Sprache mit den meisten Kasus

Auch guck. Tzez.
Es würde mich sehr wundern, wenn die Rekordhalterin nicht eine Sprache aus dem Kaukasus wäre...

(28.01.2019, 14:01:19)Benefaktiv schrieb: Tsesisch (Nordostkaukasische Sprache, also mit Georgisch verwandt) hat möglicherweise sogar 64.

Die Terminologie ist hier leider etwas verwirrend:
Georgisch und Tsesisch, das weiter oben auch schon Mal aufkam, werden beide als kaukasische Sprachen bezeichnet. Allerdings ist das eine räumliche Bezeichnung und keine genetische. Es gibt innerhalb der kaukasischen Sprachen Subgruppen, die genetische miteinander verwandt sind, wie die Kartvelischen Sprachen, zu denen Georgisch gehört. Georgisch und Tsesisch sind aber nicht in diesem Sinne verwandt.

EDIT:
Was aber tatsächlich mit Tsesisch genetisch verwandt ist, ist das von @janwo erwähnte Kwarshi; beide gehören zu den tsesischen Sprachen.

... und bitte jetzt keine Wortspiele mit Kau-kasus.

Was mich an dieser Diskussion immer so stört, sind zwei Dinge:

• Es wird komplett ignoriert, dass es unterschiedliche morphologische Sprachtypen gibt (wenn nur Kasus gemeint sind, die fusionierend-synthetisch markiert werden, fallen ja schon viele Sprachen heraus, die vermeintlich viele Kasus haben, z.B. ist das Tsezische ja schon praktisch agglutinierend).
  
• Die große Zahl der Kasus kommt dadurch zustande, dass die Systematik nicht gesehen wird: Lokalkasus bilden oft ein System (und gehen eigentlich immer in die Klasse der Postpositionen über, insbesondere wenn die Sprache, um die es geht, weniger fusionierend und stärker agglutinierend ist).
  

Nehmen wir ruhig mal das Tsezische: Wenn man die Systematik nicht durchschaut, sind es 36 Kasus, das klingt viel, aber es sind eben nur 8 grammatische Kasus und dann 4x7 Lokalkasus (man könnte auch von Postpositionen sprechen wegen des geringen Fusionsgrads), die nach dem Prinzip funktionieren, dass es vier Richtungen gibt (keine Richtung, nach, von … weg, in Richtung auf) und sieben Befindlichkeiten (in, 'among', auf, unter, bei, nahe bei, an). Das ist nun irgendwie eher wenig. https://en.wikipedia.org/wiki/Tsez_language#Case

Für Baskisch kann ich die Kasus multiplizieren, indem ich auch die Lokalkasus für belebte Objekte extra zähle und jede Kombination von Kasussuffixen auch noch, außerdem kann ich möglichst viele Postpositionen auch noch zu den Kasus zählen. (Da alle Kasusendungen syntagmatisch sind, taugt das Kriterium der Gebundenheit nicht viel). Da kommen dann schon eine Menge Kasus zustande, aber die Systematik ist verschwunden. 

Das erinnert an die (baskische) Legende vom Teufel, der Baskisch (Tsezisch, you name it) lernen wollte und jede Form einzeln auswendig gelernt hat (nicht die Systematik/Kombinatorik), bis er sich aus Verzweiflung von einem Berg gestürzt hat, was die vielen Teufelsschluchten im Baskenland erklärt (weil er das wohl öfters gemacht hat). Könnte auch die Schluchten im Kaukasus erklären.   

Nein, Baskisch und Kaukasisch sind nicht verwandt.

Hallo, Maha!

Schön, dass Du differenzierst (ich hatte mich aus der Diskussion relativ bald ausgeklingt eben wegen der vagen Fragestellung).
Aber es braucht Dich nicht zu stören, das wär ja schade. 

Ich frage einfach @Benefaktiv: Ist Deine Frage beantwortet? Möchtest Du Deine Fragestellung noch eingrenzen bzw. variieren? 
Zum Beispiel: Welche Kasus (abgesehen von Lokalkasus) gibt es in irdischen Sprachen? 
(Vergleiche zum Beispiel den Essiv, besonders die beiden ungarischen Formen: modal (vergleichend: "wie ein Journalist") und formal (Identität: "als Journalist").)

LG~Y

Die "so viele Kasus!" Nummer dient ja oft auch nicht dem linguistischen Erkenntnis, sondern eher zur Angeberei/Abschreckung und ist damit auf dem gleichen Niveau wie der "so viele Verbkategorien" Wettbewerb. Und bei beiden kann man ja, um Lerner je nach Vorliebe anzulocken oder abzuschrecken, nicht nur die Kategorien / Kasus zählen, sondern eben auch die letztlich resultierenden Formen. Hat die Sprache nämlich vielleicht auch noch eine Handvoll Numeri, vervielfacht sich die Zahl der Formen ja: 36 mal Kasus im Singular, und dann vielleicht noch Dual, Trial, Paukal, Plural, und schon kommen wir auf Zahlen, die vordergründig wirklich beeindruckend wirken.

