Ich habe mir einen Fernsehbeitrag über Sardinien angesehen, wo vor rund 10 Jahren eine sardische Standardsprache, die als neue Dachsprache für die Mundarten dienen und den öffentlichen Gebrauch des Sardischen erleichtern soll. Ähnliches ist in Graubünden mit Rumantsch Grischun geschaffen worden. Beides sind für mich verfehlte Versuche.
Die Zusammenfassung von Mundarten zu Schriftsprachen ist in der heutigen Welt sicher wichtiger denn je. Aber gerade im Falle von bedrängten Regionalsprachen müssen Schriftsprachen den Mundarten möglichst ähnlich sein, um von der Sprachgemeinschaft mit Wohlwollen aufgenommen und nicht als fremd empfunden zu werden. Die großen Staatssprachen sind da ein anderer Fall. Diese Einheitssprachen sind oft mit Zwangsmaßnahmen und Unterdrückung von Regionalsprachen durchgesetzt worden. Beste Beispiele sind Frankreich und Deutschland, wo Schulkinder zeitweise geschlagen wurden, wenn sie beim Sprechen der Regionalsprache erwischt wurden. Das Durchdrücken einer Einheitssprache im Falle von Regionalsprachen ist ein Spiel mit dem Feuer. Ehe man sich einer neuen als fremd empfundenen Sprache zuwendet, kann man gleich auf die Staatssprache zurückgreifen.
Ich habe sowohl die Limba Sarda Comuna mit den Hauptmundarten verglichen als auch Rumantsch Grischun mit den fünf Schriftidiomen. Ich komme zum Ergebnis, daß beide Schriftsprachen sich von manchen Mundarten zu stark unterscheiden. Um Bünderromaniscn und Sardisch zu jeweils einer einheitlichen Sprache zusammenzufassen, sind die Mundartunterschiede einfach zu groß. Um dem Rechnung zu tragen, bedarf es jeweils zwei Schriftsprachen. In Graubünden hätte man Vallader, Puter und Jauer zu einem Schriftidiom und Sutsilvanisch, Surselvisch und Surmeirisch zu einem Schriftiodiom zusammenführen sollen. Wegen der Ähnlichkeit der jeweils drei Idiome wäre das ein logischer Schritt gewesen.
Ich würde Surselvisch/Sutselvisch/Surmeirisch und Puter/Vallader/Jauer als zwei eigenständige Sprachen einstufen. Die Lautbilder sind durchaus verschieden. In der einen Sprache gibt es z. B. Umlaute, in der anderen nicht. Die Engadiner empfinden Rumantsch Grischun zu Recht als ähnlich fremd wie Deutschweizer Standarddeutsch. Um den Fehler von Rumantsch Grischun zu begegnen, sollte es überarbeitet werden, indem es durch Austausch der deutlich verschiedenen Wortstämme ais dem Puter/Vallader/Jauer gegen Wortstämme aus dem Surselvischen/
Sutselveischen/Surmeirischen zum neuen Schriftidiom des letzteren wird. Es sollte deshalb dann umbenannt werden. Puter/Vallader/Jauer sollte eine eigene Schriftsprache bekommen.
Im Falle von Sardinien würde ich die Schriftsprachen Campidanesisch und Logudoresisch unter Ausschluß von Sassaresisch und Galluresisch, die nicht zum Sardischen gezählt werden, einführen. Im Schrifttum gibt es diese Zweiteilung schon länger. Insgeheim hatten sich in der Schriftstellerei schon Logudoresisch und Campidanesisch als Schriftsprachen herausgebildet. Auch hier gibt es deutliche Unterschiede im Lautbild und der Formenlehre,,teilweise auch im Wortschatz. Innerhalb beider Gruppen sind die Unterschiede viel geringer. Sassaresisch und Galluresisch sind meines Erachtens eigenständige Sprachen.
In Nordirland ist das Standardirisch der Republik auch nicht unumstritten. Es ist dem Connachtirischen am nächsten. Mit der Vereinfachung der Schreibung hat man es meiner Meinung nach etwas übertrieben und den Besonderheiten der Aussprache in den Hauptmundarten zu wenig Rechnung getragen. Endsilben, die in einer Hauptmundart ausgesprochen werden, hätte man besser beibehalten. Nordirland hat verpaßt, den damals vorgesehenen eigenen Freistaat als Chance zur Abnabelung sowohl von Dublin als auch London zu nutzen und Ulsteririsch und Scots als die beiden Landessprachen aufzubauen statt sich untereinander zu bekriegen. Beiden Volksgruppen, den Ulsteriren und Ulsterschotten, ist Queen's English aufgedrückt worden. Die Ulsterschotten sind damals vor 400 Jahren als Schachbrettfiguren der britischen Kolonialpolitik benutzt worden. Der nordirische Freistaat hat die Chance geboten, sich davon zu lösen und als Ulster selbständig in Erscheinung zu treten.
Im Irischen kenne ich mich recht gut aus, weil ich selber etwas Irisch gekernt habe.