selbst - eine Partikel?

1)        Ich möchte dem Rechnung tragen, dass

Zu schwimmen gefällt John
dasselbe bedeutet wie
Selbst zu schwimmen, gefällt John

2)     „selbst“ ist nicht in allen Kontexten synonym zu „allein“ oder „eigenständig“.  Man kann mit anderen zusammen selbst stricken.

3)     Ist das Komplement zu gefällt hier wirklich eine CP?  Bei Haegeman macht erst for (C) aus der IP (Poirot to abandon the investigation) eine CP    (S. 117).
 
„zu“ ist Head I der IP Bücher zu lesen.  Diese IP ergibt mit V‘ gefällt die VP  gefällt, Bücher zu lesen.
PRO wäre nun als SPEC zu V‘ "Bücher lesen" anzusiedeln. Vielleicht könnte selbst dahin passen.


Tschuldigung, ich weiß nicht, wie man hier Bäume macht. Duck ...


[VP [IP [ I‘ [I zu ] [VP [PRO] [V‘ Bücher lesen]]]] ] [V‘ gefällt] ]

Noch zu dem Englisch-Kram:


 Laut https://languagetool.org/de

sind
 
Himself flying is a pleasure for John
 
John prefers himself flying
 
John prefers  for himself flying
 
OK.
Das würde vielleicht dafür sprechen, dass himself flying allein keine CP ist.


Aber Clausal Gerunds sind ein ganz und gar ungeklärtes Thema, wenn ich es richtig sehe. Alles - NP, S und irgendwas dazwischen - wird erwogen.

Reuland 1983:

I will claim that NP-ing constructions are tenseless finite clauses.

Zitat:1)        Ich möchte dem Rechnung tragen, dass
Zu schwimmen gefällt John
dasselbe bedeutet wie
Selbst zu schwimmen, gefällt John

Also für mich sind sie nicht ganz bedeutungsgleich, aber ähnlich. Allerdings sieht man hier, dass "selbst" kein obligatorisches Element für die Bedeutung ist oder der Satz ungrammatisch würde. Das spricht eher für den Status eines Attributs/Adjunkt (Betonung der selbstständigen Durchführung), nicht eines Antezedens. 

Wenn ich statt "selbst" auch "allein" sage, dann will ich nur sagen, dass ich es nicht als "sogar" meine, sondern immer "alleine, für sich". Das betrifft den Vorgang selbst, nicht die soziale Gruppendynamik, in die der eigenständige Vorgang eingebettet ist.

Zitat:3)     Ist das Komplement zu gefällt hier wirklich eine CP?  Bei Haegeman macht erst for (C) aus der IP (Poirot to abandon the investigation) eine CP    (S. 117).

Ja, das Komplement zu "gefallen" kann ein Pronomen, eine DP oder ein ganzer Satz sein, wie in "Ich denke, dass es schneit. > Was denke ich? > dass es schneit" Der Name Komplementphrase (CP), also Komplementierer, kommt ursprünglich sogar daher, dass ein C (Komplementierer) eine Phrase einleitet, die dann das Komplement des Verbs ist.

Kannst du das einmal zeigen von Haegeman? Ich weiß nicht genau, was du damit meinst.

Zitat:„zu“ ist Head I der IP Bücher zu lesen.  Diese IP ergibt mit V‘ gefällt die VP  gefällt, Bücher zu lesen.
PRO wäre nun als SPEC zu V‘ "Bücher lesen" anzusiedeln. Vielleicht könnte selbst dahin passen.

Tschuldigung, ich weiß nicht, wie man hier Bäume macht. Duck ...

[VP [IP [ I‘ [VP [PRO] [V‘ Bücher lesen]]]] ] [V‘ gefällt] ]

[i]Wenn du hier im Editor bist, gibt es links unter den Sonderzeichen einen Link zum Online-Generator. Klammernschreibung ist aber immer ein Graus. Oder du kannst das hier benutzen: jsSyntax Tree.[/i]

Also, ich würde sagen, dass dieser Gedanke nicht geht. Eine InflectionPhrase dient dazu, [+Tense] und [+Agreement] zu vermitteln. Da aber hier der Infinitiv benutzt wird, kann formeshalber schon gar keine IP angesetzt werden, das ist blockiert bei Infinitiven, weil sie nicht mit einem Subjekt kongruieren (können). Dass PRO aber in die Spec,VP-Position von "Bücher lesen" kommt, ist richtig; das ist das verstandene Subjekt der Verbphrase. 

