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janwo > 04.01.2012, 22:22:16
(04.01.2012, 21:40:01)Mindaugas schrieb: Etymologie funktioniert nicht, indem man Wörter mit einander in Beziehung setzt, die sich irgendwie ähnlich anhören. Stattdessen ist es wichtig, systematische Beziehungen herzustellen, wobei vor allem regelmäßige lautliche Entwicklungen eine Rolle spielen.
Alarich > 05.01.2012, 11:45:44
Zitat:[1, 2] mittelhochdeutsch hopfe, althochdeutsch hopfo, vielleicht zu hüpfen, weil von Ast zu Ast hüpfend.http://de.wiktionary.org/wiki/Hopfen
Mindaugas > 05.01.2012, 13:32:42
(05.01.2012, 11:45:44)Alarich schrieb: Zur "Nacht" erkläre ich mir begegnenden Menschen, dass bekanntlich nur unbedeckte Nacht, Nachthimmel, Nackthimmel, die Sicht zu den vielen Sternen frei gibt. Daher ursprünglich das Wort "nackt", gleichbedeutend mit "Nacht"?
Alarich > 05.01.2012, 14:02:48
(05.01.2012, 13:32:42)Mindaugas schrieb: Soweit mit bekannt, ist eine Verbindung der beiden Wurzeln *negw- (1) "dunkel werden, dämmern" (verbal nur hethitisch nekuzzi) und *negw- (2) "nackt" (in lit. núogas, slav. nagъ, mit Erweiterung in altirisch nocht, lat. nūdus) noch nicht vorgeschlagen worden.Aus welchen Gründen "ist eine Verbindung der beiden Wurzeln *negw- (1) "dunkel werden, dämmern" (verbal nur hethitisch nekuzzi) und *negw- (2) "nackt" (in lit. núogas, slav. nagъ, mit Erweiterung in altirisch nocht, lat. nūdus), soweit bekannt noch nicht vorgeschlagen worden"?
Zitat:Herkunft:http://de.wiktionary.org/wiki/nackt
Nackt hat sich um 800 aus dem althochdeutschen nackot[1] oder nachot[2] über das mittelhochdeutsche nacket (unbekleidet, bloß, ledig) entwickelt.[3] Verwandte Formen sind zudem das gotische naqaþs, das englische naked → en und das altisländische nøkkviđr → is, die gemeinsam mit noch anderen Wörtern aus indogermanischen Sprachen auf das indogermanische *nogṷ- (nackt) zurückgehen.[4]
Zitat:Herkunft:http://de.wiktionary.org/wiki/Nacht
althochdeutsch, mittelhochdeutsch: naht
Sowohl in germanischen als auch außergermanischen Sprachen finden sich zahlreiche vergleichbare Wörter: gotisch: nahts, altnordisch nátt/ nótt, altenglisch niht, næht, englisch night; lateinisch nox, griechisch νύξ (nýx), altirisch nocht, italienisch notte. Der indogermanische Stamm dürfte *nokt- oder *nekw- lauten und "dämmern, Abend werden" bedeuten.
Mindaugas > 05.01.2012, 14:19:53
Alarich > 05.01.2012, 15:00:52
(05.01.2012, 14:19:53)Mindaugas schrieb: Der Grund, warum eine Beziehung unsicher ist, ist der, dass "Nacht" nur als -t-Stamm erhalten ist, wo der wurzelschließende Konsonant zwangsläufig assimiliert wird. Deswegen ist das Rekonstrukt für "Nacht" *nekw-t-.Wenn "die Etyma Nacht und nackt identisch wären", ergäbe das Wort "nackt" aus meiner Sicht überhaupt erst Sinn. Gegenwärtige Deutungen des Wortes "nackt" ergeben aus meiner Sicht, zumindest an sommerlich warmen Nächten und Tagen, natürlich eher keinen Sinn.
Die Frage ist, ob die hethitische Schreibung nekuzzi phonologisch als /neku-tsi/ oder als /negu-tsi/ interpretiert werden muss. In letzterem Falle - die viele Forscher für wahrscheinlicher halten - ist der Stamm *negw-.
Wäre das so, dann wären die Etyma "Nacht" und "nackt" identisch. Dann stellt sich in einem zweiten Schritt die Frage, ob es lediglich Homophone sind (also verschiedene Wörter mit zufällig gleicher Lautung) oder ursprünglich ein Konzept darstellen. In diesem Fall muss man die Grundbedeutung erschließen und plausible semantische Entwicklungen aufzeigen.
