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Yaouoay > 15.03.2022, 04:09:47
janwo > 15.03.2022, 10:43:34
Kevin > 15.03.2022, 16:22:23
thf > 15.03.2022, 20:46:18
Yaouoay > 15.03.2022, 22:25:34
janwo schrieb:Allophonische, d.h. phonologische, Unterschiede werden in den meisten Wörterbüchern nur dort berücksichtigt, wo sie auffällige Unterschiede produzieren, also z.B. standardhochdeutsch [ç] vs. [x] für den CH-Laut, abstrahiert /x/. Das was den Sprechenden/Hörenden egal ist, wird nicht markiert. Daher wird der phonetische Unterschioed zwischen /x/ in Nacht und /x/ in Loch, also [x] vs. [χ]. Das wäre höchstens etwas für eine phonetische Transkription.
Rein phonetisch gesehen sind [ç], [x] und [χ] klar voneinander unterscheidbar. Auf phonologischer Ebene ist für die meisten Sprachteilhabenden der Unterschied zwischen dem ersten und einem der beiden anderen klar hörbar, der zwischen dem zweiten und dritten jedoch normalerweise nicht.
janwo schrieb:Es gibt viele kleine Unterschiede in der Artikulation, die ein geübtes Ohr wahrnehmen kann, die aber für die Phonologie nicht weiter interessant sind. Die zwei SCH-Laute in schieben und schubsen unterscheiden sich phonetisch betrachtet auch [ʃʲ vs. ʃʷ], phonologisch gesehen sind sie aber gleich.
Kevin schrieb:Aus welcher Region kommst du nochmal, Yaouoay? […] Ich denke, dass gerade solchen filigranen Vokalqualitätsunterschiede von Region zu Region schnell wechseln. Wäre sicher interessant, sie typologisch zu untersuchen, vielleicht etwas für dich? ^^
janwo schrieb:So ist es auch mit der R-Vokalisierung im Auslaut. Der Ausspracheduden beispielsweise führt im Vorspann auf, welche subphonematischen Variationen es gibt, die im Wörterverzeichnis nicht stets als Alternativen aufgeführt werden. Eine davon ist /r ~ ɐ/ in diversen Umgebungen. Im Aussprachewörterbuch von Siebs wird diese Vokalisierung ebenfalls kurz erklärt und dann, da "nicht zur Hochlautung gehörig" nicht im Wörterverzeichnis als Alternative gelistet.
Kevin schrieb:Nach jedem der Vokale ein echtes [ɐ̯] zu sprechen klingt für mich zumindest nicht falsch, bzw. sehr standardlich/hochdeutsch. Damit meine ich aber nicht, dass ich es so mache.
thf schrieb:Die breite Transkription lehnt sich dabei oftmals an die phonemische Repräsentation an und erfasst eher eine idealisierte Aussprache. Diese kann man dann schrittweise verfeinern, um zum Beispiel einige gängige Prozesse zu erfassen und dann stückchenweise immer spezifischer zu werden (z. B. Erfassung regiolektaler Aspekte). Die breite Transkription ist also stärker phonologisch orientiert.
Bei einer engen Transkription werden mehr Nuancen erfasst bis hin zu Sprechenden- und Äußerungs-spezifischen Details. Eine sehr enge Transkription unterscheidet sich manchmal sehr deutlich von einer breiten Transkription, weil man zum Beispiel auch Assimilationen usw., die sich beim "natürlichen" Sprechen im Äußerungskontext ergeben, notiert. Die enge Transkription ist also stärker phonetisch orientiert und erfasst auch artikulatorische Details, die phonologisch irrelevant sind.
Daher ist es aus meiner Sicht sinnvoll, sich zu überlegen, was der Zweck einer bestimmten Transkription ist. Bei den Wörterbüchern, die du ansprichst, @Yaouoay, ist eine breite Transkription, die eben als Aussprachehilfe gedacht ist, zweckdienlicher als eine zu detaillierte. Daher wird der von dir angesprochene Unterschied vielleicht nicht erfasst. Für z. B. forensische Zwecke oder so etwas ist hingegen eine engere Transkription sicher hilfreich.