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Yaouoay > 19.11.2020, 18:09:00
Kevin > 19.11.2020, 20:14:56
Yaouoay > 19.11.2020, 21:26:25
Zitat:Soll es elegant sein, symmetrisch/neutral/ohne Assoziationsrattenschwanz mit anderen negativen Konnotationen sein, oder soll es schon so bekannt sein bei fachfremden Leuten, dass es einfacher ist, dass es irgendwann anerkannt wird. Ersteres hat oft die Conlang-Beibedeutung, letzteres wird leider trotzdem als Sprachpanscherei bezeichnet. Ich hab oft den Eindruck, dass das Problem echt darin liegt, diese beiden überein zu bringen, weil es immer wieder Kritik gibt, wenn es Ideen gibt, die "volksnäher" sind.
Zitat:Was mir bei den Beispiel eingefallen ist, wäre eine Situation, wo es durch Sprachkontakt zu einem neuen Pronomen kommt, das macht es für einige vielleicht plausibler, nachvollziehbarer und natürlicher, als ganz neu erfundene Pronomen.
Zitat:Und die Artikel werden gerne benutzt, um die anderen Personalpronomen zu ersetzen. "De kümmt bi de nich good an." (Sie kommt bei ihr nicht gut an.) "de" wird betont ausgesprochen wie "englisch" /dey/, deswegen hat es mich daran erinnert. Im Norddeutschen wird auch gerne das Demonstrativpronomen statt der Personalpronomen benutzt. Eine Weiterspinnung der Geschichte und "dey" als Plattdeutsch auszugeben, die Subjekt- und Objektunterscheidung und somit auch automatisch die Genusunterscheidung fallen zu lassen würde es auch einfach machen. Possessiv kann wie "Umgangsdeutsch" "dey ihr" und "dey sein" benutzt werden, wenn man es markieren will, oder einfach zur Pluralform übergehen "deren Haus". Vielleicht kann man auch einfach "de" schreiben wie in Platt, weil "dey" vielleicht zu fremd aussieht.
Zitat:Je nachdem wie man über "man" denkt und ob man es als synchron männlich oder neutral sieht, kann man es ja auch als Pronomen benutzen und Sätze danach bauen: Hat er/sie denn nichts zu tun? > Hat man denn nichts zu tun?
thf > 19.11.2020, 23:03:20
Kevin > 20.11.2020, 12:39:51
Zitat:Systemlinguistisch betrachtet sind aus meiner Sicht Logatome gesucht, die sich morphologisch nahtlos in das Deutsche eingliedern, sich also wie natürliche Wörter der deutschen Sprache "anfühlen", bisher aber semantisch leer und pragmatisch "unbelastet" sind, sowie keine onomatopoetische Bedeutung haben.Gut zusammengefasst, und deutlich wird, wie nahezu unmöglich das eigentlich ist. Glücklich machen wird man wohl keine*n damit.
Zitat:Tatsächlich ein deutsches genderneutrales Pronomen der dritten Person Singular. Allerdings auch grammatisch (nicht nur etymologisch) maskulin assoziiert, was im Dativ, Akkusativ (einem, einen) und den dafür verwendeten Possessivpronomen (sein…) deutlich wird.Das stimmt. Ich gehöre, glaube ich, eher zu der Gruppe, die eher nicht so "Team 'man' ist männlich und muss vermieden werden", lasse mich aber gerne umüberzeugen. Ich sehe aber, dass die Assoziation (einem Atavismus gleich) wieder zurückkommt, dadurch dass 'frau' benutzt wird und 'man' semantisch neu belegt wird, in Anteilen.
