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Kevin > 01.02.2016, 13:07:50
JMV > 01.02.2016, 14:40:48
(01.02.2016, 14:40:48)JMV schrieb: Hallo,
ich kann zwar nicht mit überzeugenden Belegen aufwarten, habe allerdings ein Vermutung, die dir vielleicht weiterhelfen oder Denkanstöße geben (denn 100% sicher über die Gründe eines Lautwandels kann man ja nie sein). Also ich nehme stark an, dass es mit dem ersten (germanischen) Lautwandel zu tun hat. Nehmen wir das Beispiel "branjan", dass sich da zum allseits bekannten "brennen" umlautwandelt. der erste Vokal rückt, phonetisch betrachtet, nach vorn und hoch (Vokaltrapez /a/ zu /e/ ). Der zweite wird zum tiefen Schwa /ɐ/, rückt also auch nach oben.
Interessant ist jetzt, dass bei aftar zu achter mit dem zweiten Vokal dasselbe passiert, mit dem ersten Vokal allerdings nicht. Ich vermute, da es sich um einen Vokal im Anlaut handelt oder dies ein spezifisch niederdeutsches Phänomen ist. Der Konsonant nun wiederum vollzieht diesen Lautwandel allerdings irgendwie mit. Zwar rückt der Konsonant nicht nach oben, sondern nach hinten ( /f/ zu /ç/ ), bedenkt man jedoch, dass ein nach vorn blockiert ist aus Mangel an bilabialen Konsonanten, verändert der Frikativ seine Position strukturell schon vergleichbar zur Änderung des Vokals (eigentlich wäre es irgendwie logischer, wenn es sich zu einen /s/ wandeln würde, aber ich vermute, dass aster blockiert ist).
Ich bin nun kein Experte für den ersten Lautwandel, sodass ich hier wirklich nur spekulieren kann. Vielleicht bringt es ja etwas einmal mit den Plosiven zu vergleichen. Was passiert während des ersten Lautwandels im Niederdeutschen mit dem /p/ in der Koda der ersten Silbe bei Wörtern mit Vokal im Anlaut? Vielleicht findet man auch Wörter, die mit Vokalen beginnen und solche, die mit Konsonanten beginnen und kann die mal miteinader vergleichen? Den Vergleich von Plosiven mit Frikativen halte ich für fruchtbar, da beide einen großen und vergleichbaren Umfang ein Lauten haben.
Ich hoffe, ich konnte dir einige Anregungen geben.
Viele Grüße,
Johannes
wortigkeit > 01.02.2016, 15:03:01
JMV > 01.02.2016, 15:50:49
janwo > 01.02.2016, 21:22:05
Kevin > 06.02.2016, 12:46:50
Zitat:Wie immer in der Entwicklung der moderneren germanischen Sprachen wird es sich wohl um eine dubiose Mischung aus Sprachkontakt, überdialektalen, sich wellenförmig ausbreitenden und abebbenden Lautwandelprozessen (in diesem Fall mit Zentrum Niederlande und Abflauen im östlichen und nördl. mndt. Sprachgebiet) einerseits und schriftsprachlicher Normierung (inkl. Zurückdrängung) mit Auswahl dialektal unterschiedlicher bzw. hochdt.-beeinflusster Formen andererseits handeln. Vgl. Lasch, Mittelniederdeutsche Grammatik (§296: -ft > -cht vor allem hinter Vordervokal ehm. gesamtniederdt. regulär).Danke für den Tipp mit Lasch, hatte ihr Buch noch ausgeliehen hier rumliegen. Das liefert einiges Interessantes zutage und es werden ein paar weitere Fälle genannt, die noch immer umgelautetes -cht- haben: ndt "sacht(en)" (dt. "sanft", laut Nasal-Spiranten-Gesetz kein /n/ for /f/ und später /ft/ zu /cht/), ndt. Gerücht (dt. hat es aus dem Ndt. entlehnt, Mittelhochdeutsch hieß es noch "geruofte"), ndt. echt (dt. hat es aus dem Ndt. entlehnt, früher "ehacht", Dt. hatte "ehaft"), ndt. süchten (dt. seufzen).
Bolko Hane > 19.01.2023, 00:14:34