(22.02.2013, 04:33:14)Vortarulo schrieb: Und warum Esperanto nicht längst die Weltsprache geworden ist? Ganz einfach, weil die meisten Menschen es ablehnen, einen Kunstsprache zu lernen, vor allem wenn sie nur wenige Sprecher hat. Und an zweiter Stelle, weil sich eben keine Nation dahinter verbirgt, die irendwie wirtschaftlichen Vorteil brächte oder in die man man vereisen könnte (obwohl letzteres kaum mehr ein Argument sein kann bei den heutigen Angeboten an Aktivitäten).
Zunächst schon mal danke für den netten Tippfehler zum Thema 'vereisen'; Lächeln soll ja sooo gesund sein...
Wie eben dargelegt, kann ich nicht erkennen, dass Menschen es generell ablehnen, eine geplante Sprache zu lernen. Normalerweise lernen die Leute eine Sprache vor allem wegen der Größe der Sprachgemeinschaft (eher noch der Wirtschaftskraft der Sprachgemeinschaft, vgl.
GDP by language) - Esperanto wird aber weitaus mehr gelernt, als es der Größe der Sprachgemeinschaft oder ihrer wirtschaftlichen Bedeutung entspräche. Es hat sich als "Feriensprache" durchaus einen festen Platz erobert.
Ich sehe den Hauptgrund des Nichtlernens von Esperanto relativ einfach in unzureichender Information über Esperanto. Sprachen werden aus eigenem Antrieb vor allem zwischen 14 und 25 Jahren gelernt - und gerade in dieser Altersgruppe wissen erstaunlich wenige Leute, was Esperanto ist, und noch viel weniger wissen, was man mit Esperanto alles anfangen kann. Ich habe an der Humboldt-Uni Berlin vor der Mensa Süd (Sprachwissenschaften u.a.) mal nach Esperanto gefragt - nur 17 von 30 Studis und Doktoranden konnten sagen, was das ist. Eine genauere Befragung nach dem Detailwissen steht noch aus, aber jedenfalls fragte mich eine Sprachwissenschafts-Studentin dann, ob es auch Bücher in Esperanto gibt... Wenn man nicht weiß, dass es z.B. viele tausend belletristische Bücher in Esperanto gibt (und Musik, internationale Treffen...), dann erscheint Esperanto natürlich nicht besonders attraktiv, sondern bloß als eine schöne Idee, "die sich nicht durchgesetzt hat". Und dann kommt man auch kaum auf die Idee, es zu lernen.
(22.02.2013, 04:33:14)Vortarulo schrieb: Da sich das alles auch kaum ändern wird, bleibt "Esperanto als weit verbreitete Weltsprache" für lange Zeit eine Utopie. Alle Esperantisten, die das anders sehen, sind in meinen Augen Träumer. Ob ich das auch mal war, vor 10 Jahren, weiß ich nicht mehr... aber ich versuche, das realistischer zu sehen. Ich sehe Esperanto lieber losgelöst von der "Weltsprache"-Idee. Ob es sich mal als Weltsprache "durchsetzt", ist mir egal, ich werde das nicht erleben. Aber als Sprache an sich (i.S. eines Kommunikationsmittels) funktioniert es bestens.
Auch ich sehe Esperanto vor allem unabhängig von der Vorstellung, es könnte eine weit verbreitete Weltsprache werden. Ob sich allerdings in Sachen Verbreitung etwas ändern wird, das wird davon abhängen, denke ich, ob sich die Rahmenbedingungen ändern:
- Werden die Esperantosprecher es im Laufe der Zeit erreichen, dass die Gymnasiasten ab etwa 12 Jahren über Esperanto zumindest soweit informiert werden, dass sie sich fundiert entscheiden können, ob sie Esperanto lernen möchten (oder nicht). Das könnte gehen, indem in der Schule z.B. zwei Unterrichtsstunden zu Esperanto angeboten werden oder mit allgemeiner Werbung.
- Wird der
Bundeswettbewerb Fremdsprachen eines Tages Esperanto als Wettbewerbssprache zulassen? Das ist ein bisschen symptomatisch für den Widerstand gegen Esperanto bei Fremdsprachenlehrern. Übrigens waren beim zugehörigen Oberstufenwettbewerb 2010/11 unter etwa 50 Leuten in der Endrunde zwei Esperantosprecher (die halt mit anderen Sprachen teilnahmen). Wer sich für Fremdsprachen interessiert, der lernt eben öfter Esperanto als andere (ich schätze grob, von den Leuten, die zwei Fremdsprachen sprechen, sprechen etwa ein Prozent auch Esperanto).