ABER: Ich habe aber auch gesehen, wo man in eine IP eine VP mit einem infiniten Verb reintut und die Parameter der Phrase als [-Tense, -Agreement] setzt. (Insofern haben andere Geschulte sowieso immer mehr Recht als ich. Vielleicht mach ich es mir faulerweise nur zu einfach ohne IP bei infitien Verben.) Für Fälle, wo nicht-finite Partizipien das Merkmal [+Tense] haben (gemacht, machend), kann man so etwas vielleicht gut nutzen, und darauf aufbauend dann sowieso allgemein und immer (soll ja generativ sein) und somit in unserem Falle eine IP mit beiden Parametern auf Minus. Aber das ändert nichts daran, dass "zu" nicht der Kopf der IP wäre, meiner Syntaxanfängermeinung nach. 
(Vielleicht gibt es aber doch die fancy These, dass ähnlich wie Hilfsverben, die nicht in der Verbalphrase basisgeneriert werden sondern direkt in der I' auftauchen, das "zu" ein Auxiliar ist für ein Verb, das [-Tense, -Agreement] aufweist. Aber so weit bin ich nicht in Syntax, bzw. habe es noch nie so gesehen. Für mich ist "zu" hier eindeutig der Kopf einer CP und so habe ich es auch immer in den Analysen für solche Sätze gesehen, bzw. wurden CPs extra dafür definiert.)

Ich würde anders als in meinem früheren Bild die AdvP "selbst" innerhalb der VP generieren, mit V' als Zwischenprojektion. (Siehe Anhang)

Anbei ist auch noch ein Strukturbaum auf Französisch, wo bei einem Infinitiv auch eine IP-Phrase benutzt wird. ("Der Schüler hat versprochen, das Buch zu lesen.") Hier wird "de" auch als C-Kopf in der CP analysiert, glücklicherweise die GS-passende Satzreihenfolge ausnutzend freilich. (Der Baum ist so in "Grundlagen der generativen Syntax" von Christoph Gabriel, Natascha Müller, S. 39.) 
In so einem Beispiel würde ein abstraktes Verb in der VP (hier "lesen") wahrscheinlich erst die konkrete Form "Infinitiv" in der Position nach der Bewegung zu I' bekommen, wenn I' eben mit den Parametern [-Tense, -Agreement] definiert wird. 

Zitat:Das würde vielleicht dafür sprechen, dass himself flying allein keine CP ist.

(Wollte nur lieber nochmal fragen, ob sie grammatikalisch sind, mein englisches Bauchgefühl war an seine Grenzen gekommen. :D)

Also "flying" ist eine CP würde ich sagen, sie hat nur keinen phonetisch overten C-Head, bei "He likes to fly" ist "to" der overte C-Head. (Bzw. nach zweiterer Lesart oben à la Französisch, wäre "flying" in eine VP, dann IP und dann in einer CP. (Weil das nicht galant ist, so viele Phrasen anzusetzen, finde ich es merkwürdig, aber in dem zitierten Werk gehen sie nun mal so vor, und sie werden es besser wissen als ich.)

Zitat:Himself flying is a pleasure for John
 
John prefers himself flying
 
John prefers  for himself flying
....
I will claim that NP-ing constructions are tenseless finite clauses.

Sollte sich das Zitat auf solche Beispiele beziehen? Also bei NPs wäre es keine Tempus-Markierung, bei Verben aber schon, aber sie sind keine finiten Verben (wenn man damit Personenkongruenz meint), weil sie nicht Numerus und Person anzeigen.

Das Gleiche gilt für die Beispiele. Die Lesarten sind unterschiedlich. Ich würde sie entweder lesen: "According to him, flying is a pleasure to John." Dann wäre es eine Ellipse. Was Ähnliches gibt es im Deutschen: "Ihm ist Fliegen eine Freude.", wenn man das als Adjunkt mit opaquen Kasus ansieht. Aber bei "John prefers himself flying." würde ich es so lesen, dass "himself" zum Hauptsatz "John prefers himself..." gehört, somit ist es ebenfalls nur ein Adjunkt und keine Füllung einer PRO-Position im weiteren Teilsatz.
(Also, gerade die PRO Kategorie bedeutet ja, dass sie nicht gefüllt werden kann, sonst wäre sie "pro".)