(05.01.2012, 14:19:53)Mindaugas schrieb: Das kann man aber auch nicht "wild", weil mit bestimmten Derivationsmorphomen mehr oder weniger feste Bedeutungen verknüpft sind."Wild" ist ein interessantes Wort, das bei mir, als Gegenteil zu "normal" im Sinne "genormt" von "Normen", auch "natürlich" bedeutet, so wie "Natur" gleichfalls als "Wildnis" zu betrachten ist. Deshalb würde ich eher nicht "normal" sein wollen. Das bekunde ich auch gern gegenüber Menschen, die mir begegnen.
janwo > 05.01.2012, 20:28:35
(05.01.2012, 15:00:52)Alarich schrieb: "Wild" ist ein interessantes Wort, das bei mir, als Gegenteil zu "normal" im Sinne "genormt" von "Normen", auch "natürlich" bedeutet, so wie "Natur" gleichfalls als "Wildnis" zu betrachten ist. Deshalb würde ich eher nicht "normal" sein wollen. Das bekunde ich auch gern gegenüber Menschen, die mir begegnen.
Alarich > 06.01.2012, 14:06:59
(05.01.2012, 20:28:35)janwo schrieb: Nichts gegen WIldheit an sich. Wenn ich böse sein wollte, würde ich sagen: Es ist völlig normal, nicht normal sein zu wollen.Es ist gut und gern zu lachen über den Widerspruch: "Es ist völlig normal, nicht normal sein zu wollen." Ja, Smilies sind schön und der Beitrag ist, neben anderen Antworten, auch fachlich wichtig, interessant. Das offensichtlich viel zu wenig als Vatersprache erkannte Latein könnte irritieren.
Eine wissenschaftliche Betätigung sollte nichtsdestoweniger sine ira et studio vor sich gehen, und da kann Wildheit oftmals schädlich sein. Die eine oder andere Spielregel oder Norm hat ja durchaus ihre Daseinsberechtigung hier.
Alarich > 11.01.2012, 17:15:27
(05.01.2012, 14:19:53)Mindaugas schrieb: Der Grund, warum eine Beziehung unsicher ist, ist der, dass "Nacht" nur als -t-Stamm erhalten ist, wo der wurzelschließende Konsonant zwangsläufig assimiliert wird. Deswegen ist das Rekonstrukt für "Nacht" *nekw-t-.Die gesuchten Grundbedeutungen dürften vor allem wohl auch aus heutigem Lebensverständnis schwer zu ermitteln und etwa wie alt sein? Mir geht es natürlich nicht darum, Verbindungen herstellen zu wollen, die vielleicht nie existierten. Gibt es vergleichbare Beispiele, die guter verdeutlichen, warum "Nacht" und "nackt" b.a.w. auseinander liegend betrachtet werden (müssen) oder gibt es auch Wortbeispiele die vielleicht weiter auseinander liegen und trotzdem als zusammmengehörig gelten? Bekanntlich unterliegt das Wort "nackt" heutzutage und seit längerer Zeit gewissen Normen. Ist davon auszugehen, dass in vielleicht noch nicht all zu ferner Vergangenheit körperlich freier gelebt wurde, etwa mit einem Selbstverständnis, das sich gegenwärtig dem Vorstellungsvermögen vieler genormt lebender Menschen entzieht? Noch aus der Zeit der sogenannten Germanen gibt es Berichte, die auf vormals mehr gelebte körperliche Freiheiten hindeuten und aus heutiger Sicht betrachtet eher als Tabu gelten. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass das Wort "nackt" Bedeutungswandlungen bekam, die mit ursprünglichen Bedeutungen vieleicht nur noch wenig gemeinsam haben. Wäre insbesondere auch linguistisches Nachgehen solcher Vermutungen von Beginn an chancenlos, etwa gegenüber etabliert wordene Geltung und Tabus?
Die Frage ist, ob die hethitische Schreibung nekuzzi phonologisch als /neku-tsi/ oder als /negu-tsi/ interpretiert werden muss. In letzterem Falle - die viele Forscher für wahrscheinlicher halten - ist der Stamm *negw-.
