen gestern in einem Bericht  über einen Bankraub die Rede war, oder Leute, die vor Terroristen fliehen.   Jedenfalls ist die Rekurssituation nicht bloß ein Individuenuniversum, 'über' das ein Existenzquantor 'läuft'.
Präsupponiert wird, dass SIE Schutz suchen. Nicht nur, dass es Schutz Suchende gibt.

(Dass Leute, die vor Terroristen fliehen, auch Schutz suchen, ist in der Welt sicher so.)

Klar, m wird in einer Rekurssituation eingeführt, weil er im Satz

"Ich gab den Schutzsuchenden Verpflegung und Unterkunft."

definit ist. Also präsupponiert der Satz, dass m schutzsuchend ist.
Wohingegen

"Ich gab Schutzsuchenden Verpflegung und Unterkunft."

nur präsupponiert, dass m existiert, weil es durch die Indefinitheit keinen Referenten benötigt.


LG~Y

Ja. Ich bezog mich auf eingeführte Individuen bzw. die Diskussion, in der vor dem Hintergrund bekannter Ereignisse von DEN Schutzsuchenden die Rede ist.

Mit der situationssemantischen ‚Rekurssituation‘ – resource situation – ist auch eine Lehre Hans Kamps berücksichtigt:
„Eine Frau geht spazieren. Sie sieht einen Wolf.“
Das heißt nicht oder allenfalls selten:
Nicht: Für alle Frauen x: Nicht: ( x geht spazieren. Und: x sieht einen Wolf.)
 
Ich habe schon eine Frau ‚vor Augen‘, wenn ich sage, dass eine Frau spazieren geht.
Für mich ist das extrem relevant für den ‚Flüchtlings‘-Diskurs und insofern praktisch von Interesse. Aber das behandele ich natürlich woanders ...

Robin Cooper in „Austinian Truth, Attitudes and Type Theory“ (2005):
Betrifft: “Sandy kicked a farmer”
“What we need is a way of showing that an utterance of the proper name ‘Sandy’ presupposes a context in which there is an individual named ‘Sandy’. A context is a situation (here modelled as a record). An utterance of ‘Sandy’ presupposes that there is a context of the type […]”

Die Theorie geht nun davon aus, dass ein Kontext präsupponiert wird, nicht nur die Existenz eines Individuums.
Damit werden weitere Konsequenzen aus Kamps Hinweis darauf gezogen, dass in Aussagen wie "Eine Frau geht spazieren" eben nicht nur gemeint ist, dass nicht für alle Frauen gilt, dass sie nicht spazieren gehen.

Das war die Angabe, die ich suchte: http://www.ims.uni-stuttgart.de/institut...rs/DRT.pdf Seite 6f. !

Man darf eben Implikation und Implikatur nicht verwechseln (Grice). Implikatur ist, wenn eine der Grice'chen Konversationsmaxime verletzt wird. Die hat nicht viel mit der Präsupposition zu tun.

Auch sollte man Implikation nicht mit logischem Schließen verwechseln:
Alle Lampen in Raum A sind eingeschaltet.
Lampe B befindet sich in Raum A.
Ergo: Lampe B ist eingeschaltet.

Zur Implikation haben sich die vorangegangen SchreiberInnen schon geäußert.