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janwo > 04.06.2020, 10:45:58
reger > 04.06.2020, 12:03:55
janwo > 04.06.2020, 12:11:22
thf > 04.06.2020, 12:36:13
Kevin > 05.06.2020, 11:26:10
reger > 05.06.2020, 12:49:18
(05.06.2020, 11:26:10)Kevin schrieb: Ich habe keine Quellen oder große Ideen, aber mir fallen vor allem auch diese zu Einzelsprachen oft auf:Finde den Aspekt ganz interessant. Ich las auch mal, dass es Communities gibt, die nicht wollen, dass Außenstehende ihre Sprache lernen. Das kann ich mit meinem Bild von Sprache kaum in Einklang bringen (auch wenn es in der Praxis kein Problem darstellt).
- Sprache als ein Besitz und/oder etwas Unveräußerbares (viele indigene Communitys sehen es als etwas, das nicht weitergegeben werden kann an andere oder sie claimen eine Sprache als einen Gegenstand oder eine besitzbare Entität)
Zitat:Mir fällt aber immer wieder diese Riesendiskrepanz zwischen linguistisch 'unterwegsen' Leuten, die bessere Einsichten darin haben, was Sprache ist, wie sie funktioniert und was Einzelsprachen sind, und Laien oder linguistisch Unkundigen, die oft so krude Ansichten über Sprachen kann, ich kann das gar nicht beschreiben, weil ich mich gar nicht mehr da reindenken kann. Die haben ganz andere Grundfesten des Denkens über Sprache, das gar nicht strukturell ist (Perfekt von "schwimmen" ist "wir waren Schwimmer") oder etwa eine Trennung von Sprache und Kultur als zwei überschneidende Bereiche, sondern als das Gleiche. Nur wenn man in einer Kultur aufgewachsen ist, spricht man diese Kultur nativ, deswegen kann man es später als Auswärtiger es nicht lernen, weil man die Kultur nicht als Mutterkultur hat. Ich kann es nicht beschreiben, aber weiß jemand vielleicht von einem Artikel, wo so etwas beschrieben wird, wie absolute Laien manchmal über Sprache denken und was für kognitive darüber herschen? Ich würde mich gerne mehr einfühlen, was die Bilder sind, das hilft ja auch im Sprachunterricht, auf so etwas besser eingehen zu können.
thf > 05.06.2020, 13:51:23
Zitat:Finde den Aspekt ganz interessant. Ich las auch mal, dass es Communities gibt, die nicht wollen, dass Außenstehende ihre Sprache lernen. Das kann ich mit meinem Bild von Sprache kaum in Einklang bringen (auch wenn es in der Praxis kein Problem darstellt).
Kevin > 05.06.2020, 14:05:25
Zitat:Beim Schwimmen-Beispiel klingt es wie bei Kleinkindern, die noch nicht die metasprachliche Ebene zur Verfügung habenSorry, ich hätte das erklären sollen, das ist aus TV Totals Erstwählercheck von damals, wo das Verb "schwimmen" durchdekliniert werden soll. Auch wenn die Person als sozial benachteiligte bildungsferne Person ("nicht die hellste Kerze auf der Torte") dargestellt wird, zeigt es aber einen Teilaspekt von dem, was ich sagen will; dass bei vielen Leuten eben Sprache als eine ganz andere Verhältnismäßigkeit als bei uns wahrgenommen wird, hier zum Beispiel dass Wortfelder das gleiche sind wie Verbparadigmen. Ganze Strukturen wie Verben oder so existieren nicht in der gleichen Beziehung, wenn ich meine Oma immer interviewen wollte für ihre niederdeutschen Verbparadigmen, war es super schwer, die richtigen Formen zu triggern, obwohl sie wusste, dass wir Wort-für-Wort-Übersetzungen gerade machen: "Wie sagst du 'er ging weg' auf Platt? - 'Hei is nich meer tauhuus.' Dat segg ik daartau." Obwohl wir davor eben schon auf Wortbasis gearbeitet haben, existiert das Bewusstsein von konkreter Struktur gar nicht. 'Es kommt wie es kommt und wie es passt.'
Zitat:Finde den Aspekt ganz interessant. Ich las auch mal, dass es Communities gibt, die nicht wollen, dass Außenstehende ihre Sprache lernen. Das kann ich mit meinem Bild von Sprache kaum in Einklang bringen (auch wenn es in der Praxis kein Problem darstellt).Das ist ein relativ typisches Merkmal in vielen nordamerikanischen indigenen Kulturen, dass Außenstehende die Sprache nicht lernen dürfen. Auf der einen Seite historisch verständlich, der "Weiße" hat ihnen schon so viel genommen, wenn man nicht an der Sprache festhält, wird auch die genommen. (Hier existiert das Bild von Sprache als etwas zu Besitzendes, das festgehalten werden muss, um es zu bewahren.) Wobei man ja aber weiß, dass eine Sprache nur fortbesteht, wenn sie weitergegeben wird, Sprache kann durch Öffnen des Lernens nicht verloren gehen. (Ich klammere die Kulturöffnung und dem Übernehmen von Englisch aus, das ist ja nicht gemeint.)
reger > 05.06.2020, 14:49:05
(05.06.2020, 13:51:23)thf schrieb:Zitat:Finde den Aspekt ganz interessant. Ich las auch mal, dass es Communities gibt, die nicht wollen, dass Außenstehende ihre Sprache lernen. Das kann ich mit meinem Bild von Sprache kaum in Einklang bringen (auch wenn es in der Praxis kein Problem darstellt).
Ein Beispiel, das in dem Zusammenhang in der Forschung manchmal genannt wird, sind die Sprachen der Sinti und Roma. Die Sorge, die da manchmal wiedergegeben wird, ist wohl, dass die Kenntnisse zum Nachteil der SprecherInnen eingesetzt werden. Wenn man die Ausgrenzung, Stigmatisierung und Verfolgung über Jahrhunderte hinweg bis hin zum Völkermord bedenkt, ist das für mich auch nachvollziehbar.
Zitat:"Wie sagst du 'er ging weg' auf Platt? - 'Hei is nich meer tauhuus.' Dat segg ik daartau." Obwohl wir davor eben schon auf Wortbasis gearbeitet haben, existiert das Bewusstsein von konkreter Struktur gar nicht. 'Es kommt wie es kommt und wie es passt.'Ja, das hängt vielleicht auch mit dem Bild von Dialekten als etwas urwüchsigen, natürlichen zusammen. Historisch werden Dialekte wohl seit (u.a.) der Romantik als reine, unverdorbene Ideale gesehen, andere Varietäten dagegen als künstlich und von anderen Sprachen beeinflusst. Und in der Schule lernt man ja auch nichts zur Grammatik von Dialekten, Grammatik scheint mir von Laien eher gleichbedeutend mit Standardsprache verwendet zu werden ("das ist nicht grammatisch" o.ä.). Selbst umgangssprache wird ja häufig (aus Sicht des Standards) als "grammatikalisch falsch" aufgefasst. Insofern wird diese Wahrnehmung sprachlicher Strukturen vielleicht nie ausgebildet.