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lori7788 > 29.04.2014, 03:36:53
janwo > 29.04.2014, 22:11:45
lori7788 > 30.04.2014, 01:14:06
janwo > 30.04.2014, 09:50:53
Gernot Back > 30.04.2014, 11:58:33
(29.04.2014, 22:11:45)janwo schrieb: Im Deutschen ist {-eum} meiner Ansicht nach kein produktives Suffix.1 Wir wenden es bestenfalls in neuen Bildungen lateinischer Bezeichnungen an.
janwo > 30.04.2014, 12:15:12
thf > 01.05.2014, 14:31:53
(29.04.2014, 22:11:45)janwo schrieb: Im Deutschen ist {-eum} meiner Ansicht nach kein produktives Suffix.1 Wir wenden es bestenfalls in neuen Bildungen lateinischer Bezeichnungen an. Und, nein, es ist nicht *{-seum}, sondern {-eum}.
[...]
Mir fallen auf die Schnelle nur zwei Suffixe (Konfixe?) ein, die ähnliche Funktionen haben.
[...]
janwo > 01.05.2014, 20:23:28
(01.05.2014, 14:31:53)thf schrieb: Ich hab mir mal ad hoc ein Minikorpus aus Wikipedia-Artikelnamen gebastelt (s.u.), das nach allerlei Bereinigung 75 Items enthält (hab da recht radikal durchgefegt und aus dem Bauch heraus entschieden; einiges könnte fehlen, anderes ist wohl Unsinn, etwa lateinische Ortsnamen). Auf der Basis ist mein Eindruck, dass es ganz gob drei Kategorien gibt:
(01.05.2014, 14:31:53)thf schrieb: Blends aus Museum und einer Art "thematischem Bezeichner" (z.B. Newseum, Waloseum, Technoseum, oder mein Favorit Kohlosseum ). Da tritt dann teilweise auch '-seum' als Element auf, sowie ggf. eine '-o-' Fuge. Bei Formen wie "Gaseum" ist es schwierig, weil bereits ein /s/ enthalten ist.Bei Gaseum sind meiner Meinung nach die Verhältnisse klar. das /s/ gehört zum Stamm. Das wäre sehr ungewähnlich, wenn das Stamm-s zugunsten des Suffix-s wegfiele.
Weitere Quellen zum "blenden" könnten Lyzeum oder Orpheum sein. Verwendet wird das insbesondere für Museen oder Veranstaltungsorte im weitesten Sinne.
(01.05.2014, 14:31:53)thf schrieb: Formen, die meiner Ansicht nach in Richtung Neo-Classical-Compounding gehen und ein griechisches/lateinisches Element enthalten, wie Arithmeum, Pyloneum, und vielleicht Ozeaneum oder Odysseum.Diese Bildungen sind vermutlich der Ausgangspunkt für die Reanalyse und Grammatikalisierung von {-eum}.
(01.05.2014, 14:31:53)thf schrieb: Bildungen aus einem (bevorzugt lateinischen oder latinisierten) Eigennamen (Augusteum, Johanneum, Dorotheum, Mozarteum, Darwineum; die beiden letzten könnten auch unter Kategorie 1 fallen). Hier finden sich vor allem Priesterseminare, Gymnasien und ähnliches (evtl. wegen Lyzeum?). Hier scheint es mir noch am wahrscheinlichsten, dass da tatsächlich das lateinische Suffix in der erwähnten Bedeutung zum Zuge kommt.
(01.05.2014, 14:31:53)thf schrieb: Nach diesem Eindruck würde ich dir zaghaft widersprechen, und vermuten, dass das Suffix im Deutschen vielleicht doch halbwegs produktiv ist.
(01.05.2014, 14:31:53)thf schrieb: (Neben vielen überwiegend biologischen Termini, tauchte übrigens interessanterweise einiges Koreanisches auf, was mir vorher nicht so klar war.)Ja, 음 <eum> /ɯ̈m/ scheint u.a. ein gängiges Verbalsuffix zu sein. (link)
thf > 04.05.2014, 16:30:52
(01.05.2014, 20:23:28)janwo schrieb: Bei Gaseum sind meiner Meinung nach die Verhältnisse klar. das /s/ gehört zum Stamm. Das wäre sehr ungewähnlich, wenn das Stamm-s zugunsten des Suffix-s wegfiele.Das Wegfallen des Stamm-S fänd' ich auch etwas merkwürdig. Ich dachte eher an eine Lösung, bei der beide /s/ zu einem verschmelzen (Degemination?), sodass gewissermaßen beide erhalten bleiben -- und irgendwie auch nicht.
Diese Beispiele sprechen sehr dafür, dass {-eum} in der Tat produktiv gebraucht werden kann, aber wohl nur für einen bestimmten Teil des Namenwortschatzes.