reger > 20.11.2020, 13:22:42
Yaouoay > 21.11.2020, 18:47:03
Zitat:Ich kann den Wunsch, neue Pronomina zu finden, inhaltlich nachvollziehen. Linguistisch gesehen sehe ich da jedoch eine Reihe konfligierender Motivationen ("competing motivations"). Systemlinguistisch betrachtet sind aus meiner Sicht Logatome gesucht, die sich morphologisch nahtlos in das Deutsche eingliedern, sich also wie natürliche Wörter der deutschen Sprache "anfühlen", bisher aber semantisch leer und pragmatisch "unbelastet" sind, sowie keine onomatopoetische Bedeutung haben. Aus soziolinguistischer Sicht möchte man eine möglichst hohe Akzeptanz erreichen und gleichzeitig Stigmatisierung etc. vermeiden. Ich weiß nicht, wie man das alles in Einklang bringen kann, bzw. ob das synchron überhaupt möglich ist, oder nur langfristig, diachron erreicht werden kann. Bisher habe ich leider noch keinen Vorschlag gesehen, der mich aus linguistischer Sicht überzeugt hätte. Aber das soll natürlich bitte niemanden demotivieren, weiter nach so etwas zu suchen.
Zitat:Bei der 'ey'/'eym/'…-Variante ist es zum Beispiel so, dass ich zu diesen Wortformen mehrere Assoziationen habe. Zum einen sind sie für mich phonetisch teilweise zu nah an den männlichen Pronomina dran. Echte neutrale Pronomina sollten diese Assoziation, wenn ich die Zielsetzung richtig verstanden habe, aber vermutlich nicht hervorrufen.
Zitat:Ich habe das Gefühl, dass Menschen mit dem Genus bei Wörtern wie "die Kraft" (Putzkraft), "die Leiche", "die Person", "der Mensch" null Probleme haben und damit keinerlei Assoziationen hegen, wenn sie den Begriff hören und eine Aussage über das Geschlecht der Person machen sollen. Vielleicht kann man ein (kleingeschriebenes) Pronomen à la "man" und "frau" machen, zum Beispiel: "Hat mensch/person schon gegessen?" Wäre komisch, aber die Wörter sind zumindest vorhanden, und die deutliche paradigmatische und inflektorische Geschlechtigkeit von "person > ihre, ihr, sie" oder "mensch > sein, ihm, ihn" haben soweit keinerlei semantischen Auswirkungen auf Genderassoziationen, man müsste also nicht wahllos Wörter neu erfinden.
Letztens hing ein Zettel bei uns Hausflur, wo eine Person irgendwas wollte und anstatt "jemand" immer "jemensch" geschrieben hat. Ich habe mir vorher nie Gedanken gemacht, über die Geschlechtlichkeit von "jemand", und erstmal war es befremdlich. Was haltet ihr davon? (außerhalb von primären Personalpronomen, aber Indefinitpronomen gehören ja eigtl. auch dazu)
Zitat:Gehen die "man" und "-mand" nicht auf Zeiten zurück, wo {man} noch semantisch weiter waren und allgemein "Mensch" bedeuteten und nicht die maskulinen Bestandteile hatten? Ist das dann nicht eher Volksetymologie? (Womit der Versuch nicht zu verurteilt werden soll. Auch empfundene Assoziation ist eben eine Assoziation und wenn es als verkehrt empfunden wird, muss man das untersuchen)
Zitat:Ich verweise mal auf diesen Beitrag von Helga Kotthoff: https://bop.unibe.ch/linguistik-online/a.../view/7181
Die hat eine ganz interessante, sprachideologische Perspektive und geht, wenn ich mich richtig erinnere, davon aus, dass mit den vier verschiedenen Arten zu gendern, die sie ausmacht, auch auf verschiedene politische Ausrichtungen verwiesen wird. Überträgt man das auf "mensch" statt "man", weist so eine Schreibweise jemanden z.B. als postfeministisch (oder was auch immer) im Gegensatz zu konservativ aus. Mir scheint, manchmal, dass abseits systemlinguistischer Fragen solche Verbindungen von Schreibweisen und politischen Einstellungen die Sache noch weiter verkomplizieren als ohnehin schon.