Latein: "ob" (vs. Proto-Italisch "op")

Hallo,
kann mir jemand erklären, warum hier aus einem PIE "p" ein "b" wird:

https://en.wiktionary.org/wiki/ob#Etymology_3

Latin OB
From Proto-Italic *OP, from Proto-Indo-European *h₁epi. 

Zwischenstufe Proto-Italisch:
Proto-Italic
From Proto-Indo-European *h₁epi.
*op
Descendants
    Latin: ob (!)
    Faliscan: op
    Oscan: op, úp
    Venetic: op


Ist das eine Ausnahme? Falls ja, weiß jemand zufällig, ob es irgendeine "Regel" gibt, die die Ausnahme ein bisschen erklärt / die Tendenz erklärt?

Hier noch ein ähnlicher Fall:

Latin AB

From Proto-Italic *ap, from Proto-Indo-European *h₂epó (“off, away”)

Danke!

Ref.
https://en.wikipedia.org/wiki/Indo-European_sound_laws

Vermutlich wird man hierzu in der Fachliteratur besser fündig, z.B. bei Meiser (2010)^[1]. Leider habe ich es gerade selbst nicht greifbar, um nachzusehen, ob man dort dazu etwas findet.

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Fußnoten:

1. Meiser, G. (2010). Historische Laut- und Formenlehre der lateinischen Sprache. Darmstadt: WBG. (https://www.wbg-wissenverbindet.de/shop/...en-sprache)

Das ist ein super Tipp, vielen Dank für den Hinweis auf Prof. Meiser:

https://www.indogerm.uni-halle.de/person...rd_meiser/


ChatGPT war in der Lage (neben viel Quatsch) mir noch einen Fall zu nennen:

Quelle: https://en.wiktionary.org/wiki/bibo#Latin

Latin
Etymology

From Proto-Italic *pibō, from Proto-Indo-European *píph₃eti.

Cognates include pōtō, Proto-Slavic *piti (cf. *pivo (“beer”)), Ancient Greek πίνω (pínō) and Sanskrit पिबति (píbati).

Pronunciation
    (Classical) IPA(key): /ˈbi.boː/, [ˈbɪboː]
    (Ecclesiastical) IPA(key): /ˈbi.bo/, [ˈbiːbo]

Verb

bibō (present infinitive bibere, perfect active bibī, supine bibitum); third conjugation

    I drink.

        Synonym: pōtō

Was den Fall 

*pibō > bibō

angeht, also das erste b, liegt eindeutig regressive Fernassimilation vor: Das erste p gleicht sich an das folgende b an. Ein ähnlicher Fall wäre die Zahl 5:

idg. *penkʷe > lat. quinque (vgl. griech. πέντε /pénte/).

In meinem alten Skript aus der Veranstaltung "Historische Grammatik der Lateinischen Sprache" führen wir die beiden Beispiele tatsächlich auch parallel.


Bzgl. "ob" und "ab" und dem zweiten b von "bibo" habe ich momentan keine Erklärung und gerade kein Buch zu Hand, das weiterhilft. In dem erwähnten Skript finde ich allerdings zu "ob" und "ab" paralleles

idg. t > lat. d / _# (am Wortende) mit altlateinischen Beispielen wie esed ("wird sein", klass. lat. erit) und feced ("hat getan", klass. lat. fecit). (Die entsprechenden Verbalendungen, die von der idg. Endung -t abstammen, wurden später ausgetauscht gegen die Endung -t, wie von der idg. Endung -ti abstammt.

p > b haben wir nicht explizit und eigentlich sollte das heißen, dass es solch eine Regel zumindest nicht regelmäßig gibt, aber wer weiß...


Im Falle von 

*h₁epi > ob

fällt mir außerdem der Vokalismus auf. h1 färbt im Lateinischen das e eigentlich nicht, h1e ist im lateinischen einfach e (vgl. h₁éḱwos > equus).  Ich würde an der Stelle eigentlich h3 erwarten, nicht h1.
Wahrscheinlich kann man zur Erklärung einfach Ablaut heranziehen, aber der Vollständigkeit halber wollte ich das auch nochmal anmerken.

"Final [b] only occurs in three prepositions (ab ‘from’, sub ‘under’, ob ‘against, because of’), which are always proclitic, so this [b] is not at the end of a phonological word."

Aspects of the Phonology and Morphology of Classical Latin
https://core.ac.uk/download/pdf/45272121.pdf
Lohnt sich, sich das runterzuladen.

Ich hab das gefunden, indem ich zunächst das hier gesucht habe:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_late...%C3%A4fixe

Dann bin ich alle durchgegangen auf der Suche nach demselben Muster und hab noch "sub" gefunden. anschließend hab ich dann gesucht nach:
sub ab ob latin sup ap op PIE consonants

--> Lösung gefunden.

Vielen Dank, Jon.Schnee für deine weiteren Hinweise zu quinque!!

Ich hätte noch einen Erklärungsansatz zum (zweiten) b in

bibo < proto-Italisch *pibō < idg. *píph₃eti.

Mir kam der Gedanke, dass möglicherweise der Laryngal h₃ für die Lenisierung verantwortlich sein könnte. Wikipedia ( https://en.wikipedia.org/wiki/Laryngeal_theory ) stützt diese Hypothese:

"[h₃] is often taken to have been voiced based on the perfect form *pi-bh₃- from the root *peh₃ "drink"."

Der Satz kommt mir insofern spanisch vor, als das idg. Perfekt typischerweise mit e-Reduplikation gebildet wird und der Perfektstamm daher meines Wissens *pe-bh₃- und nicht *pi-bh₃- lauten müsste (ich bin allerdings nur Hobby-Indogermanist, daher ist dieser Eindruck sehr oberflächlich).
So oder so ist "i" typischerweise der Vokal, der bei Reduplikationspräsentia verwendet wird, also bei Verben, die ihren Präsensstamm per Reduplikation bilden (vgl. griech. /di-dásko/ "unterrichten" oder /dí-dōmi/ "geben" mit lat. dō). Lateinisch "bibo" (und offenbar auch Sanskrit "píbati") bilden aber den Präsensstamm eben genauso, im Unterschied zu griech. /pino/ und slaw. piti. Der reduplizierte Stamm idg. *pi-bh₃- zur nicht reduplizierten Wurzel idg. *peh₃ existiert also definitiv, sei es als Präsens oder laut Wikipedia eben auch als Perfekt.

In dieselbe Richtung geht auch https://en.wikipedia.org/wiki/Proto-Indo...te_note-22, wo nun in Bezug auf Sanskrit hergeleitet wird: 

"píbati "to drink" < *pi-bh₃-eti < *pi-ph₃-eti." (Zu Latein "bibo" vgl. Fußnote 5 gleich untendrunter, Altirisch "ibid" Fußnote 6.)

Auch hier wird also davon ausgegangen, dass *pi-ph₃-eti > [i]*pi-bh₃-eti[/i] schon idg. ist. Und wie man im Laryngal-Artikel sieht, bereitet diese Entwicklung auch Vollindogermanisten Kopfzerbrechen, wobei sie ebenso wie ich auf den Gedanken kamen, der Laryngal könnte schuld sein. Ich denke, mit dem "könnte" musst du dich dann an dieser Stelle zufriedengeben. Falls ich noch über etwas stolpere, melde ich mich :)