Predicate Calculus, Prädikatenlogik

Vermutlich kennen hier in diesem Forum viele Leute den Virtual Linguistics Campus der Uni Marburg, einschließlich der Videos auf Youtube.

In dem Zeitabschnitt 07:20 bis 08:05 des Videos „SEM122 - Predicate Logic II“ steht für den Satz „All girls love Paul” die Formel:
Ax[GIRL(X) --> LOVE(x,paul)]

(Aus technischen Gründen schreibe ich:
A = universal quantifier
E = existential quantifier
--> = material implication
+ = conjunction)

Ist dies der Fall bei Eigennamen. Aber wie könnte man Akkusativobjekte wie „All girls love cats“ / „All girls love a cat” schreiben?
Ax[GIRL(X) --> LOVE(x,cat)]
wäre wohl unmöglich, da Katze zuerst als Prädikat EINGEFÜHRT werden müsste. Oder?
Also evtl.:
Ax[(GIRL(X) & CAT(y)) --> LOVE(x,y)]
Ey[CAT(y) & Ax[GIRL(x) --> LOVE(x,y)]]
Ax[(GIRL(x) & Ey[CAT(y)]) --> LOVE(x,y)]
Bzgl. den letzten beiden Sätzen sind mir Fragen von de-re vs. de-dicto und wide vs. narrow scope egal.

Ich bitte um eure Hilfe.

Ax[GIRL(X) --> LOVE(x,cat)]

ist bei üblichen PL-Sprachen kein Ausdruck, da LOVE da nur mit zwei Individuentermen einen Satz ergibt.


In

Ax[(GIRL(X) & CAT(y)) --> LOVE(x,y)]

ist das "y" nicht gebunden.


"lieben", "mögen" und so sind eben ziemlich intensional und auch intentional.

Ey[CAT(y) & Ax[GIRL(x) --> LOVE(x,y)]]

ist wohlgeformt, in

Ax[(GIRL(x) & Ey[CAT(y)]) --> LOVE(x,y)]

sind wieder Variablen nicht gebunden.



 "Alle Mädchen lieben Katzen" und "Alle Mädchen lieben eine Katze"  lassen sich wohl JEWEILS verschieden interpretieren.   Dabei ist
Ax[(GIRL(x) & Ey[CAT(y)]) --> LOVE(x,y)]  sicher besonders abwegig, da dieser Satz nur dann wahr ist, wenn alle Individuen Girls sind.

Oh, sorry, nein, die Klammer … aber da ist das zweite "y" nicht gebunden.


Man merkt allerdings, dass hier keine PL-Formel das trifft, was man am ehesten sagen will.

Ax (Girl (x) -> Ey (Cat (y) & Loves (x, y)) )

ist auch fragwürdig, da manchem Girl in Wunschträumen eine Idealkatze begegnen mag und sich die Zuneigung nur darin erschöpft.

"mögen", "lieben", … sind eben ziemlich intensional und intentional.


Entsprechend einfach bei "Jeder Topf hat einen Deckel":


Ax (Topf (x) -> Ey (Deckel (y) & y gehört zu x ))

Vielen Dank für die ausführliche Antwort. Ich fasse also zusammen, dass von den verschiedenen Formeln, die ich vorgeschlagen habe

Ey[CAT(y) & Ax[GIRL(x) --> LOVE(x,y)]]

die beste ist für „All girls love cats“ / „All girls love a cat”. BITTE BESTÄTIGE MIR DAS.

Und wenn wir mal von der Interpretation absehen, die du oben als "abwegig" bezeichnet hast, was wären dann andere Darstellungsmöglichkeiten für die obige Formel? Könnte man zum Beispiel
Ey[Ax[((CAT(y) & GIRL(x)) --> LOVE(x,y)]]
schreiben? Gäbe es irgendeinen Unterschied zur obigen Formel?
Oder könnte man den universal quantifier irgendwie vor den existential quantifier stellen ohne die Bedeutung zu verändern?

Ey[CAT(y) & Ax[GIRL(x) --> LOVE(x,y)]]

die beste ist für „All girls love cats“ / „All girls love a cat”. BITTE BESTÄTIGE MIR DAS.


