Transkription von /r/

Ähm. Hallo.

Mir ist aufgefallen, dass bei verschiedenen Wörterbüchern, Websiten, IPA-Übersichten etc. die gleiche IPA-Transkription für verschiedene internationale Allophone von /r/ verwendet werden. Und zwar [r].

Zum Beispiel bei diesem Bild (zufällig im Internet gefunden):
hier

Es wurde [r] statt [ɹ] verwendet.

In einem Wahrig-Wörterbuch habe ich ebenfalls die Transkription [r] für /r/ gefunden.
In einem Pons-Wörterbuch (Fr.-Dt. / Dt.-Fr.) stand [r] für das deutsche /r/ und [ʀ] für das französische /r/.

Ich bin mir nicht sicher, ob solche Ungenauigkeiten auch noch bei anderen Lauten auftreten; beim /r/ ist es mir besonders aufgefallen.

Ist dieses uneinheitliche Transkribieren normal?
Inwieweit ist das IPA Norm?

Liebe Grüße
Yaouoay

Hallo,
ich glaube, dass gerade das /r/ der "Laut" ist, bei dem es sich die meisten Transkribierer einfach machen. In vielen Fällen wird einfach das orthographische /r/ genommen, das allerdings der alveolare stimmhafte Vibrant ist wie im spanischen "perro" - Hund [ˈpero]. Das wird auch oft für das Englische und das Deutsche gemacht, obwohl es selten phonetisch akkurat ist, für das Hochdeutsche wird meistens [ʀ] oder [ʁ] genutzt. In manchen Dialekten gibt es freilich auch ein gerolltes "r" [r]. Und im Englischen ist im Silbenauftakt meistens [ɹ] die richtige Wahl, im Silbenauslaut fällt es entweder aus oder verlängert den Vokal (wie in nicht-rhotischen Dialekten), ist ebenfalls ein [ɹ] oder verfärbt den Vokal oft vor sich, zum Beispiel [ɚ], was durch das Häkchen gekennzeichnet wird.
Die Reduzierung der verschiedenen phonologischen /r/s hat wahrscheinlich unter anderem historische Gründe und dass viele Grammatiker die /r/s als Laute mit Ähnlichkeit einstufen (obwohl sie mitunter auch sehr verschieden sind) und sie selten bedeutungsunterscheidend sind (in den großen Sprachen), außer vielleicht im Spanischen perro vs. pero.

Es gibt auch je nach Sprache verschiedene traditionelle Verwendungen der IPA-Zeichen. Mir fällt jetzt nur das Beispiel vom zweiten Bestandteil von /au/ ein, wo man auf Deutsch ein [ʊ̯] nimmt, auf Englisch aber lieber ein [w]. Für deutsches /a/ nimmt man bevorzugt ein [a], obwohl der Laut zwischen [a] und [ɑ] liegt.

@Kevin

Ich habe lange überlegt, was ich auf deine Antwort schreiben sollte.
Das mir Neue war:

Zitat:ich glaube, dass gerade das /r/ der "Laut" ist, bei dem es sich die meisten Transkribierer einfach machen. In vielen Fällen wird einfach das orthographische /r/ genommen

Also heißt das, dass es durchaus üblich und keineswegs unprofessionell ist?

Zitat:Die Reduzierung der verschiedenen phonologischen /r/s hat wahrscheinlich unter anderem historische Gründe und dass viele Grammatiker die /r/s als Laute mit Ähnlichkeit einstufen (obwohl sie mitunter auch sehr verschieden sind) und sie selten bedeutungsunterscheidend sind (in den großen Sprachen), außer vielleicht im Spanischen perro vs. pero.

Das ist gut möglich.
Es ist eben verwirrend, wenn man z. B. eine Fremdsprache zu erlernen sucht und sich mit der Lautschrift etwas Falsches einprägt.
Oder ist das überhaupt falsch?

@Privileg

Zitat:Es gibt auch je nach Sprache verschiedene traditionelle Verwendungen der IPA-Zeichen.

Hm.
Ja, das ist mir auch schon aufgefallen; als ich mir englische Transkriptionen von deutschen Texten angeschaut habe.
Aber hat das auch etwas mit dem /r/ zu tun?
Im Falle der verschiedenen Transkriptionsangewohnheiten handelt es sich ja nur um kleine lautliche Unterschiede
(da vor allem die Vokale in Sprachen sehr unterschiedlich ausgesprochen werden).
Aber das IPA ist - wie man sogar dem Namen entnehmen kann - internationaler Gültigkeit.
Und da das /r/ in den Sprachen der Welt der wahrscheinlich variabelste Konsonant ist, ist es doch da besonders wichtig, präzise zu sein ...

LG~Y

Noch eine etwas anders geartete Frage zum /r/:
In welchem englischen Dialekt kommt der alveolare Tab [ɾ] als Allophon von /ɹ/ vor (natürlich nicht bei verschluckten <r>s)? 
Rob Inglis (Sprecher des Hörbuchs "The Lord of the Rings") artikuliert beispielsweise "very" als [vɛɾɪ], nicht als [vɛɹɪ]. 
Er ist laut Wikipedia Australier, allerdings sollte er als Sprecher ein recht ungefärbtes Englisch sprechen.
Außerdem wird in halbwissenschaftlichen Beschreibungen spezieller Laute zum Erklären des alveolaren Tabs oft "very" herangezogen.

LG~Y

Hmm, ich könnte es mir höchstens in manchen Gegenden Schottlands oder Irlands vorstellen, wo es manche Englische gibt, mit alveolarem /r/ und da ist vielleicht der Tab eine Varietät von. Viele Schotten und Iren sind auch nach Australien ausgewandert, vielleicht hat er es so beibehalten?

Aber es muss doch eine Erklärung dafür geben, dass das ɾ im Englischen so verbreitet zu sein scheint, dass selbst Werke über Sprachen solchartige Erklärungen für Laien aufführen:

            [r]        engl. very [ˈve-ri] (Zungenspitzen-r)

(aus "Das große Elbisch-Buch", um nur eines von vielen Beispielen zu nennen)

Vielleicht kommt dieses r ja tatsächlich nur in "very" vor, allerdings habe ich im Internet keinen Beleg dafür gefunden.
Ich verzweifle!

In diesem Video erzählt die Frau etwas darüber, dass "wir nicht die Aussprache haben wollen, wo wir die Zunge vorne tappen".
https://www.youtube.com/watch?v=-soL8Ng0iD8

Ansonsten bin ich auch überfragt.