*Eigentlich* sollte halbwegs brauchbaren Journalisten klar sein, dass es sich bei diesen Begrifflichkeiten um Metonymien bzw. Metaphern handelt. Dass dieses Metaphernfeld rund um den Tod einer Sprache problematisch ist, hatte ich
in einem anderen Beitrag schon einmal angedeutet:
(10.03.2012, 10:37:04)janwo schrieb: Das moderne Iwrit ist aber nicht gleichzusetzen mit dem antiken Hebräisch. Der schon in der aussterben-Metapher angelegte Vergleich, der sich hier aufdrängt, ist der mit rückgezüchteten Auerochsen oder Pferderassen. Bis zu einem gewissen Grade ist das genetische Material gleich, aber es fehlt der breite, diverse Genpool, der sich auch nicht wieder herstellen lässt. Mehr dazu siehe Anhang, ein Text, den ich 2005 verfasst habe:
Aus: Wohlgemuth / Dirksmeyer (Hrsgg.): Bedrohte Vielfalt. Aspekte des Sprach(en)tods / Aspects of language death. Berlin: Weissensee, 2005. S. 1-38.
Sprachen
sterben meiner Ansicht nach weniger als dass sie
aussterben, da ich Sprachen emetaphorisch eher als Spezies auffasse denn als Organismus. Insofern müsste man beim
Linguizid auch eher von
Ausrottung als von
Mord sprechen. Und wer meuchelt nun? Das sind in der Tat eher die Sprecher als die Sprachen, wobei auch für die Sprecher gilt, dass hier eine verallgemeinernde Übertragung (pars pro toto) stattgefunden hat. Nicht alle Teilhaber der Sprechergemeinschaft sind aktiv an der Tat beteiligt.
Rückt man vm Bild einer Sprache als Individuum, als Organismus, ab, dann wird vielleicht deutlicher, dass sie nicht Handelnder im engeren Sinne ist, so wie eine Spezies nicht als Gesamtheit handelt. Dennoch unterliegen sie komplexen bewussten und unbewussten Handlungs- und Wirkungszusammenhängen der Individuen miteinander, mit der Umwelt und dadurch indirekt mit der Spezies insgesamt. Srachen haben erst einmal keine inhärenten Eigenschaften, die es ihnen ermöglichsten, andere Sprachen in ihrem Bestand zu gefährden. So eine Existenzbedrohung hat ausnahmslos außersprachliche Gründe, die auf oder durch die Sprechergemeinschaft wirken.
Töten ist nun ein Begriff, bei dem umgangssprachlich nicht notwendigerweise zwischen bewusster und böswilliger (
Mord), unterbewusster aber aus absichtsvoller Handlung resultierender (
Totschlag) und unbeabsichtigter (
(fahrlässige) Tötung) Handlungsfolge unterschieden wird. Beim
Töten einer Sprache würde man gemeinhin wohl das absichtsvolle, böswillige
Ermorden verstehen, was ja durch Begriffe wie
Killersprache deutlich wird.
In der Fachliteratur taucht selten zudem noch der Begriff
Sprachselbstmord auf für den Fall, wenn eine Elterngeneration sich bewusst entscheidet, ihre Sprache nicht an die Folgegeneration weiterzugeben. In besonders schweren Fällen verweigert sich die Sprechergemeinschaft sogar der Sprachdokumentation, um eine Wiederbelebung effektiv zu verhindern. [
link]
Wenn wir bei den morbiden Metaphern beliben wollen, dann würde ich vorschlagen, dass letztlich bestimte Ideen zu Nützlichkeit, Prestige oder Lernbarkeit einer Sprache sich mitunter wie eine Pandemie ausbreiten können, wenn die Individuen nicht resistent gegen diese Pathogene sind. Schlimmstenfalls und unbekämpft führt so etwas dann zum Aussterben einer Sprache.