Im Dunstkreis von Balthasar Bickel wird diversen Sprachen Nepals z.B. des öfteren nachgesagt, dass die theoretisch mögliche Zahl der Verbformen gar nicht genau ermittelbar sei, aber definitiv jenseits der 5.000 (Chintang) liege (zum Vergleich: Deutsche Verben kommen nicht über ca. 230 Kombinationen hinaus, die jedoch nicht alle eindeutige Formen haben). Das hat natürlich schon einen gewissen "Wow"-Effekt aufs Publikum...

Übrigens habe ich meinen Rekord von Kasus getoppt:

"Wanjii" hat 54, allerdings muss ich vorweg sagen, dass die Sprache agglutinierend ist.

Die Fälle sind:

Absolutiv (im Wanjii markiert er Objekte, die in anderen Sprachen im Nominativ stehen würden)
Ergativ (im Wanjii markiert er Subjekte eines Satzes)
Genitiv
Dativ
Akkusativ
Instrumental
Kausitiv (Warum?-Fall)
Äquativ
Destinativ
Abessiv
Essiv
Komitativ
Passitiv (Markiert alle Sub- und Objekte in Passivsätzen)
Velotiv
Tarditiv
Majoris (ein großes Sub-/Objekt)
Minoris (ein kleines Sub-/Objekt)
Imperativis (Ersetzt die fehlende Imperativform des Verbs durch Suffingierung der Sub- und Objekte)
Robustiv (vergleichbar mit: ein starkes Sub-/Objekt)
Invalidis (vergleichbar mit: ein schwaches Sub-/Objekt)
Inessiv
Adessiv
Approximativ
Supermotiv (Bewegung über ein Objekt hinweg)
Superessiv
Subessiv
Ablativ
Allativ
Illativ
Elativ
Benefaktiv
Antiv
Iuxtativ
Postiv
Intertiv
Suprativ
Initiv
Contrativ
Präsentiativ (Bewegung bis zu einem Punkt)
Seperativ (Zeit bis zu einem Zeitunkt)
Punktutiv-Temporitiv (Zeit von einem Zeitpunkt an, wenn das Ereignis in der Vergangenheit passiert ist)
Nonlongiotiv (Zeit von einem Zeitpunkt an, wenn das Ereignis bis in die Gegenwart andauert)
Concursitiv
Submotiv (Bewegung unter einem Objekt durch)
Prolativ 1 (Bewegung auf unbestimmter Seite an einem Objekt vorbei)
Prolativ 2 (Bewegung rechts an einem Objekt vorbei)
Prolativ 3 (Bewegung links an einem Objekt vorbei)
Dexiv (Bewegung zu einem rechts gelegenen Objekt)
Sinistiv (Bewegung zu einem links gelegenen Objekt)
Septentriotiv (Bewegung/Position nach/im Norden, fast nur bei entsprechender Himmelsrichtung anzutreffen)
Meridis (Bewegung/Position nach/im Süden, fast nur bei entsprechender Himmelsrichtung anzutreffen)
Okzidentiv (Bewegung/Position nach/im Westen, fast nur bei entsprechender Himmelsrichtung anzutreffen)
Orientiv (Bewegung/Position nach/im Osten, fast nur bei entsprechender Himmelsrichtung anzutreffen)
Delativ

(05.02.2019, 13:00:06)janwo schrieb: Die "so viele Kasus!" Nummer dient ja oft auch nicht dem linguistischen Erkenntnis, sondern eher zur Angeberei/Abschreckung und ist damit auf dem gleichen Niveau wie der "so viele Verbkategorien" Wettbewerb.

Dem stimme ich an sich zu, persönlich finde ich aber, dass die Kasusanzahl doch noch mal eine besondere Stellung in "volkstümlichen Sprachkonzeptionen" darstellt. Jede Person, die Deutschunterricht in der Schule hatte, weiß, dass es im Deutschen etwas gibt, das "Kasus" heißt, und im besten Fall auch, dass derer vier existieren. Aus den Kasus lässt sich leicht ein schultaugliches Ranking bauen (Deutsch < Latein < Altgriechisch), mit dem man Sprachen (und deren Lerner; wer schwierige Sprachen kann, muss ja sehr schlau sein...) vergleichen kann. Bei den Verbkategorien ist mir das in dem Maße noch nicht untergekommen. Der Schwund von Kasus spielt ja auch eine prominente Rolle in der Diskussion um die angebliche Verkümmerung der Deutschen Sprache. Meiner Meinung nach, kann man aus der Diskussion insb. soziolinguistisch sehr viel zu Sprachideologie, Spracheinstellungen usw. heraus holen und ich glaube, dass die traditionelle Stellung und Idealisierung der klassischen Sprachen -- die eben relativ ausgeprägte Kasussysteme aufweisen -- hierbei eine wichtige Rolle spielt.