Konjunktiv bei Don Giovanni

Liebes Forum, bin bei einem Opernbesuch von „Don Giovanni“ über folgende deutsche Übersetzung im Libretto gestolpert.

„Gnädigste. Wirklich. Da auf dieser Welt nun einmal eine Sache, hätte sie vier Ecken, nicht rund sein kann...“

Der Konjunktiv 2 „hätte“ wundert mich. Irreal oder ein holder Wunsch sind Vierecke ja nun nicht. Oder lässt sich das irgendwie grammatikalisch begründen bzw. ist dieser Konjunktivgebrauch gewissermaßen eine künstlerische Freiheit, da er besser klingt?

Die alte Übersetzung habe ich übrigens auch gefunden. Nicht gerade zeitgemäß:
„Sintemalen und alldieweil es männiglich bekannt,
daß ein Viereck nicht rund ist“

Viel besser passt da diese frischere Version von Eckhardt van der Hoogen:
„Madame - wirklich - in dieser Welt, wo ein Rechteck nun mal kein Kreis ist ...“


Danke für Eure Antworten

Nun ja, es ist halt eine hypothetische Sache, über die spekuliert wird, und kein konkreter, realer Gegenstand. Dass da ein Konjunktiv steht, ist meiner Meinung nach ein wenig altbacken, aber nicht verkehrt. Konjunktivverweigerer setzten dort eine Konditionalkonstruktion mit wenn + Indikativ.

Danke, aber eine sehr realistische Annahme bzw. Hypthese...;)

Hypothese genug, dass in solchen Fällen in manch anderer Sprache ein Konjunktiv o.ä. oder ein evidential mit Irrealis-Bedeutung obligatorisch wären.

Mal angedacht, vom Kontext her:
Don Giovanni ist gegenüber Donna Elvira in der Bredouille, es wird für ihn riskant in der Begegnung (Mi pone a cimento costei!)

Nun soll Leporello auf Befehl Don Giovannis erklären, inwiefern Don Giovanni sich gegenüber Donna Elvira nach gebrochenem Heiratsversprechen entlasten kann.
Donna Elvira will die Wahrheit wissen. 

DON GIOVANNI
Eh via! Siate più ragionevole.
(a parte)
Mi pone a cimento costei!
(ad Elvira)
Se non credete al labbro mio, credete a questo
galantuomo.

LEPORELLO (a parte)
Salvo il vero.

DON GIOVANNI (a Leporello)
Via, dille un poco.

LEPORELLO (a parte a Don Giovanni)
E cosa devo dirle?

DON GIOVANNI
Sì, sì, dille pur tutto.

DONNA ELVIRA
(a Leporello, mentre Don Giovanni parte non visto
da Donna Elvira)
Ebben, fa presto!

LEPORELLO
Madama - veramente - in questo mondo,
conciossia cosa quando fosse che il quadro non è tondo...

Leporello zählt dann die unendlich große Menge an Liebeleien und Liebschaften - wohl wahrheitsgemäß - auf:

Madamina, il catalogo è questo
delle belle, che amò il padron mio;
un catalogo egli è, che ho fatt'io.
Osservate, leggete con me.
In Italia seicento e quaranta,
in Almagna duecento e trentuna,
cento in Francia, in Turchia novantuna,
ma in Ispagna son già mille e tre!
V'han fra queste contadine,
cameriere, cittadine,
v'han contesse, baronesse,
(...)

Das könnte der Hintergrund für den Übersetzer und seinen Konjunktiv gewesen sein, der Leporello-Katalog präsentiert Belege für Untreue, so kann im Vorfeld ein eher abstrakter Satz stehen. Dieser spielt mit einer Konjunktion von zwei sich widersprechenden Qualitäten. 
Eckig verhält sich zu rund wie Don Giovanni zu treu:
Wie etwas Eckiges rund wäre, und das in Wahrheit unmöglich ist, so wäre ein Don Giovanni treu

Das lässt sich auch indikativisch ausdrücken, weil die Unmöglichkeit evident ist:
Wie etwas Eckiges rund ist, so ist ein Don Giovanni treu.
Der Konjunktiv setzt einfach darüber hinaus ein hyperpräzisierendes Signal..... wie es janwo schon skizziert hat:
evidential mit Irrealis-Bedeutung .

