Zitat:Mir haben mal zwei äußerst posseirliche Sprecher des Saterfriesischen klarzumachen versucht, dass ihre Sprache in Wirklichkeit ja ein Isolat sei und mit Friesisch so rein gar nichts gemeinsam habe.
Haha, dät is jee ook moal wät Näies. Iek kon hier goar nit ju germaniske Nattúur sjo. Wier is ju? ^^
Es gibt auch neuerdings eine komische Instagram-Gruppe, wo ein paar Leute eine völlig abstruse Orthographie für das ostfriesische Niedersächsisch haben und argumentieren, es wäre gar nicht wirklich Niedersächsisch, sondern eigentlich ein Überlebender des Friesischen, das nur viel niederdeutsch Einfluss hatte.
Ich finde solche Beispiel aber eigentlich sehr nützlich.
1. Es zeigt, dass das Bild von Sprache(n) von Ottonormalverbrauchern einem ganz anderem Prinzip zugrundeliegt als die förmliche, typologische Betrachung. Eben als politisierbare Entität.
2. Dass diese Bilder so subjektiv sind, dass sie rein opportunistisch sind und nie objektiv.
Mein Standpunkt ist immer, dass es keine Dichotomie zwischen Dialekt und Sprache gibt. Beides sind eigene und vollständige Systeme, deren Dasein nicht irgendwie determiniert oder legitimiert wird durch ein anderes System, von der sie durch die Bezeichnung "Dialekt von ..." abhängig gemacht werden sollen.
Für mich sind es rein politische Begriffe, die mit Sprachwissenschaft nichts zu tun haben. Sprachwissenschaft kann beschreiben, wie typologisch oder historisch nah zwei Varietäten sind, aber sie kann nicht politisch und willkürlich entscheiden, was plötzlich eine Unterart von etwas anderem ist. Ausdrücke wie "nur ein Dialekt von ..." oder "... ist sogar eine eigene Sprache" haben immer nur die Intention einer künstlich erschaffenen politischen Hierarchie zugrunde, um die Sprecher*innen abzuwerten: Wenn es ein Dialekt ist, haben sie weniger Recht auf ihre Selbstidentifikation zu pochen, bei einem Status als Sprache wird ihnen dieses Recht eingeräumt. Wunderbar zu sehen am Beispiel "Scots". Die "nur Dialekt"-Fraktion will dadurch sagen "Jaja, speak it quitely and don't be all in my face about it. Also, write cognates to English with their English orthography, don't be like it's a language." Die "Sprache"-Fraktion findet das kulturelle Erbe und die Eigenständigkeit Schottlands schön. Hunderassen stehen ja auch nicht in irgendeiner Dependenzhierarchie von einander. Sie haben einfach nur gemeinsame Knotenpunkte, aber alle stammen immer mit der gleichen Zeittiefe voneinander ab, ohne dass jemand über jemandem anderen steht. Irgendwie verstehen das so viele Leute nicht.
Aber diese Diskussion zeigt eben das, es gibt keine förmliche Dialekt-Sprache-Einteilung. Deswegen kann man auch im Grunde so ähnliche Varietäten, dass man sie zu diesem Moment noch als nahezu gleich bezeichnen würde, verschiedene Namen geben und unterschiedlich behandeln. (Sie werden durch die kulturelle Grenze ohnehin auseinander laufen in der Zukunft. Und das diachrone Spektrum ist ja genauso willkürlich, ab wann in der Geschichte könnte man argumentieren, dass Luxemburgisch eine eigene Sprache ist oder nicht? Man kann sie also schon gleich unterschiedlich benennen, dann gibts später weniger Probleme. ^^)
Sprache ist halt eben nicht nur Typologie sondern auch Assoziationen, Identität, Identifizierung, Kultur, Geschichte, auch Schrift und auch Narrative etc. Ich finde den rein typologischen Blick darauf oft zu kurz. Wenn Sprecherschaft 1 sich als unterschiedlich sieht zu Sprecherschaft 2 dann ist das eben so.
(Das beinhaltet aber natürlich nicht falsche Zuschreibungen wie oben: Saterfriesisch ist kein Isolat sondern eine friesische und ergo germanische Sprachen. Auch typologische Nähe kann nicht diskutiert werden, weil die ja objektiv erhoben werden kann. Ich meinte damit nur, dass Leute unterschiedlich nennen können und sich bewusst im größtmöglichen Maße distanzieren können von anderen im Sinne von Assoziationen gegenüber ihrer Sprache, nicht einfach im trumpesquen Maße und Sachen erfinden.)