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Gronauer > 12.03.2017, 03:47:50
Anna K. > 12.03.2017, 21:21:23
(12.03.2017, 03:47:50)Gronauer schrieb: Bei Kernsätzen mit Subjekt im Mittelfeld ist die Grundregel, dass das Subjekt nach dem Verb an erster Stelle steht. Ich habe jede Menge Grammatik-Artikel gefunden, die abweichende Wortstellungen im Mittelfeld ("Scrambling") diskutieren, aber nur wenige, die Kernsätze mit Adverbien zwischen Verb und Subjekt behandeln. Speziell interessiert mich der Fall, wenn das Subjekt die Rhema des Satzes ist.
(12.03.2017, 03:47:50)Gronauer schrieb: (1) Meistens wird heute die numerische Gliederung benutzt.
(2) Im Theater wurde letzte Woche mehrmals das Stück "Hamlet" vorgeführt.
(3) Gemäß das Gesetz ist für jeden Bus ein Behindertenlift vorzusehen.
(4) Beim zweiten Vorfall wurde zur Ursachenbestimmung per Ausschussverfahren auch die Isolierung gewechselt.
(5) [Wer hat gestern den Elefanten den Magen verdorben?] Gestern hat den Elefanten ein Kind Erdnüsse gegeben.
(6) In der neuen Version ändert sich praktisch nur das Logo.
(12.03.2017, 03:47:50)Gronauer schrieb: Meine Fragen: Erstens, sind diese Sätze überhaupt richtig? Zweitens, falls ja, welcher Regel ist hier anzuwenden? (Enger: wenn Thema/Rhema diese Wortstellungen möglich macht, was sind die Grenzen, wenn überhaupt?) Drittens, hat jemand eine gute einschlägige Quelle zum Thema (am Besten Online)?
Gronauer > 14.03.2017, 12:29:28
(12.03.2017, 21:21:23)Anna K. schrieb:(12.03.2017, 03:47:50)Gronauer schrieb: (1) Meistens wird heute die numerische Gliederung benutzt.
(2) Im Theater wurde letzte Woche mehrmals das Stück "Hamlet" vorgeführt.
(3) Gemäß das Gesetz ist für jeden Bus ein Behindertenlift vorzusehen.
(4) Beim zweiten Vorfall wurde zur Ursachenbestimmung per Ausschussverfahren auch die Isolierung gewechselt.
(5) [Wer hat gestern den Elefanten den Magen verdorben?] Gestern hat den Elefanten ein Kind Erdnüsse gegeben.
(6) In der neuen Version ändert sich praktisch nur das Logo.
Was bei den Sätzen 1-4 auffällt, ist, dass sie im Passiv stehen. Dahinter liegt der Prozess der Agens-Reduktion, d.h. der Handelnde wird semantisch abgewertet und das zweite Argument aufgewertet. Geht man also davon aus, dass eine semantische Aufwertung mit einer einer Art Fokussierung einher geht, dann greift die Regel des FinalFocus (s. zum Beispiel Brüring (2001) ( http://homepage.univie.ac.at/daniel.buri...s.html#lpi )). D.h. dass das inhaltlich wichtigste Element zwar grammatikalisch als Subjekt realisiert wird, seine typische Thema-Eigenschaft jedoch verliert.
Ähnlich auch in den Sätzen 5 und 6: "ein Kind" ist konzeptuell neu —> Fokus und "das Logo" wird sogar durch eine Fokuspartikel markiert.
(12.03.2017, 21:21:23)Anna K. schrieb: "Regel" ist etwas hart formuliert, es gibt unterschiedliche Konzepte, die sich mit Scrambling beschäftigen, wobei Thema-Rhema etwas alte Terminologie ist.
(12.03.2017, 21:21:23)Anna K. schrieb: Was die Adverbien in der Position vor dem Subjekt betrifft, da habe ich in meiner Diss Experimente zu gemacht. Die sind an der Stelle nicht ungewöhnlich, wenn das Subjekt besonders hervorgehoben (Focus) ist (vgl. letzter Teil in https://pub.uni-bielefeld.de/download/2902818/2902819 ).
Anna K. > 14.03.2017, 22:34:35
(14.03.2017, 12:29:28)Gronauer schrieb: Hier noch ein Beispiel, den ich gerade gelesen habe: "14. Juli 1986. Im Verlauf der Neubaustrecke Würzburg - Fulda wird zwischen der Überleitstelle Hohewart und dem Betriebsbahnhof Burgsinn die Oberleitung unter Spannung gesetzt." Passiv, Fokus auf "Oberleitung". Ich bin mir nicht sicher, was für ein Satzteil "unter Spannung" ist.Unter Spannung ist ein Präpositionalobjekt, da es durch die Präposition "unter" eingeleitet wird.
(14.03.2017, 12:29:28)Gronauer schrieb: Ich habe auch "alt vor neu" und "Bekanntes vor Neuem" gelesen.
(14.03.2017, 12:29:28)Gronauer schrieb: Am Besten gebe ich hier etwas Kontext. Mein Ziel ist es, das Warum und Wie von Sätzen mit der fraglichen Struktur einem Kollegen zu erklären, der Deutsch im Sprachkurs lernte, deshalb die Frage nach einer Regel. (Ich selber bin auch Nichtdeutscher, Deutsch habe ich aber vom Hören gelernt, und benutze solche Sätze intuitiv.) Sprachkurse scheinen in der Frage "Subjekt steht im Mittelfeld an die erste Stelle" leider ziemlich doktrinär zu sein. Online-Seiten über deutsche Grammatik (zum Beispiel canoonet: http://www.canoo.net/services/OnlineGram...index.html) erwähnen zwar Ausnahmen, aber geben Beispiele für den Scrambling vom Subjekt, wenn überhaupt, nur in Sätzen mit dass oder weil.
(14.03.2017, 12:29:28)Gronauer schrieb: Abschnitte 7.2 und 7.2.2, richtig?ja, genau
PeterSilie > 15.03.2017, 12:10:55