(01.05.2014, 20:23:28)janwo schrieb: Hier würde ich sagen, dass zwei Dinge konkurrieren. Ein einfaches {-(ian)us, -a, -um} das bei adjektivisch gebrauchten Namen mit den neutralen Bezugsnomina Gymnasium, Collegium, Lyceum kongruiert und das denominale Suffix {-eus, -a, -um}, das aber im Lateinischen gänzlich andere Funktionen hatte, als nur für Ortsbezeichnungen zu stehen, vor allem für Stoff- und Farbabjektive (aurum - aureus). Bei Ortsbezeichnungen kommt es, so weit ich es finden konnte, nur in griechischstämmigen Lehnwörtern vor.Also würde das möglicherweise dafür sprechen, dass es sich diachron gesehen (teilweise) um verschiedene Bildungen handelt (bzw. Formen, die auf dieselbe Grundform zurück gehen, aber auf verschiedenen Sprachstufen/von verschiedenen Ausgangsformen 'abgelöst' worden sind), die synchron aber einigermaßen einheitlich erscheinen?
janwo > 04.05.2014, 18:58:34
(04.05.2014, 16:30:52)thf schrieb: Was davon jetzt die beste Lösung ist (oder ob es derer mehrere gibt), ist mir noch nicht ganz klar. Ich denke, dafür müsste man mehr Beispiele haben, und die phonologischen Gegebenheiten im Deutschen besser kennen als ich (ich weiß z.B. nicht, wie hoch - optimalitätstheoretisch gesprochen - die Aufrechtung erhaltung der Silben im Deutschen gerankt ist, oder wie es mit der Präferenz für CV Strukturen aussieht).
(04.05.2014, 16:30:52)thf schrieb: Spannend ist vielleicht auch, inwieweit es sich hier um einen übereinzelsprachlichen Mechanismus handelt und wie autonom resp. den Regeln einer Einzelsprache unterworfen ist; 'Newseum' etwa deutet darauf hin, dass das mindestens auch im Englischen geht.Nö. Damnit ist erst einmal nur bewiesen, dass das Muster im Deutschen auch mit englischstämmigen Basen funktioniert.
(04.05.2014, 16:30:52)thf schrieb:(01.05.2014, 20:23:28)janwo schrieb: Hier würde ich sagen, dass zwei Dinge konkurrieren. Ein einfaches {-(ian)us, -a, -um} das bei adjektivisch gebrauchten Namen mit den neutralen Bezugsnomina Gymnasium, Collegium, Lyceum kongruiert und das denominale Suffix {-eus, -a, -um}, das aber im Lateinischen gänzlich andere Funktionen hatte, als nur für Ortsbezeichnungen zu stehen, vor allem für Stoff- und Farbabjektive (aurum - aureus). Bei Ortsbezeichnungen kommt es, so weit ich es finden konnte, nur in griechischstämmigen Lehnwörtern vor.Also würde das möglicherweise dafür sprechen, dass es sich diachron gesehen (teilweise) um verschiedene Bildungen handelt (bzw. Formen, die auf dieselbe Grundform zurück gehen, aber auf verschiedenen Sprachstufen/von verschiedenen Ausgangsformen 'abgelöst' worden sind), die synchron aber einigermaßen einheitlich erscheinen?
thf > 08.05.2014, 13:52:54
(04.05.2014, 18:58:34)janwo schrieb:Na ja, das betreffende Museum befindet sich in den USA, daher war ich mal davon ausgegangen, dass das auch im englischen Sprachraum funktioniert ;). Ich hab mir auch noch mal (etwas oberflächlicher allerdings) die Artikelnamen der englischen Wikipedia angesehen, und neben Newseum noch ein paar weitere Beispiele gefunden, ToonSeum [sic!], Gulf Coast Exploreum Science Center und Storyeum, sowie Presseum(Südkorea) und Tenniseum (Frankreich). Bei dem südkoreanischen Beispiel kann ich mir vorstellen, dass es im Prinzip um eine englische Form handelt, bei Tenniseum wäre auch eine französischsprachige denkbar. Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass die Produktivität im Englischen zwar wesentlich geringer ausfällt, als im Deutschen, und stärkeren Beschränkungen unterliegt, an sich aber schon gegeben ist. (Dabei ist natürlich generell zu beachten, dass Methode und Datenbasis allenfalls für einen groben ersten Eindruck, aber nicht wissenschaftlichen Ansprüchen genügen).(04.05.2014, 16:30:52)thf schrieb: Spannend ist vielleicht auch, inwieweit es sich hier um einen übereinzelsprachlichen Mechanismus handelt und wie autonom resp. den Regeln einer Einzelsprache unterworfen ist; 'Newseum' etwa deutet darauf hin, dass das mindestens auch im Englischen geht.Nö. Damnit ist erst einmal nur bewiesen, dass das Muster im Deutschen auch mit englischstämmigen Basen funktioniert.
janwo > 08.05.2014, 16:51:26