Eine InflectionPhrase dient dazu, [+Tense] und [+Agreement] zu vermitteln. Da aber hier der Infinitiv benutzt wird, kann formeshalber schon gar keine IP angesetzt werden, das ist blockiert bei Infinitiven, weil sie nicht mit einem Subjekt kongruieren (können)

Bei Haegeman zum einen und bei Koopman, Sportiche (dort aber TP!)  zum anderen hat die IP einen Head, der semantisch für +TENSE oder -Tense steht.  Daher ist to der Head der IP bei Infinitivgruppen.  Den Chomsky habe ich jetzt nicht hier, aber ich dachte, das gehört zum Grundgedanken der IP.    


V. Certain closed-class items may be "residents" of INFL:
(a) in finite clauses: modal auxiliaries, auxiliary have and be, periphrastic do (as well as inflectional morphemes (e.g. past tense -ed) although they are on the verb)
(b) in non-finite clauses: the infinitive marker to
http://www.ello.uos.de/field.php/Syntax/INFL



Ich mache die Kiste erst mal aus ... bis ....

Zitat:Bei Haegeman zum einen und bei Koopman, Sportiche (dort aber TP!)  zum anderen hat die IP einen Head, der semantisch für +TENSE oder -Tense steht.  Daher ist to der Head der IP bei Infinitivgruppen. 

Hmm, interessant, ist mir völlig neu. Aber das hat freilich nichts zu sagen und ich bin ja nicht tief in der Materie. Es scheint nur merkwürdig, dass der Kopf einer IP kein Verb ist, sondern ein Komplementierer oder Präposition oder wie man es in diesem Fall nennen mag. Englisch mag da vielleicht aber auch anders als Deutsch aufgestellt sein. "to" ist ein notwendiges Teil von Verben im Infinitiv und angesichts dem starken Analytismus im Englischen kann es vielleicht mittlerweile Analysen geben, die gegen das sprechen, was man in Einführungen zur Syntax im Deutschen kennt. Wenn man in Infinitivgruppen "to" als Auslagerung von bestimmten Parametern ansieht, würde es also auch Head einer IP werden. Interessant. (Sehe jetzt erst, dass du das auch verlinkt hast... Aber die Idee finde ich ganz interessant.)


ABER: Englisch und Deutsch und in dem anderen Fall Französisch unterscheiden sich da leider zu stark. Das "zu" im Deutschen ist da kein obligatorischer Bestandteil des Verbes und würde auch diese Position in einer IP nicht ausfüllen. Und mir ist zumindest keine Analyse bekannt, die dem Englischen gleichen würde.

Wie meinst Du das, dass "zu" kein obligatorischer Bestandteil des Verbs ist? Es ist doch obligatorisch für die Bildung des 2. Status.

Hach, so viel zu lernen ich hab. Was genau ist der 2. Status? Bzw. ist "zu" ja aber kein obligatorischer Bestandteil eines "grundlegenden" Infinitivs, während es im Englischen entweder mit "to..." oder als "...ing" Form vorkommt, oder?

Ich habe auch noch diesen Artikel gefunden, das sind auch Begriffe, die ich nicht kannte: Kohärente Konstruktion.

Nach Gunnar Bech (1957) werden infinite Verbformen nach ihrem Status unterschieden:

reiner Infinitiv - lieben - 1. Status
zu-Infinitiv - zu lieben - 2. Status
Partizip II - geliebt - 3. Status

Demnach ist für die Bildung des 2. Status die Infinitivpartikel zu obligatorisch, da andernfalls der 1. Status realisiert würde. Und das bedeutet, sie dient allein der Flexion des Verbs. Dass man die beiden Formen nicht miteinander verwechseln darf, zeigen die Daten zur Statusreaktion.

• Der 1. Status wird bspw. von Modalverben regiert: Er muss sie einfach lieben.
  
• Der 2. Status wird bspw. von Vollverben regiert: Sie wünscht ihn zu lieben.
  
• Der 3. Status wird bspw. von Auxiliarverben regiert: Er hat sie geliebt.
  

Deswegen meine Nachfrage und meine neue Frage, warum zu nicht als Flexionsmarker und damit nicht als Kopf der IP infrage kommt?

Viele Grüße
PeterSilie

Danke für die Aufklärung und sehr interessanter Punkt und gut analog zum Englischen.