Finde ich nicht. Denn diese Interpretation besagt, dass es eine Katze gibt derart, dass alle Girls …

Ich nehme aber an, dass Äußerungen "Alle Mädchen lieben Katzen" i.d.R. auf etwas der Art abzielen, dass  Mädchen typischerweise auf alles Katzenartige abfahren. 
Bei „All girls love a cat”  besteht noch die Schwierigkeit, dass es 1) heißen kann , dass es eine Katze gibt, so dass …, und 2) heißen kann, dass auf jedes Mädchen zutrifft, dass es eine Katze gibt derart, dass …

Ey[Ax[((CAT(y) & GIRL(x)) --> LOVE(x,y)]]    Moment … doch, da scheint mir ein Unterschied zu sein. Denn in letzterem ist Cat(y) nur im Vordersatz, und entsprechend: Nur im ersten Satz ganz oben wird ausgesagt, dass etwas eine Katze ist.


Nein, die Schwierigkeit liegt grundsätzlich in Intensionalität und Intentionalität!   Wir verstehen solche Äußerungen dahingehend, dass Katzen intentionale Objekte intentionaler Akte von Mädchen sind (so mit Husserls Ausdrücken).   Schließlich kann man ja auch den - wie ich finde - sehr einleuchtenden Standpunkt vertreten, dass viele kleine Mädchen Einhörner lieben, insbesondere wenn sie Einhornkuscheltiere haben und diese für Abbildungen von etwas, das es in Märchenwelten gibt, halten.


Und der Unterschied zwischen

1)    EyAx (Lxy)

und

2)    AxEy (Lxy)

 lässt sich durch Parameterentwicklung verdeutlichen:

1)       Ax Lxa  oder  Ax  Lxb  oder  Ax Lxc   …

2)       Ey Lay  und  Ey Lby  und Ey Lcy …

Nach Einkauf komme ich außerdem zu der Überlegung, dass sich für "Alle Mädchen lieben Katzen" Standard-Prädikatenlogik wenig eignet.  Merkt man das nicht schon daran, dass auch nach Alltagssprachgefühl wenig aus dem 'Satz' klar folgt?

Es gibt Katzen

folgt beispielsweise nicht.   Das ist wohl für nicht definite Nominalphrasen als Objekte typisch, hat also gar nicht so sehr mit Intentionalität zu tun. Man nehme

Alle Kinder essen Regenwürmer


Essen sie sie nur, wenn es welche gibt? Essen sie sie nur dann, wenn sie ihnen begegnen? Oder nur dann, wenn sie Hunger haben?

Linguistik schrieb:Vermutlich kennen hier in diesem Forum viele Leute den Virtual Linguistics Campus der Uni Marburg, einschließlich der Videos auf Youtube.

Entschuldigung, etwas abseits, allgemeines Uni-Bashing:

https://www.youtube.com/watch?v=173ZankE_rw


"… can be made fit for the 21st century"

Ich mag solche Phrasen schon lange nicht mehr hören. Warum geben sich sogar schon ergraute Dozenten dafür her?    Ist das Voraussetzung für das Beschäftigungsverhältnis, oder entspricht es Überzeugungen?

Ist es nicht-fit, Texte zu lesen und Absatz für Absatz zu diskutieren?   Warum soll ein Video da hilfreich sein?

(13.02.2020, 20:58:53)kunnukun schrieb: Nach Einkauf komme ich außerdem zu der Überlegung, dass sich für "Alle Mädchen lieben Katzen" Standard-Prädikatenlogik wenig eignet.  Merkt man das nicht schon daran, dass auch nach Alltagssprachgefühl wenig aus dem 'Satz' klar folgt?

Es gibt Katzen

folgt beispielsweise nicht.

Was spricht denn gegen ∀x∀y((GIRL(x) ∧ CAT(y)) → LOVES(x,y))? Aus der Wahrheit des Satzes lässt sich sicherlich nicht schlussfolgern, dass es überhaupt Katzen gibt.

Entsprechend würde ich ∀x∃y((GIRL(x) ∧ CAT(y)) → LOVES(x,y)) bzw. ∃y∀x((GIRL(x) ∧ CAT(y)) → LOVES(x,y)) für »All girls love a cat« angemessen halten, je nachdem ob der Satz bedeuten soll, dass alle Mädchen eine Katze (die für alle Mädchen unterschiedlich sein kann) lieben oder dass es eine Katze gibt, die von allen Mädchen geliebt wird.

