(14.05.2015, 03:13:47)Skanar Hansson schrieb: Aus welchem "Rohmaterial" entstehen Agensblocker? (sollte ich mich unkorrekt oder falsch ausdrücken, bitte ich um Berichtigung). Für den Kasus Superessiv kann z.B. das Substantiv für "Kopf" als "Rohmaterial" dienen. Analog zu solchen grammatikalisierten Metaphern (anders weiß ich es nicht auszudrücken) versuche ich nach und nach weitere Quellen von Markern ausfindig zu machen. Gibt es Literatur, die genau dieses Thema behandelt?
Ich stimme Janwo zu, dazu gibt es viel Literatur. Ich habe leider die Handouts und Mitschriften von Vorlesungen, die ich dazu hatte gerade nicht zur Hand, wenn da etwas interessantes steht, werde ich das aber nachreichen. Leider weiß ich gerade nicht genau, was du mit "Agensblockern" meinst. Hier kurz, was ich im Moment rekonstruieren kann und was mir zusätzlich noch einfällt:
(Kurz allgemein, vmtl. bekannt, aber als Einleitung)
In der Grammatikalisierungsforschung geht man davon aus, dass grammatisches Material sich aus lexikalischem entwickelt. Das geschieht mittels ineinander greifender diachroner Prozesse ('semantic bleaching', Erosion, Reanalyse, etc.) auf verschiedenen linguistischen Beschreibungsebenen. Wie man das im Detail theoretisch beschreibt, ist bei verschiedenen Autoren unterschiedlich.
Das greift wie gesagt in einander, aber vorübergehend kann man vielleicht eine Trennung vornehmen. Morphosyntaktisch gesehen wird die (soweit ich weiß auf
Heine et al. 1991 zurückgehende) Entwicklung Nomen/Verb (> Adverb) Adposition > (Kasus)affix > Verlust angenommen.
Was die Semantik angeht, findest du bei
König (2011) (die auf
Heine 2008 aufbaut) u.a. genau solche "Source -> Target" Auflistungen verbaler und nominaler Quellen, wie du sie anhand des Superessiv schon dargelegt hast.
Wenn man dann im Bereich der Kasus ist, gibt es weitere Entwicklungen innerhalb dieser. Sie hat u.a. auch eine Auflistung von Quellen von Ergativmarkern inkl. Sprachen und Liteaturangaben:
- Instrument
- Source
- Demovierte Agenten in Passiv-Konstruktionen
- Lokative
- Genitiv/Partitiv
- Nominativ
Was vielleicht auch ganz interessant ist -- auch in Hinblick auf deine erste Frage -- sind die
"Grammaticalization Channels" für Kasus von Lehmann:
(In manchen zitierten Fassungen fehlt der Pfad vom Dativ zum Ergativ)
Hier sieht man auch ganz gut, wie sich die Kernkasus aus peripheren/semantischen entwickeln. Lehmann merkt an, dass die Entwicklung von Akkusativen zu Absolutiven theoretischer Natur und nicht belegt ist (Ergativ und Akkusativ sind ja meist markiert, Nominativ und Absolutiv nicht). Umgekehrt sagt er allerdings, dass sich aus Ergativmarkern Marked-Nominative Systeme entwickeln können. Sollte das wirklich stabil sein, wäre ja schon die Frage, warum das bei Nominativ, aber nicht beim Absolutiv geht. (
Haspelmath (2005: 11 fn8 merkt an, dass es mindestens zwei Sprachen mit markierten Absolutiven gibt; da weiß ich aber nicht, ob die sich aus Akkusativen entwickelt haben)
Ich hatte ja in meinem ersten Beitrag Zweifel angemeldet, weil da der Eindruck entstand, dass Instrumente die einzigen Quellen sein können, was mir komisch vorkam. So wie hier jetzt ist es dann aber natürlich plausibler. :)
Semantische Karten erfassen ja Bedeutungen in ihrem konzeptuellen Kontext; das muss nicht zwingend auch Grammatikalisierung erfassen -- tut es oft aber schon. Für Kasus gibt es eine ganze Reihe davon, z.B.
-> Dativfunktionen, Instrumental;
Haspelmath 2003
-> Allativ;
Rice + Kabata 2007
-> Instrumental;
Narrog + Ito 2007
-> Zusammenfassung; Generalisierte Karte;
Malchukov + Narrog 2011
(Sowie Ausgabe 10 der OpenAccess Zeitschrift
Linguistic Discovery zu semantischen Karten; da sind auch einige Artikel, die Grafiken aus genannten Arbeiten enthalten)
Ich glaube, wenn du dich dafür interessierst, wären die schon verlinkten Oxford-Handbücher zu Grammatikalisierung und Kasus kein schlechter Ansatzpunkt