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kunnukun > 01.12.2019, 14:16:33
Jon.Schnee > 01.12.2019, 16:06:14
kunnukun > 01.12.2019, 19:56:40
thf > 02.12.2019, 23:49:17
(01.12.2019, 19:56:40)kunnukun schrieb: Doch ich wundere mich über solche Ähnlichkeiten und darüber, dass die Idee einer 'Ursprache' noch sehr aktuell zu sein scheint.
kunnukun > 03.12.2019, 00:13:39
Administrator > 03.12.2019, 09:51:09
janwo > 03.12.2019, 09:54:14
(03.12.2019, 00:13:39)kunnukun schrieb: "um so weiter man in der Zeit zurückgeht, um so schwieriger wird es und man muss irgendwann entscheiden, ob es genügt, wenn -- fiktives Beispiel -- in zwei Sprachen eine handvoll halbwegs bedeutungsähnlicher Verben mit einem dentalen Plosiv anfangen, oder nicht."
kunnukun > 03.12.2019, 22:02:31
janwo schrieb:kunnukun schrieb:"um so weiter man in der Zeit zurückgeht, um so schwieriger wird es und man muss irgendwann entscheiden, ob es genügt, wenn -- fiktives Beispiel -- in zwei Sprachen eine handvoll halbwegs bedeutungsähnlicher Verben mit einem dentalen Plosiv anfangen, oder nicht."
Naja, wenn die "handvoll Verben" denn auch brav semantisch zusammen passen (hinreichend ähnlich sind) und die dentalen Plosive in ihrer Verteilung allesamt gewissen Lautgesetzen folgen, dann legt das schon einen Grundverdacht nahe.
kunnukun > 09.12.2019, 00:07:53
kunnukun > 11.12.2019, 00:46:12
Jon.Schnee > 18.12.2019, 17:58:14
kunnukun > 19.12.2019, 11:53:06
Jon.Schnee schrieb:Es gibt in den indogermanischen Sprachen ein Suffix *-teros, das ursprünglich eine Gegenüberstellung zweier Seiten bezeichnete, vgl. etwa Latein:
alter - der zweite (vs. der erste), alter ... alter - der eine ... der andere
...
Ebenso im Altgriechischen:
ἕτερος /héteros/ - der andere (von zweien)
...
χαλεπός /chalepós/ - schwierig > χαλεπώτερος /chalepōteros/ - schwieriger
ἄξιος /áksios/ - würdig > ἀξιώτερος /aksiōteros/ - würdiger
...
Was also die Frage nach einem -ter im Komparativ grundsätzlich angeht, ja, das gibt es. Vielleicht ist der persische Komparativ eine Fortsetzung davon, wie im Griechischen
...
Weddige gibt uns folgende Informationen:
Das moderne Deutsche -er im Komparativ kommt von einem germanischen -iz/-is, wo es davor Umlaut erzeugt (lang > länger) und von germanisch -ōz/-ōs, wo nicht (mhd. hôch > hôher, neuhochdeutsch zu höher angeglichen per Analogie).
Jetzt sieht diese Form leider schon sehr danach aus, als käme sie von indogermanischen *-jos, also kein t drin, weil falsches Suffix. Dafür spricht, dass Deutsch offenbar auch den indogermanischen Superlativ auf *-isto- fortsetzt (vgl. längster, höchster).
Das deutsche r gegenüber indogermanischem *s stört uns dabei wenig, auch die lateinische Variante hat es; Grund ist Rhotazismus im letzteren bzw. das Vernersche Gesetz im ersteren Fall.
Hennings bestätigt meine Interpretation, er nennt als indogermanische Quellen unseres Komparativs Suffixe *-is/-ôs, wobei sich in *-is durch Ablaut leicht das o einschieben und das i konsonantisch werden kann, damit sind wir wieder bei *-jos.
(Weddige, H., Mittelhochdeutsch, Eine Einführung, München 2015, S.62.
