Die Vorurteile hängen etwas davon ab, mit wem man sich unterhält.
Manche Leute haben keine Vorstellung davon, dass es so was wie Sprachwissenschaft überhaupt gibt, schon gar nicht, was man da lernt. Das ist meist gepaart mit der Annahme, dass alle Sprachen im Prinzip so funktionieren wie Deutsch, oder ggf. erlernte Schulsprachen, nur halt mit anderen Wörtern; was soll sich da schon groß unterscheiden? Eine Ausnahme bilden Sprachen, die mit anderer Schrift geschrieben werden.
Andere verwechseln Sprachwissenschaft mit Literaturwissenschaft, oder einem Dolmetscherstudium. Manchmal vertrat mein Gegenüber -- zumindest unterschwellig -- die Meinung, dass man das ja nicht studieren muss, schließlich spricht man ja eine Sprache und weiß alles darüber; ich glaube dieses Schicksal teilen Linguisten mit Psychologen.
Auf einem etwas höheren Niveau kommen dann zum Beispiel die Leute, die meinen, Sprachen wären aus goldenen Regeln aufgebaut, so, wie der Satz des Pythagoras eine goldene Regeln ist, die man unbedingt und immer zu beachten hat. Das Korreliert gerne mit Anglizismenhassern, die mich auf ihrer Seite wähnen und Sprachnazis, die der Meinung sind, dass Arabisch und Türkisch natürlich primitive Sprachen ohne Grammatik sind.
Wenn ich Mitstudenten anderer Fächern -- das heißt insb. Philologen -- gegenüber fallen lasse, dass ich "richtig Sprachwissenschaft, nicht nur als Teilfach" studiere, erzählen sie mir mit bleichem Gesichtsausdruck, dass sie dadurch, dass ich das Wort in den Mund genommen habe, die nächsten drei Nächte wieder Alpträume bekommen, in denen Chomsky sie durch einen Wald voller Syntaxbäume hetzt und dabei Phrasenstrukturregeln gröhlt. Wenn ich dann erwähne, dass Generativismus bei uns keine besonders exponierte Rolle spielt, sondern gleichberechtigt neben anderen Theorien steht, ernte ich skeptische Blicke, weil sie gelernt haben, dass "alle das machen, und die paar, die das nicht verwenden keine Ahnung haben " (O-Ton einer Anglistik-Studentin).
Die Frage nach dem "was macht man damit" kann ich meist geschickt umgehen, dadurch, dass eine Studienrichtung die Phonetik ist und man damit zum Beispiel Forensiker werden kann (die geringen Chancen so eine Stelle zu bekommen erwähne ich in einem Nebensatz, ebenso wie, dass ich keine Lust habe, mir den ganzen Tag "Verbalerotik" anzuhören und das nicht machen möchte). Damit können viele was anfangen und meistens geben sie dann Ruhe.
Wenn der Gesprächspartner nicht getürmt ist, und ich fortfahren darf, wird die Sprachwissenschaft aber oft auch als sehr interessant und faszinierend empfunden, insb. wenn ich davon erzähle, dass ich mich vor allem für Typologie interessiere und das erkläre oder von der Möglichkeit, Feldforschung zu betreiben berichte.