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Yaouoay > 03.03.2019, 04:33:02
janwo > 03.03.2019, 11:52:35
(03.03.2019, 04:33:02)Yaouoay schrieb: Im Rahmen eines Kunstsprachenprojekts habe ich mir die Frage gestellt, ob es eine Sprache ohne syntaktische Negation gibt und welche psychologischen Konsequenzen das hat.
Spezifischer:
Meine Kunstsprache hat kein Wort für "nicht", kein Affix, Enklitikon oder sonst eine syntaktische Einheit der Negation, ist keine Tonsprache, die verschiedene Tonhöhen für Affirmation oder Negation nutzt und negiert auch nicht mittels Inversion.
(03.03.2019, 04:33:02)Yaouoay schrieb: Drückt man also etwas aus wie "Das habe ich nicht gesehen", gibt es entweder eine lexikalische (Umlaut-)Ableitung vom Verb "sehen", die soviel wie "nicht sehen" oder "blind sein" bedeutet (wenn der Fokus auf dem Nichtsehen liegt):
(03.03.2019, 04:33:02)Yaouoay schrieb: Meine Frage ist nun (nachdem klarer ist, was ich unter "Sprache ohne Negation" verstehe):
Gibt es eine Sprache, die keine Möglichkeit hat, von einem beliebigen Verb eine negative Form zu bilden?
(03.03.2019, 04:33:02)Yaouoay schrieb: Vor allem liegt mein Interesse in den psychologischen Konsequenzen dieser "Einschränkung".
Wenn es eine entsprechende Sprache gibt, wird es wohl auch Studien dazu geben, wie sich das Weltverständnis oder die Denkweise von unserer unterscheidet.
(03.03.2019, 04:33:02)Yaouoay schrieb: Wir können von einer Handlung klar sagen, ob sie stattfindet oder nicht. Wir haben einen Begriff von Absenz. Wir können ausdrücken, dass etwas nicht geschehen ist.
Wie wirkt es sich auf das Denken aus, wenn man keine direkte Negation kennt? Wird man eine Handlung (oder allgemein einen Sachverhalt und ein Objekt) als immerwährende Möglichkeit sehen und die Absenz einer Sache gar nicht begreifen können? Denkt man auf gewisse Weise differenzierter?
(03.03.2019, 04:33:02)Yaouoay schrieb: Und: Denkt man positiver ohne Verneinung? Und klarer? Wahrscheinlich wird man seltener missverstanden:
https://blog.birkenbihl-sprachen.com/201...cht-lesen/
(03.03.2019, 04:33:02)Yaouoay schrieb: Ferner hat die erwähnte Kunstsprache keine adversativen oder konzessiven Elemente (z. B. Konjunktionen wie "aber").
Das könnte ebenfalls Einfluss auf die Denkweise eines Sprechers haben: Es gibt keine Widersprüche; es gibt keine echten Paradoxien etc.
(03.03.2019, 04:33:02)Yaouoay schrieb: Wenn man z. B. sagt "Das ist klein aber fein" suggeriert es einen Widerspruch: Etwas Kleines sei in der Regel eher langweilig oder grob. Obwohl es natürlich bewusst ist, dass auch kleine Dinge fein und nett sein können, hat es einen (kleinen aber feinen) unterbewussten Effekt, nehme ich an.
Oder "Dieses Gewächs kommt hauptsächlich in Griechenland vor, aber auch in anderen Mittelmeerländern." Warum ist das ein Widerspruch?
(03.03.2019, 04:33:02)Yaouoay schrieb: Ich kann mir denken, dass ein Text mit nur den nötigsten Negationen und adversativen und konzessiven Konjunktionen leichter verständlich und eine größere, weichere Lesefreude ist.
(03.03.2019, 04:33:02)Yaouoay schrieb: Fallen Euch noch mehr solcher Phänomene ein, die eine Sprache zum Spiegellabyrinth machen?
Vergleiche zum Beispiel. Eine Sprache ohne Vergleiche …
Oder das "oder: Statt zu sagen "Hast Du keine Lust oder bist Du einfach faul?" würde man formulieren "Hast Du keine Lust? Bist Du zu faul?" Denn auch das "oder" kann einen Widerspruch suggerieren.
Benefaktiv > 04.03.2019, 15:45:47
thf > 05.03.2019, 23:57:04