Sprache mit den meisten Kasus

Hallo Forum.

Die Anzahl von Kasus ist ja von Sprache zu Sprache verschieden. Hier einige Beispiele:

Englisch: 0
Dänisch: 1
Arabisch: 3
Deutsch: 4
Russisch: 6
Polnisch: 7
Japanisch: 8
Estnisch: 14
Finnisch: 15
Baskisch: 16
Ungarisch: 18-40 (je nach Zählung)

Doch ich würde gerne wissen, welche Sprache die meisten Fälle besitzt.

Ich habe mal eine Sprache mit 31 Fällen erfunden (ist mein Hobby).

Hallo, wie kommst du denn auf die Liste? Alleine Englisch und Dänisch haben je nach Definition drei Kasus. Kommt halt drauf an, ob es unbedingt im Nomen markiert werden muss, oder ob Pronomen reichen. Zudem würde es nicht "einen Kasus" geben können, wogegen solle es sich dann unterscheiden?

Auch auf unserer Facebookseite wird dieses Thema diskutiert: https://www.facebook.com/linguisten/post...1926115341

Wichtig wäre auch, zu differenzieren, ob man nominale Kasus meint (am Substantiv) oder pronominale Kasus. Kein deutsches Substantiv hat vier verschiedene Kasusformen (Synkretismus); nur bei den Pronomina und einigen Artikeln gibt es wirklich vier Formen.

Wenn man die Zahlen ins Astronomische steigern will, nimmt man die Kasus-Systeme einiger Nakh-Dagestanischer Sprachen dazu, da kann man mit guter Kombinatorik auch mal auf 60 bis 80 kommen, größtenteils aber Lokalkasus wie auch beim Ungarischen.

(17.01.2019, 20:26:01)Benefaktiv schrieb: Ich habe mal eine Sprache mit 31 Fällen erfunden (ist mein Hobby).

Mein Rekord ist 22. ^^
In der Regel versuche ich aber, das Kasussystem so zu konstruieren, dass es mit wenigen Kasus möglichst viele Bedeutungsfelder abdeckt.

LG~Y

Vielleicht ist ja für dich diese WALS-Karte interessant.

Ich finde es interessant, dass die Frage nach der Kasus-Anzahl von Sprachen doch relativ häufig gestellt wird und ich frage mich, wie das kommt. Eine Vermutung wäre, dass sich das auf Konzeptionen von "Sprache" aus dem (Schul)unterricht und der Untersuchung klassischer indoeuropäischer Sprachen (Latein, Griechisch, ggf. Sanskrit) ergibt. Denn dort ist das Lernen von Deklinations-Paradigmen ja fester Bestandteil und scheinbar manchmal auch eine Metrik, um Sprachen in schwierig und weniger schwierig zu einzuordnen. Wenn man jetzt aber die absolute Frage stellt, welche Sprache die meisten Kasus hat, schwingt da meiner Meinung mit, dass man implizit fragt, welche Sprache ein noch komplexeres Kasussystem des indoeuropäischen Typus' hat. Wenn man jetzt sagt, Finnisch hat 16 Kasus, Ungarisch 2X und Tsezisch ~60, klingt das irgendwie im ersten Moment viel. Das lässt aber außer Acht, finde ich, dass Kasus im Gesamtsystem dieser Sprachen eine andere Position einnehmen, da es halt keine indoeuropäischen Sprachen sind. Man müsste sich dann auch mal anschauen, was diese Kasus eigentlich tun und wie sie sich im Gesamtzusammenhang der Sprache positionieren. Viele dieser Kasus sind z.B. semantische Kasus und oftmals funktional vergleichbar mit Adpositionen in indoeuropäischen Sprachen. Diese Punkte sollte man meiner Meinung nach bei dieser Frage und bei der Einschätzung der Antworten berücksichtigen.

(17.01.2019, 22:43:36)Yaouoay schrieb:

(17.01.2019, 20:26:01)Benefaktiv schrieb: Ich habe mal eine Sprache mit 31 Fällen erfunden (ist mein Hobby).

Mein Rekord ist 22. ^^
In der Regel versuche ich aber, das Kasussystem so zu konstruieren, dass es mit wenigen Kasus möglichst viele Bedeutungsfelder abdeckt.

