(29.05.2016, 11:05:42)Haseputz schrieb: Hallo,
ich beschäftige mich gerade mit der linguistischen Betrachtung von Kosenamen und habe ein Beispiel wo ich nicht so recht weiter weiß und mal einen Rat brauche. Ich möchte die Kosenamen gerne hinsichtlich ihres Ursprungsbereiches und Bildung kategorisieren und in einer Beziehung wird der Kosename "Ein und Alles" verwendet. Nun möchte ich gerne die Bildungsweise und den Ursprungsbereich benennen. Es handelt sich zunächst ja erstmal um eine Primärbildung, da die Bezeichnung nicht vom Personennamen ableitbar ist. Durch den linguistischen Prozess der Proprialisierung ist diese Bezeichnung ja zum Namen geworden.
Ist es wirklich zum Namen geworden? Ich glaube nicht, dass "Ein und Alles" jemals ohne Possessor vorkommt. Man könnte es also als (zumindest syntaktisch) komplexe NP analysieren, die als ganzes ("Ein und alles") noch Platz für ein Argument hat, dass durch die Spezifizierung des Possessors gesättigt wird.
(29.05.2016, 11:05:42)Haseputz schrieb: Mir geht es bei meiner Frage jetzt darum wie man Ein und Alles klassifizieren kann. Appellativ oder Phraseologismus?
Wenn ich das richtig verstehe, schließen sich die beiden Kategorisierungen, die du vorschlägst nicht aus. Phraseologismus ist scheinbar ein philologischer Begriff für idiomatisierte Konstituenten. Also solche, die zwar syntaktisch komplex sind, deren Bedeutung aber nicht kompositional zustande kommt. Das heißt, dass die ganze NP "Ein und Alles" als Nomen so im Lexikon stehen müsste.
Phraseologismus ist also eine strukturelle (genauer: Morphologische) Kategorie.
Appellativ scheint mir eher eine Kategorisierung des Gebrauchs zu sein, die zutrifft genau dann wenn ein Ausdruck gebraucht wird um jemanden anzusprechen. Meines Erachtens können in diese Kategorie nur komplette DPs, nicht unbedingt NPs fallen, also "mein Ein und Alles" anstatt von nur "Ein und Alles". Mit einem Possessor der ersten Person kann "Ein und Alles" dann als Appellativ gebraucht werden:
- Ich liebe dich, mein Ein und Alles.
- Guten Morgen, mein Ein und Alles.
Aber nicht:
- * Ich liebe dich, Ein und Alles.1
- * Guten Morgen, Ein und Alles.
Aber selbst mit einem Possessor der ersten Person ist nicht garantiert, dass es sich um einen Appellativ handelt. Hier zum Beispiel wird es benutzt um Marie eine Eigenschaft zuzuschreiben, ohne sie anzusprechen:
- Marie ist mein Ein und Alles.
Es kann auch benutzt werden, um auf sie zu referieren ohne sie anzusprechen:
- Mein ein und Alles hat mir heute den Tag versüßt.
Und mit einem Possessor, der nicht erste Person ist, kann es als Eigenschaft gebraucht werden, meines Urteils nach unter Umständen auch als referenzielle DP, aber nicht als Appellativ:
- Marie ist Pauls Ein und Alles.
- ? Pauls Ein und Alles hat ihm heute den Tag versüßt.
- # Hallo, Pauls Ein und Alles.
- # Hallo, sein Ein und Alles.
- # Ihr Ein und Alles, ich liebe dich.
(29.05.2016, 11:05:42)Haseputz schrieb: Ich habe mich gerade nochmal belesen und festgestellt, dass die Angabe von Phraseologismus als Ursprungsbereich gar nicht so schlecht ist. Seid ihr der gleichen Meinung? Dann trifft aber dennoch der Prozess der Onymisierung bzw. Proprialisierung zu damit aus diesem ein Kosename werden konnte,oder?
Zusammenfassend: meiner Analyse nach kann die DP "mein Ein und Alles" als Kosename gesehen werden (aber nicht die NP "Ein und Alles"). Damit meine ich, dass es sowohl als Eigenschaft (prädikativ), referentiell und Appellativ gebraucht werden kann. Zu der Frage, wie es dazu gekommen ist, habe ich keine Theorie.
Die NP "Ein und Alles" scheint weder als Appellativ, noch referentiell zu gebrauchen zu sein, also verhält sich gar nicht wie ein Name. Der Status von "mein Ein und Alles" als Kosename hat also meines Erachtens nicht direkt mit dem Status der NP "Ein und Alles" als 'Phraseologismus' (also lexikalisierte syntaktische Konstituente/Idiomatisierung) zu tun.
(29.05.2016, 11:05:42)Haseputz schrieb: Danke schon jetzt für eure Hilfe!
Gerne. Ich hoffe, dass meine Perspektive auf das Thema dir geholfen hat ??
(1: Meine Analyse basiert darauf, dass diese Urteile korrekt sind. Falls es Leute gibt, die das so sagen, kann "Ein und Alles" doch ohne Determiner als Appellativ gebraucht werden. Wie gesagt, ich denke nicht, dass das der Fall ist. Falls es aber so ist, kann man unter Umständen schon davon sprechen, dass sich "Ein und Alles" (ohne "mein" oder wessen auch immer) sich ein bisschen wie ein Eigenname verhält. Also, wie du sagst Proprialisiert wurde. Aber selbst dann ist die Analyse problematisch, denn es kann sich nicht um eine vollständige Proprialisierung handeln. Denn selbst, wenn es doch Leute gibt, die "Ich liebe dich, Ein und Alles." sagen, ist "Marie ist Ein und Alles." mit Sicherheit ungrammatisch. )