Tichy, Indogermanistisches Grundwissen (2009), S. 48f.: „
Der freie Akzent des Uridg. war ein vorwiegend musikalischer Akzent, d.h. in erster Linie durch die Tonhöhe markiert, ähnlich wie noch im Vedischen (Grundfrequenz […]; Hoch- oder Steigton; Fallton […]), im Altgriechischen […], im Litauischen, Serbischen, Kroatischen und Slovenischen. […]
Bei Annahme eines vorwiegend musikalischen Akzents erklärt sich die Abhängigkeit des Verbalakzents, wohl auch des Vokativakzents von der Stellung im Satz und damit der Satzintonation […].“
Es ist aber nun eben die Frage, inwieweit letzteres, die Satzintonation (im vedischen Sanskrit und Altgriechischen weisen Verben im Hauptsatz auf Akzentlosigkeit hin) für eine hier gefragte phonologische Intonationsdifferenz spricht. Mayrhofer in Meier-Brügger, Indogermanische Sprachwissenschaft (2010), S. 283-290 operiert bei seiner ausführlicheren Besprechung des uridg. Akzentsystems überhaupt nicht mit tonalen Oppositionen und sieht die Satzintonation als andere Ebene an. Es kann jedenfalls kein einziges uridg. Minimalpaar für einen solchen Unterschied angeführt werden, es lässt sich nur ein freier (i.e. morphologisch gesteuerter) Akzent für jede Wortform rekonstruieren.
Rix, Historische Grammatik des Griechischen (1992), S. 44: „
Daß die idg. Grundsprache in betonten Silben mit langem Silbengipfel (Langvokal oder Diphthong) eine Intonationsopposition steigend : geschleift (bzw. fallend) gekannt hat, ist möglich, aber nicht zu erweisen (die scheinbare Übereinstimmung von lit. -à, -õs und gr. -ā‘, -ãs im Nom. bzw. Gen. der –ā < eh2-Stämme beruht wohl auf einzelsprachlicher Neuerung […] Es muss also offen bleiben, ob das Griech. seine Intonationsopposition […] ererbt oder neu geschaffen hat.“
Anmerkung: Schleifton entsteht im Griechischen sekundär durch Kontraktion. Die Entstehung der baltischen und slavischen Intonationen ist hochgradig umstritten; jedenfalls benötigt man in allen Szenarien viele Transformationen.
Man weiß darüber hinaus beinahe mit größerer Sicherheit, dass es relativ kurz vor dem rekonstruierten urindogermanischen Sprachzustand einen starken dynamischen Druckakzent gegeben haben muss, da das Urindogermanische deutliche Spuren von Synkope und der daraus resultierenden Schwund-/Nullstufe im Ablautsystem zeigt.