Design eines neuen Lehrbuchs: Eure Meinung ist gefragt!!!

Guten Morgen liebe Linguisten,
Ich bin eine Studentin an der Kunsthochschule Lausanne (ECAL) mit Fachrichtung Grafikdesign und schreibe im Moment meine theoretische Bachelorarbeit zum Thema "Wissenschaftlich komplexe Texte für den Leser attraktiv darstellen". Die Linguistik schien mir ein geeigneter Ausgangspunkt, da die Thematik äusserst spannend und reich ist, aber die Lehrbücher eine "Katastrophe" sind (aus dem Blickwinkel der Grafik). Nun hätte ich einige Fragen an euch, und würde mich freuen, wenn ich möglichst bald spannende Antworten darauf bekäme. Danke schon im Voraus, und falls ihr Fragen habt, nur zu!

- Welches war oder ist euer Lieblinslehrbuch?
- Wo hattet ihr Probleme beim Lernen?
- Was wünscht ihr euch in einem Lehrbuch, oder hättet euch gewünscht?
- Was findet ihr gut in den bestehenden Werken?
- Was würdet ihr als nützlich ansehen, bezüglich meiner Vorschläge?
- Sonstige Anmerkungen?

Hier meine Vorschläge:
- Format: - Im Verhältnis zu Seitenlayout (genügend Platz für Textfeld, Notizen, Fussnoten etc.)
- Nicht zu gross, dick -> muss in Tasche passen
- Bindung: - Buch muss flach auf Tisch liegen (Anwendungsort: Bibliothek, Tisch, Pult)
- Genug grosses Buch, darf nicht zuklappen
- Papier: - Nicht zu dick -> gut blättern können. Dickes Papier = Dickes Buch
- Nicht beschichtet -> saugfähig für Leuchtstift
- Layout: - genügend Platz für Notizen, Fussnoten, Anmerkungen
- Verhältnis Textfeld/Schrftgrösse: Schrift nicht zu klein. Angenehme Zeilenlänge
- Schriftwahl: Serifenschrift, da Student gewohnt
- Navigation: klar und präzis. Hierarchie logisch. Symbole für wichtiges.
- Einschübe: - Allgemein: Überraschungen und Pausen
- Illustraionen gross -> Doppelseiten, ganze Seiten
- Ausklappseiten für Querverweise oder Zusatzinformationen
- Richtungsänderungen (Illustrationen, Texte, Einschübe etc.)
- Mehrere leere Seiten -> Notizen oder Pause fürs Auge
- Farbige Seiten zw. Kapiteln -> klare visuelle Trennung
- Zusammenfassung vor Kapitel: Student ist "vorgewarnt"
- Witze als Unterbrechung (wie H. Pelz)
- Editoriale Kommentare: Pause, Motivationssätze
- Merksätze nach Abschnitten oder am Ende eines Kapitels

Also ich finde/fand folgende Bücher ganz gut (nach Rangfolge sortiert):

1. Harley (2008). The Psychology of Language: From Data to Theory (3. Auflage)
   
2. Payne (1997). Describing Morphosyntax: A Guide for Field Linguists
   
3. Foley (1997). Anthropological Linguistics: An Introduction
   
4. Baayen (2008). Analyzing Linguistic Data: A Practical Introduction to Statistics Using R
   

Ich muss allerdings hinzufügen, dass das Gutfinden von Lehrbüchern auch sehr vom Gebiet und vom Inhalt abhängt. Ein Buch kann ja noch so schön gestaltet sein, wenn man den Inhalt langweilig findet, nützt es alles nichts.

Ich finde bei Lehrbüchern wichtig, dass es für jedes Kapitel einen Literaturausblick und eine klare Zusammenfassung. Ich finde auch so Boxen, in denen neue Begriffe auf der Seite auf der sie das erste Mal vorkommen, erklärt werden. Boxen mit kleinen Exkursen finde ich auch gut.

Auf Platz zum Schreiben und markierfähiges Papier lege ich keinen Wert, weil ich es persönlich gar nicht mag, wenn man in Bücher reinschreibt. Witze fände ich auch eher unangebracht.

- Welches war oder ist euer Lieblinslehrbuch?
Ich mag die Einführungsbücher von der WBG.