Gibt’s da Einwände?

Ja, das sind drei Lesarten. Ich frage mich, inwieweit sie wiedergeben, was man typischerweise mit solchen Äußerungen meint.

∀x∀y((GIRL(x) ∧ CAT(y)) → LOVES(x,y))     wird, denke ich, selten damit gemeint.

∀x∃y((GIRL(x) ∧ CAT(y)) → LOVES(x,y))   noch weniger;   und ∃y∀x((GIRL(x) ∧ CAT(y)) → LOVES(x,y))   noch weniger.
Das ist nun eine empirische Frage.
Vielmehr scheinen mir solche Aussagen eine typische Vorliebe mit Bezug auf Typisches zu beinhalten. Die PL-Formeln jedoch laufen über Individuen.

Wenn man "lieben Katzen" als Verbalgruppe wie "schreien" in "Alle Babys schreien" auffasst, liegen Fragen wie "Welche Katzen?" oder "Wann?" schon näher. Wir reden normalerweise nicht so, dass wir auf Individuenmengen Bezug nehmen; eher auf bestimmte Situationen, denke ich.


Wenn es nicht um Zählbares geht, wie bei "Alle Männer trinken Whisky", ist eine derartige Aussage besonders natürlich. Keiner würde sich auf einen bestimmten Whisky, eine bestimmte Gelegenheit, … , etwas, worüber Quantoren laufen, festlegen lassen.

Nachtrag, Beispiel:

Solche Formeln mit Quantoren, die über Individuenmengen laufen, eignen sich gut für bestimmte Situationstypen, wie man sie von Prüfungen gut kennt:
Zwei Girls, Inge und Lulu, und zwei Katzen, Dickie und Kitty.
Inge liebt Dickie, Lulu liebt Kitty. Jede liebt jeweils eine.
Dickie wird sowohl von Inge als auch von Lulu geliebt. Es gibt also eine, die von jeder geliebt wird.
Das ist zwar klausurgeeignet, aber im Alltagssprachgebrauch untypisch.

Ich will mein Gemäkel über die Ignoranz, was formalsemantische Entwicklungen nach Frege und alternativ zu Frege betrifft, mal anhand eines Beispiels fortführen, angeregt durch Überlegungen von Fred Sommers in „Indefinite Reference“ in „The Logic of Natural Language“:
Worauf ‚referiert‘ „einige Männer“? Sind einige Männer der Referent von „einige Männer“?
Sollte man annehmen, dass in „Einige Männer sind Dinosaurier“ „einige Männer“ auf Dinge Bezug nimmt (‚referiert‘), über die dann ausgesagt wird, dass sie Dinosaurier sind?
Oder ist es plausibler, dass, worauf „einige Männer“ Bezug nimmt, auch davon abhängt, was über sie ausgesagt wird? „einige Männer“ würde dann auf solche Männer Bezug nehmen, die auch Dinosaurier sind.
Sofern es solche Männer nicht gibt, würde die ‚Referenz der Nominalgruppe fehlschlagen‘.

Oder stärkt das Beispiel eher Freges Ontologie, die Funktionen Objekten gegenüberstellt?
Montague hat „einige Männer“ als synkategorematisch behandelt derart, dass dieser Nominalgruppe nichts zuzuordnen wäre, das Gegenstand in einem Modell wäre. Eine Übersetzung wäre [Lambda X(Es gibt x(Mann(x) und X(x)))]. Diese wäre dann als Funktion, nicht als Objekt, zu interpretieren – ganz fregesch.

Ich glaube, dass Linguistik in unreflektierter Übernahme von Prädikatenlogik erstarrt ist.
"We already know that for Frege MPL [Modern Predicate Logic] was metaphysical in the sense of requiring an ontology of concepts/functions that seemed to go proxy for old-fashioned universals and were to be contrasted with objects, as well as of making existence a second-level property of concepts. [...] Quine' account of MPL commits it to the doctrine of bare particulars, the idea that there exist essentially featureless objects that ground numerical identity and difference between objects of ordinary experience [...]."
D. S. Oderberg, "Predicate Logic and Bare Particulars". In: The Old New Logic. Essays on the Philosophy of Fred Sommers. MIT Press 2005.