Ich kann mir aber auch gut vorstellen, dass es hier Auslegungssache oder Syntaxschreibvorlieben sind, die zu den unterschiedlichen Analysen gelangen können. Einerseits kann ich dem folgen, was du sagst und es klingt schlüssig. Andererseits bin ich stur und versuche völlig voreingenommen gegenzuwettern. (EDIT: Ich denke nur laut und erfolglos, falls man es unten merkt, mein Gehirn ist Brei.)

In dem Artikel oben wird ja auch auf die Unterschiede von reinen Infinitiven und zu-Infinitiven eingegangen, wobei letztere satzwertig sind. Weil Sätze mit Modalverben (meine ich) nur eine IP-Schale haben, worin das Vollverb bloß in einer VP liegt, kann das Vollverb kein "weiteres" PRO haben (je nach Analyse ob Verbphraseninternes Subjekt oder nicht). Sätze mit einem "zu-Infinitiv" haben aber eine weitere VP, mit einer weiteren freien Stelle für ein PRO und dieses PRO muss nichtmal das Subjekt sein. In "Sie¹ hat mich² überzeugt, PRO² die Küche aufzuräumen." Das klingt nicht wirklich nach einem Argument, aber es wäre effizienter beide Verben als reinen Infinitiv gleich zu behandeln und die Unterschiedlichkeit rein auf das "zu" zurückzuführen, vor allem weil dieses "zu" der einzige Oberflächeunterschied zwischen Satzwertigkeit ist. Ein Modalverb kann nicht bivalent sein. Ein Vollverb aber schon, und wenn das Objekt ein ganzer Satz sein soll (in Form eines satzwertigen zu-Infinitivs), dann bietet es sich an, den Teilsatz als "normal" analysierten Satz (als Infinitivsatz) zu sehen, der durch ein Komplementierer zur CP wird, um dann überhaupt als Komplement zu einem Verb stehen zu können. 
Desto mehr ich schreibe, desto mehr merke ich aber, dass es wenig Grund gibt, konkret gegen die Lesart "zu" als IP-Kopf anzugehen. Man müsste dann noch erklären, inwiefern sich "zu" als Verbflexionsmerkmal grundlegend von anderen CP-Köpfen unterscheidet wie "dass, um zu etc." um eher aus der Kategorie zu fallen. 

Genauso gut kann ja die Satzwertigkeit auch erst durch das "zu" als Flexionsform des Verbes entstehen, anstatt dass die Kausalität anders angegeben wird, was auch ein Punkt für euch wäre.

Kann man oder tut man sagen, dass bei Modal- und Perfektstrukturen die Modal- und Hilfsverben die Form des Vollverbes auslösen? Oder ist es andersrum, dass zu erst "geliebt" da war und dann, um flektiert werden zu können, ein Auxiliar braucht? Denn bei der Vollverb+Vollverb-Struktur löst ja ersteres den zu-Infinitiv aus, das wäre ja auch als syntaktisches Agreement (oder so) auslegbar.

Man könnte daaaaaaann vielleicht einen zu-Infinitiv als CP analysieren, deren Kopf phonetisch leer ist, weil "zu" der Kopf der IP ist. Wohingegen bei einer "um-zu" Konstruktion der CP-Kopf "um" wäre. Trotzdem eine CP anzusetzen, liegt nicht allzufern, weil in den Buch über romanische Syntax (s. o.) gibt es auch Lesarten, wo (fast) alle Sätze zugrundeliegend CPs sind. In die Spec-Position können dann Elemente für das Vorfeld rein oder Satzinversionen etc.

Ein weiterer Punkt für euch wäre die enge Form, die das "zu" mittlerweile angenommen hat wie in "auszusitzen, einzuhalten" etc. Zwar sind das trennbare Verben, dennoch ist die Struktur schwerer durch bloße Syntakterei zu erfassen als wirklich auf morphosyntaktischer Wortbasis. Würdet ihr das "zu" dann sogar als Klitikum oder Affix sehen? Gibt es da historische Dokumente, wo das "zu" noch getrennter auftrat?

Ich finde es bemerkenswert, dass ALD und ein Wörterbuch von Langenscheidt "for" als Complementizer offenbar nicht kennen. Weil "for" als Complementizer theoretisch ein hoher Stellenwert zukommt, erfährt man davon dann in Einführungen in G&B. )