- Was wünscht ihr euch in einem Lehrbuch, oder hättet euch gewünscht?
Keywords am Seitenrand finde ich sehr praktisch. Glossar ist auch sehr wichtig.

- Bindung: - Buch muss flach auf Tisch liegen (Anwendungsort: Bibliothek, Tisch, Pult)
Ja - ist sehr lästig, wenn man die Seiten ständig mit etwas beschweren muss, damit sie sich nicht umblättern.

- Nicht beschichtet -> saugfähig für Leuchtstift
Aber nicht zu saugfähig (a la Penguin), sonst matscht der Leutchtstift durch.

- Navigation: klar und präzis. Hierarchie logisch. Symbole für wichtiges.
Ein Symbolsystem fände ich praktisch, wobei ich mir mein eigenes entwickelt habe. Z.B. ein großes D neben Definitionen, Fragezeichen neben Problemstellungen, etc.

- Einschübe: - Allgemein: Überraschungen und Pausen
Verstehe ich nicht ganz?

- Illustraionen gross -> Doppelseiten, ganze Seiten
Ich finde es besser, wenn der Text, der sich auf die Illustration bezieht, direkt daneben steht.

- Ausklappseiten für Querverweise oder Zusatzinformationen
Fände ich störend.

- Richtungsänderungen (Illustrationen, Texte, Einschübe etc.)
Bildlich gesprochen, so dass man das Buch drehen muss? Fände ich auch störend.

- Mehrere leere Seiten -> Notizen oder Pause fürs Auge
Lieber bisschen mehr Notizenplatz auf den bedruckten Seiten.

- Zusammenfassung vor Kapitel: Student ist "vorgewarnt"
ja

- Witze als Unterbrechung (wie H. Pelz)
Könnte unecht wirken, für Einführungsbücher aber denke ich ok (in der Onlineversion unseren Readers für Intro to Medieval Studies ist vor jedem Kapitel ein kleiner themenbezogeneer Comic)

- Editoriale Kommentare: Pause, Motivationssätze
fände ich störend

- Merksätze nach Abschnitten oder am Ende eines Kapitels
ja - vll mit Platz für eigene.

- Welches war oder ist euer Lieblinslehrbuch?
☞ das am wenigsten suboptimale war Fromkin/Rodman; aber "Lieblings-" würde ich das nicht nennen wollen

- Was wünscht ihr euch in einem Lehrbuch, oder hättet euch gewünscht?
Glossar mit Verweisen auf alternativbe Termini


- Format: - Im Verhältnis zu Seitenlayout (genügend Platz für Textfeld, Notizen, Fussnoten etc.)
☞ Marginalien passen auf die meisten Ränder. Für mehr sollte man sich auf anderes Papier verlagern, z.B. Notizblock

- Nicht zu gross, dick -> muss in Tasche passen
☞ Tasche wie in Hosentasche? Jackentasche? Schultasche? Reisetasche?

- Bindung: - Buch muss flach auf Tisch liegen (Anwendungsort: Bibliothek, Tisch, Pult)
- Genug grosses Buch, darf nicht zuklappen
- Papier: - Nicht zu dick -> gut blättern können. Dickes Papier = Dickes Buch
☞ Das kann sich negativ auf die Materialkosten auswirken

- Nicht beschichtet -> saugfähig für Leuchtstift
☞ nicht so wichtig, vor allem, weil die Menschheit vielleicht irgendwann doch mal auf lösingsmittelfreie/umweltverträglichere Textmarker umsteigt

- Layout: - genügend Platz für Notizen, Fussnoten, Anmerkungen
☞ steht oben schon

- Verhältnis Textfeld/Schrftgrösse: Schrift nicht zu klein. Angenehme Zeilenlänge
- Schriftwahl: Serifenschrift, da Student gewohnt
☞ Serifen haben weniger was mit "Student gewohnt" zu tun als mit (bjektiv) besserer Lesbarkeit
☞ EIn Buch, das oft fotokopiert/gescant wird, sollte auch so beschaffen sein, dass eine 2-auf-1-Kopie noch lesbar ist ohne Lupe