- Wird die EU eines Tages aufhören, Esperanto einseitig darzustellen? Auf der Seite "
Häufig gestellte Fragen: Mehrsprachigkeit und Sprachenlernen" ist zu lesen: "Hin und wieder werden Latein oder Esperanto als einzige, europaweite Sprache für die EU vorgeschlagen." Einen solchen Vorschlag, dass Esperanto "einzige", europaweite Sprache für die EU wäre, gibt es zumindest nicht offiziell; der Deutsche Esperanto-Bund erklärt z.B.: "
Wir unterstützen die Mehrsprachigkeit.". Die Aussage der EU ist nach meinem Eindruck eher ein Konstrukt, das die Mitarbeiter der EU-Kommission lieben, um besser gegen Esperanto argumentieren zu können. Nach meiner Vermutung deshalb, weil die Dolmetscher, Übersetzer und auch die sonstigen mehrsprachigen EU-Mitarbeiter Esperanto so fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Schließlich hängen ihre gutbezahlten Arbeitsplätze davon ab, dass sich Europas Bürger
nicht oder nur schlecht verständigen können. Leider.
- Wird Esperanto eines Tages als
Minderheitensprache (o.ä.) anerkannt werden? Siehe die Diskussion dazu. Sowas in der Richtung wäre der heutigen Nutzung von Esperanto angemessen. Dann wäre auch der Stand in der Öffentlichkeit etwas verbessert.
- Werden die Esperanto-Verbände eines Tages aufhören, vor allem davon zu reden, was Esperanto werden soll ("
Zweitsprache für jeden"), und sich darauf beschränken, Esperanto einfach als das darzustellen, was es ist und wie es heute benutzt wird - in etwa 120 Ländern weltweit, bei internationalen Veranstaltungen, bei Facebook, Mozilla Firefox usw.? Die Europäische Esperanto-Union hat sogar gefordert, dass die
europäische Hymne in Esperanto gesungen werden soll; der Deutsche Esperanto-Bund
unterstützt das; die Deutsche Esperanto-Jugend unterstützt das indirekt, weil sie "
Jugendverband" des Esperanto-Bundes ist (und sie sich nie davon distanziert hat und Vertreter von ihr vielleicht sogar an dem Text mitgearbeitet haben).
Der Vorschlag wird voraussichtlich nicht angenommen werden... und ist nach meinem Verständnis ein tatkräftiger Beitrag, um jedem vernünftigen Menschen klarzumachen, dass die Esperanto-Leute nicht ganz ernst zu nehmen sind und ohnehin von einem Mißerfolg zum nächsten wackeln... Ewige Verlierer halt, nicht abzubringen von ihrer fixen Idee...
Wenn diese und vielleicht noch ein paar mehr Bedingungen erfüllt wären, würde sich Esperanto voraussichtlich auch nicht etwa blitzartig verbreiten. Die Verbreitung von neuen Dingen wird von der Theorie der "
Diffusion of Innovations" beschrieben; in der ersten Runde ist normalerweise nur mit etwa zwei Prozent der Leute zu rechnen, die mit einer neuen Sache etwas anfangen könnten; alle anderen warten erstmal ab, was für Erfahrungen diese zwei Prozent denn so machen. So ist das mit Smartphones und mit häuslichen Espressomaschinen usw.
Das ist allerdings keine rein linguistische Frage mehr, sondern eine Frage des "Sprachenmarketings". Allerdings gibt es nach meinem Eindruck nur wenig solide Forschung darüber, was letztlich die Verbreitung von Sprachen bewirkt. Warum hat das Französische vor ein paar hundert Jahren einen Aufstieg in Europa erlebt - und letzthin einen Niedergang? Welche Faktoren sind für die Verbreitung des Englischen maßgeblich? (Nur so am Rande: Schon vor hundert Jahren hatte Englisch mit etwa 100 Millionen die zweitgrößte Sprachgemeinschaft der Welt; heute hat es nur noch den dritten Platz. Der Anteil der Muttersprachler an der Weltbevölkerung ist von etwa 10 % um 1950 auf heute um 5 % zurückgegangen.) Oder irre ich mich und es gibt dazu Studien, die ein allgemeines Modell der Sprachenverbreitung erstellt haben, in das auch z.B. die Verbreitung von Kisuaheli passt?