[Bild: https://78.media.tumblr.com/20382a43e692...o3_400.gif]

(05.02.2018, 14:41:45)Willi Wamser schrieb: Mal angedacht, vom Kontext her:
Don Giovanni ist gegenüber Donna Elvira in der Bredouille, es wird für ihn riskant in der Begegnung (Mi pone a cimento costei!)

Nun soll Leporello auf Befehl Don Giovannis erklären, inwiefern Don Giovanni sich gegenüber Donna Elvira nach gebrochenem Heiratsversprechen entlasten kann.
Donna Elvira will die Wahrheit wissen. 

DON GIOVANNI
Eh via! Siate più ragionevole.
(a parte)
Mi pone a cimento costei!
(ad Elvira)
Se non credete al labbro mio, credete a questo
galantuomo.

LEPORELLO (a parte)
Salvo il vero.

DON GIOVANNI (a Leporello)
Via, dille un poco.

LEPORELLO (a parte a Don Giovanni)
E cosa devo dirle?

DON GIOVANNI
Sì, sì, dille pur tutto.

DONNA ELVIRA
(a Leporello, mentre Don Giovanni parte non visto
da Donna Elvira)
Ebben, fa presto!

LEPORELLO
Madama - veramente - in questo mondo,
conciossia cosa quando fosse che il quadro non è tondo...

Leporello zählt dann die unendlich große Menge an Liebeleien und Liebschaften - wohl wahrheitsgemäß - auf:

Madamina, il catalogo è questo
delle belle, che amò il padron mio;
un catalogo egli è, che ho fatt'io.
Osservate, leggete con me.
In Italia seicento e quaranta,
in Almagna duecento e trentuna,
cento in Francia, in Turchia novantuna,
ma in Ispagna son già mille e tre!
V'han fra queste contadine,
cameriere, cittadine,
v'han contesse, baronesse,
(...)

Danke fürs Posten des Kontextes. Leporello ist maximal verlegen. Daher verwendet er eine aufgeblasene Konjunktion, die man noch heute im Lexikon findet mit dem Hinweis, das sie eben übertrieben ist und daher eine scherzhafte Wirkung hat (http://www.treccani.it/vocabolario/conciossiache, ein bisschen wie "nichtsdestotrotz", aber kausal oder konzessiv, hier wohl kausal). Damit nicht genug, er bläht die Konjunktion weiter auf zu: "consciossia cosa quando fosse che", nach der umständlichen Konjunktion kommt dann eine Binsenweisheit: das Quadrat ist nicht rund. Das hat eine sehr lächerliche Wirkung, die leider in der "frischen Übersetzung" verloren geht, aber vielleicht in der Übersetzung mit dem seltsamen Konjunktiv spürbar wird. Am besten gelungen ist tatsächlich die vermeintlich altertümliche Übersetzung mit "sintemalen und alldieweil", vgl. Deutsches Wörterbuch [Bd. 16, Sp. 1211f.]: "seitdem auf die steife kanzleisprache eingeschränkt, ganz analog den gleichbedeutenden dieweil, alldieweil, s. th. 2, 1146 ff. 1, 216, mit denen es auch gern in pleonastischer umständlichkeit verbunden wird: alldieweil und sintemal(en)" (http://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemma=sintemal). Der italienische Text hat ungefähr dieselbe Wirkung wie "sintemalen und alldieweil". Sie ist somit nicht unzeitgemäß, sondern versucht das Original nachzuahmen, was ihr gelingt.