LG~Y

Einige davon habe ich selbst erfunden:

Antiv (Position vor einem Objekt)
Iuxtativ (Position neben einem Objekt)
Postiv (Position hinter einem Objekt)
Intertiv (Position zwischen zwei Objekten)
Infrativ (Position unter einem Objekt)
Suprativ (Position über einem Objekt)
Initiv (Position an einem Objekt)
Contrativ (Position gegenüber einem Objekt)
Präsentiativ-Seperativ (Bewegung/Zeit bis zu einem Punkt)
Punktutiv-Nonlongiotiv (von einem Zeitpunkt an)
Temporitiv (Bewegung ab einem Punkt)
Concursitiv (Bewegung gegen ein Objekt)
Velotiv (schnelle Bewegung)
Tarditiv (langsame Bewegung)

Weitere Kasus sind Nominativ, Genitiv, Akkusativ, Dativ, Inessiv, Adessiv, Superessiv, Vokativ, Instrumentalis-Komitativ, Abessiv, Essiv, Ablativ, Allativ, Illativ, Elativ und Destinativ.

Ein Freund meint, ich hätte zu viel Freizeit.

Für einige gibt es schon Termini:

Infrativ (Position unter einem Objekt) → dafür ist Subessiv etabliert
Suprativ (Position über einem Objekt) → dafür ist Superessiv etabliert
Initiv (Position an einem Objekt) → dafür ist Adessiv etabliert
Concursitiv (Bewegung gegen ein Objekt) → Adlativ / Allativ


Manche Systeme der Lokalkasus unterscheiden mehrere semantische Dimensionen:

• unbewegt / bewegt → Endglied auf -essiv (statisch) bzw. -lativ (dynamisch)
  
• hin zu ... bzw. in ... hinein / von ... weg bzw. aus ... heraus → entsprechende Präfixe {a-, ad-, in-} vs. {ab-, e(x)-}
  
• terminativ / nicht terminativ
  

Letzteres unterscheidet, ab eine Position innegehabt (statisch) bzw. als Zielpunkt angesteuert wird: Am Schiff kann heißen etwas hängt außen an der Bordwand mit direktem Kontakt zum Schiff, es kann aber auch heißen, etwas ist nahe am Schiff, z.B. auf der Mole. Ebenso mit Bewegungen: vgl. zum / ans / ins Haus und auf das Haus zu.

(19.01.2019, 19:34:57)janwo schrieb: Für einige gibt es schon Termini:

Infrativ (Position unter einem Objekt) → dafür ist Subessiv etabliert
Suprativ (Position über einem Objekt) → dafür ist Superessiv etabliert
Initiv (Position an einem Objekt) → dafür ist Adessiv etabliert
Concursitiv (Bewegung gegen ein Objekt) → Adlativ / Allativ

Wobei Superessiv, Adessiv und Allativ ja auch im "Kleingedruckten" unterhalb der Liste erscheinen. Falls die in derselben Sprache auftauchen, wäre interessant, worin sie sich unterscheiden.

(19.01.2019, 23:00:57)thf schrieb:

(19.01.2019, 19:34:57)janwo schrieb: Für einige gibt es schon Termini:

Infrativ (Position unter einem Objekt) → dafür ist Subessiv etabliert
Suprativ (Position über einem Objekt) → dafür ist Superessiv etabliert
Initiv (Position an einem Objekt) → dafür ist Adessiv etabliert
Concursitiv (Bewegung gegen ein Objekt) → Adlativ / Allativ

Wobei Superessiv, Adessiv und Allativ ja auch im "Kleingedruckten" unterhalb der Liste erscheinen. Falls die in derselben Sprache auftauchen, wäre interessant, worin sie sich unterscheiden.

Naja, Superessiv bedeutet "auf …" und Suprativ "über …".
Ich glaube, mit "Concursitiv" ist wirklich "gegen …" und nicht "in Richtung von …" gemeint.
Und Adessiv kenne ich als "bei …/in der Nähe von …", Benefaktiv differenziert hier noch: "an …/… berührend".
(Ich habe dafür das Wort "Kontaktiv" konstruiert.)
@Benefaktiv Hast Du auch einen Vialis (oder Prolativ): "an … vorbei/… entlang"?

LG~Y

Ja. Ich möchte das Ganze nur wieder etwas mehr in Richtung der Ursprungsfrage und "echte" Kasus in "echten" Sprachen lenken. Für spekulative Grammatik haben wir das Unterforum Kunstsprachen & Interlinguistik.