Wäre das so, dann wären die Etyma "Nacht" und "nackt" identisch. Dann stellt sich in einem zweiten Schritt die Frage, ob es lediglich Homophone sind (also verschiedene Wörter mit zufällig gleicher Lautung) oder ursprünglich ein Konzept darstellen. In diesem Fall muss man die Grundbedeutung erschließen und plausible semantische Entwicklungen aufzeigen. Das kann man aber auch nicht "wild", weil mit bestimmten Derivationsmorphomen mehr oder weniger feste Bedeutungen verknüpft sind.
janwo > 11.01.2012, 22:02:25
Mindaugas > 12.01.2012, 11:28:59
Alarich > 13.01.2012, 09:09:33
janwo > 13.01.2012, 11:09:37
(13.01.2012, 09:09:33)Alarich schrieb: bereits vorsichtig deutlich zu erkennen gegeben.So ein hübsches Oxymoron am frühen Morgen! :)
(13.01.2012, 09:09:33)Alarich schrieb: "Hochzeitseid" deutet wohl gen Himmel? "Eid" erinnert mich schon wieder ein wenig an "dobroje utro". "Utro" scheint mir ein wenig verdächtig dem deutschen "Euter" nahe zu sein; Mir sind die zumindest auf dem ersten Blick doch wohl erhebliche Diskrepanz und Lächerlichkeit des Vergleichs der beiden Worte durchaus bewußt. Eine weitere Frage. Was wäre fachlich zu meiner folgenden Umkehrableitung zu sagen? "Euter" - Hindi "than" (Brust "stan") - Tanne - westslavisch "Bor" - geboren.Die Lächerlichkeit und Diskrepanz werden bei den Blicken zwei bis vier nur größer.
(13.01.2012, 09:09:33)Alarich schrieb: Gestern ist mir etwas auf jeden Fall Merkwürdiges aufgefallen, wahrscheinlich absoluter Quatsch, ehrlich: NAME - NAMENAMESo ein "Wort im Wort" kennt und liebt jeder Scrabblespieler. Hat aber mit Etymologie nix zu tun. Ganz bestimmt nicht.
Mindaugas > 13.01.2012, 21:04:10
(13.01.2012, 09:09:33)Alarich schrieb: "Utro" scheint mir ein wenig verdächtig dem deutschen "Euter" nahe zu sein; Mir sind die zumindest auf dem ersten Blick doch wohl erhebliche Diskrepanz und Lächerlichkeit des Vergleichs der beiden Worte durchaus bewußt.
Alarich > 14.01.2012, 13:26:28
(13.01.2012, 21:04:10)Mindaugas schrieb: Denkt man an die Kühe des Morgens und die Milch des Taus in der indischen Mythologie, wirkt es nicht ganz so lächerlich, trotzdem gehört es nicht zusammen.Sehr beeindruckend. Dabei die jeweiligen Kulturen zu jeweiligen Zeiten mit im Blick haben, das finde ich nicht nur gut, sondern erscheint mir auch als unverzichtbarer Bestandteil bei der Ergründung vormaliger Bedeutungen einzelner Worte. Bei den aufgeführten Beispielen mit "d" und "t" fällt mir immer wieder das Wort "Mutter" ein, regional individuell sowohl als "Mutter" oder auch "Mudder" ausgesprochen. Meine zuvor gewagte Ableitung des Wortes "geboren" kann linguistisch nicht zutreffen? Noch etwas beschäftigt mich: Mit Blick auf "Dôme du Goûter" erscheint mir das Wort "Goûter" überhaupt nicht schlüssig ergründet worden zu sein. Wie ist das zu erklären?
(Dazu kann ich aber nicht viel sagen, bei Interesse sei hier Watkins "The Milk of the Dawn Cows Revisited" in Yoshida (ed.): East and West, Bremen 2009, empfohlen.)
Slavisch (j)utro „Morgen“ ist direkt verwandt mit lit. aušrà, lett. àustra „(Morgen-)Dämmerung“ aus idg. *h2ews-rom.
Zur selben Wortsippe gehören noch griech. αύριον / aúrion „morgen“, lat. auster „Südwind“, anord. austr „Osten“, ferner aind. uṣas-, av. ušah-, griech. ἕως / héōs, lat. aurōra „Morgendämmerung“ aus idg. Nom. *h2ews-ōs, Gen. *h2us-s-es.
Verbales *h2wes- „hell werden“ in liegt vor in ai. VAS- (ucchati), lit. aũšti.
"Euter" geht über ahd. ūter auf eine Form mit -dh- zurück, das zeigen auch die Formen aind. ūdhar- "Euter" und griech. οὖθαρ / oûthar "dss." (das als *HewHdh- zu rekonstruieren ist, vielleicht mit *h3, wenn sich für das Griechische o-Vokalismus ausschließen ließe.)