Hennings, T., Einführung in das Mittelhochdeutsche, Berlin 2012, S.158)
Dann stellte sich mir auf den ersten Blick noch die Frage, ob die Verbindung vielleicht existiert, wenn man den Stamm mit dem schönen b statt der Endung betrachtet, sieht aber auch eher schlecht aus:
besser ist der unregelmäßige Komparativ zu gut, ebenso englisch better zu good und, jetzt kommt es, griechisch βέλτίων /beltíōn/ zu ἀγαθός /agathós/. Der lateinische Komparativ melior zu bonus fällt leider raus, passt aber zum alternativen griechischen Komparativ ἀμείνων /ameínōn/. Und man bemerke das b im Positiv bonus!
Rekonstruieren wir also mal:
- Griechisch gibt uns im Komparativ einen Stamm *-belt. Da Griechisch Plosive, l und e des Indogermanischen erhält, postulieren wir mal indg. *-belt gleich als Wurzel.
- Deutsch und Englisch liefern im Komparativ *be(t). Der gute Grimm verrät uns, dass b im Germanischen von idg. *bh kommt. Mit dem Vokal ist es schwieriger. Da das mittelhochdeutsche Adverb zu bezzer baz lautet und e Umlaut zu a ist, würde ich das a übernehmen: *ba(t).
Germanisches a kommt von indogermanischem o, also als Wurzel *bo(t).
Die e/o-Alternanz ist typisch Ablaut, klammern wir das l in der obigen Wurzel ein, bekommen wir die beiden Komparative vielleicht auf einen gemeinsamen Ursprung.
Leider definitiv nicht dazu passt der lateinische Positiv:
- bonus lautete dereinst *benos (vgl. das Adverb bene). Leider kommt das b hier von einem urpsrünglichen *dw, also *dwenos und als Wurzel dann *dwen.
Die interessante Frage wäre nun noch, woher das ba- im Persischen kommt... "Schön" ist da ja schonmal, dass es offenbar auch unregelmäßig ist.
Jon.Schnee > 19.12.2019, 18:41:16
kunnukun > 19.12.2019, 20:16:06
Jon.Schnee schrieb:Jetzt ein wenig Analogiebildung: bat-ar wird als ba-tar reanalysiert und -tar als neues regelmäßiges Suffix für andere Adjektive übernommen. Dann wäre batar wirklich exakt das gleiche wie "besser".
thf > 19.12.2019, 22:47:59
(19.12.2019, 18:41:16)Jon.Schnee schrieb: Beurteilen könnte den Wahrheitsgehalt dieser zugegebenermaßen recht waghalsigen Hypothese jetzt nur jemand, der Ahnung von spezifisch persischer Sprachgeschichte hat. Ich werde mir diese aneignen, sobald ich irgendwann Persisch lerne, aber noch tue ich das leider nicht.Ahnung habe ich auch keine bzw. das meiste vergessen, aber soweit ich herausfinden konnte, ist '-tara-' einer von zwei Komparativmarkern im Altpersischen; interessanterweise jedoch nicht im Avestischen, das in der Hinsicht eher dem Vedischen Sanskrit folgt. Ich weiß noch nicht genau, was das jetzt heißt, aber es heißt in jedem Fall schon mal, dass die Verhältnisse was das Suffix angeht auch innerhalb der iranischen Sprachen nicht einheitlich sind :) Da kann man vermutlich durch Vergleich noch mehr heraus holen.
(19.12.2019, 20:16:06)kunnukun schrieb: "Rhotazismus" … muss ich nachlesen.Da steckt nichts im ersten Moment nichts kompliziertes hinter: Ein beliebiger wird zu einem 'r'-artigen Laut (im Englischen: "rhotics"). Zum Beispiel heißt 'Albanien' auf Gegisch (einer der Hauptvarietätengruppen des Albanischen) 'Shqipní' und auf Toskisch 'Shqipëri'. Das kann aber natürlich auch synchron auftreten, gerade auch in gesprochener Sprache.