(19.01.2019, 19:34:57)janwo schrieb: Für einige gibt es schon Termini:

Infrativ (Position unter einem Objekt) → dafür ist Subessiv etabliert
Suprativ (Position über einem Objekt) → dafür ist Superessiv etabliert
Initiv (Position an einem Objekt) → dafür ist Adessiv etabliert
Concursitiv (Bewegung gegen ein Objekt) → Adlativ / Allativ


Manche Systeme der Lokalkasus unterscheiden mehrere semantische Dimensionen:

• unbewegt / bewegt → Endglied auf -essiv (statisch) bzw. -lativ (dynamisch)
  
• hin zu ... bzw. in ... hinein / von ... weg bzw. aus ... heraus → entsprechende Präfixe {a-, ad-, in-} vs. {ab-, e(x)-}
  
• terminativ / nicht terminativ
  

Letzteres unterscheidet, ab eine Position innegehabt (statisch) bzw. als Zielpunkt angesteuert wird: Am Schiff kann heißen etwas hängt außen an der Bordwand mit direktem Kontakt zum Schiff, es kann aber auch heißen, etwas ist nahe am Schiff, z.B. auf der Mole. Ebenso mit Bewegungen: vgl. zum / ans / ins Haus und auf das Haus zu.

Macht nichts. In meiner Sprache gibt Es Differenzierungen meiner Kasus von denen, die du genannt hast. Suprativ ist z. B. differenziert vom Superessiv, da er nur die Position über und nicht ebenfalls auf einem Objekt ausdrückt. Der Concursitiv wird nur verwendet, wenn das Subjekt das Objekt auch berührt oder mit diesem kollidiert (z.b. "Ich laufe gegen eine Wand." - "Íak dipká výlasdéf." (Wand = výlas, Concursitiv = -déf, für den Allativ (Bewegung in Richtung eines Objektes) steht der Suffix "-ŧe")). Die Differenzierung des Initivs vom Adessiv kann ich mit diesem Beispiel erklären:

"Íak ká výlasöxxčexý." = "Ich bin bei der Wand." (Adessiv, Suffix "-ý" ("-öxx" = best. Form Sing., "-čex" = Dativ)),
"Íak xistá výlasöxxčexígoxx." = "Ich hänge an der Wand." (Initiv, Suffix "-ígoxx").

Und der Infrativ heißt in meiner Sprache einfach so (Ich wusste bis heute nichts vom Subessiv, sonst hätte ich den Kasus nicht Infrativ genannt).

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(21.01.2019, 18:21:16)Yaouoay schrieb:

(19.01.2019, 23:00:57)thf schrieb:

(19.01.2019, 19:34:57)janwo schrieb: Für einige gibt es schon Termini:

Infrativ (Position unter einem Objekt) → dafür ist Subessiv etabliert
Suprativ (Position über einem Objekt) → dafür ist Superessiv etabliert
Initiv (Position an einem Objekt) → dafür ist Adessiv etabliert
Concursitiv (Bewegung gegen ein Objekt) → Adlativ / Allativ

Wobei Superessiv, Adessiv und Allativ ja auch im "Kleingedruckten" unterhalb der Liste erscheinen. Falls die in derselben Sprache auftauchen, wäre interessant, worin sie sich unterscheiden.

Naja, Superessiv bedeutet "auf …" und Suprativ "über …".
Ich glaube, mit "Concursitiv" ist wirklich "gegen …" und nicht "in Richtung von …" gemeint.
Und Adessiv kenne ich als "bei …/in der Nähe von …", Benefaktiv differenziert hier noch: "an …/… berührend".
(Ich habe dafür das Wort "Kontaktiv" konstruiert.)
@Benefaktiv Hast Du auch einen Vialis (oder Prolativ): "an … vorbei/… entlang"?

LG~Y

Nein, einen Vialis habe ich nicht.

(17.01.2019, 20:26:01)Benefaktiv schrieb: Doch ich würde gerne wissen, welche Sprache die meisten Fälle besitzt.

Ein guter Kandidat für den Rekord sind die 51 des Khwarshi:

Zitat:There are fifty-one cases and case combinations in Khwarshi: eight grammatical cases  (Absolutive,  Ergative,  Genitive  1,  Genitive  2,  Instrumental,  Durative,  Vocative, and Causal) and forty-three local cases which are built from the combination of seven orientation suffixes (Super, Sub, In, Inter, Ad, Apud, Cont) and six directional suffixes (Essive, Lative, Versative, Ablative, Translative, Terminative).  

Aus: Khalilova, Zaira: A Grammar of Khwarshi. Leiden, 2009. [Diss.], S. 66 [PDF]

Tsesisch (Nordostkaukasische Sprache, also mit Georgisch verwandt) hat möglicherweise sogar 64.