- Navigation: klar und präzis. Hierarchie logisch. Symbole für wichtiges.
☞ dazu sinnvolle Kopfzeilen, (gedruckte) Daumenregister

- Einschübe: - Allgemein: Überraschungen und Pausen
- Illustraionen gross -> Doppelseiten, ganze Seiten
- Ausklappseiten für Querverweise oder Zusatzinformationen
☞ derlei macht ein Buch in der Produktion extrem teuer, damit auch im Ladenpreis. Besser derlei auf eine CD/DVD beifügen, wenn es sein muss

- Richtungsänderungen (Illustrationen, Texte, Einschübe etc.)
☞ moah nee

- Mehrere leere Seiten -> Notizen oder Pause fürs Auge
☞ Quark. Wenn die Augen ne Pause brauchen, guckt man mal 10 Minuten ausm Fenster und nicht auf unbedrucktes Papier

- Farbige Seiten zw. Kapiteln -> klare visuelle Trennung
☞ einzelne farbseiten stehen aus einem Buchblock nicht gut hervor. besser register

- Zusammenfassung vor Kapitel: Student ist "vorgewarnt"
☞ Zusammenfassung der Lernziele ("was man jetzt wissen sollte") am Ende

- Witze als Unterbrechung (wie H. Pelz)
☞ so lange es nicht zur Zwangsneurose wird und alle 3 Seiten ein Caroon steht!

- Editoriale Kommentare: Pause, Motivationssätze
☞ moah nee

- Merksätze nach Abschnitten oder am Ende eines Kapitels
☞ Äh? Sowas wie gereimte Eselsbrücken oder was?




So, und wo ist da jetzt der spezifische Bezug zur Linguistik?
All das sind Dinge, die ich von jedem lehrbuch erwarten würde, egal welchen Fachs.

Vielen Dank für die schnellen Antworten. Eure Ansichten und Kritik helfen mir schon extrem weiter!

Ja warum die Linguistik? Für meinen Prototypen brauchte ich einen Ausgangspunkt, sprich Text, da ich nicht alles im Lorem ipsum schreiben kann. Plus mein Dozent hat seinen ersten Doktor in Linuistik, sprich er versteht die Thematik und die Lehrbücher sind ihm nicht fremd (und de Saussures Zeichenmodelle sind einfach grandios!). Aber du hast recht, janwo, diese Überlegungen kann man natürlich auf alle Lehrbücher anwenden.

Warscheinlich scheinen euch meine Vorschläge alle etwas überflüssig, aber genau Elemente wie farbige Seiten oder andere Einschübe sorgen in der Buchgestaltung für Rhythmus und Flüssigkeit. Lehrbücher müssen nicht trocken und langweilig gestaltet werden, nur weil sie akademische Texte enthalten. Ihnen sollte die gleiche gestalterische Aufmerksamkeit geschenkt werden, wie Retrospektiven, Architekturbüchern oder Sachbüchern. Solange der Inhalt klar strukturiert ist natürlich. Das Lehrbuch soll ja nicht an Respekt verlieren.

Zum Thema Inhalt ist wichtiger als Gestaltung: im Endeffekt stimmt das wohl schon, aber als ich das Studienbuch von RGL (RGL Studienbuch Linguistik) öffnete war ich schon auf der ersten Seite nicht mehr animiert weiterzulesen, da der ganze Text in ca. Schriftgrösse 8pt gesetzt war. Das ist ja dann auch nicht wirklich förderlich für die Motivation der Studenten. (Viele Entscheidungen welche die Gestalter treffen, werden vom Betrachter ja nur unterbewusst wahrgenommen, und wirkt dann eben nur unterbewusst störend, wie Schriftwahl, -grösse, Satzspiegel etc.)

Aber ich komme von einer grafischen Warte und vergesse manchmal, dass Gestaltung von anderen nicht gleich wahrgenommen wird, oder als unwichtig angesehen wird. Danke also für eure Inputs, so finde ich sicher einen guten Kompromiss zwischen Form und Funktion!

janwo schrieb:Glossar mit Verweisen auf alternativen Termini

Das stimmt, das wäre eine gute Sache. Ich denke mal, das kommt in allen Disziplinen vor, dass man nach Jahren merkt, dass XYZ und XYY ja dasselbe sind.