Künstliche Sprachen

Hallo zusammen, ich habe bis jetzt keine gute Sprache gefunden und ich wollte zwei Fragen an euch stellen:

1) Gibt es eine Sprache (künstlich oder nicht), die meinen Kriterien unten entspricht?
2) Machen diese Kriterien überhaupt Sinn und braucht man überhaupt so eine künstliche Sprache?


Das macht eine Sprache meiner Meinung nach gut: 

1) Das Alphabet muss viele Buchstaben haben (zumindest 100), also ein Buchstabe steht für zwei oder mehr Laute. Dadurch sind Wörter kurz, also man kann schneller schreiben, lesen und sprechen.
2) Es muss viele Laute geben (mehr als in der deutschen Sprache)
3) Wörter müssen aus möglichst wenig Lauten bestehen.
4) Kein Wort muss zwei oder mehr Bedeutungen haben, sonst wäre die Sprache unklar. 
5) Die Grammatik muss keine Ausnahmen haben.
6) Man muss sich mit der Sprache klar und genau ausdrücken können, also zum Beispiel die Grammatik muss komplex sein.


Danke im Voraus für euer Feedback.

Ich habe mich nie im Detail damit befasst, aber vielleicht ist Ithkuil für dich ja interessant: https://de.wikipedia.org/wiki/Ithkuil

Das ist eine Frage, die sich am besten optimalitätstheoretisch beantworten lässt. Und ich denke, Deine Bedingungen (1) und (3) beschränken sich gegenseitig: Ein Buchstabe (was auch immer das hier genau sein soll) soll für zwei oder drei Laute. Gleichzeitig sollen Wörter aber wenig Laute haben. Das würde darauf hinauslaufen, dass Wörter aus ein oder zwei Buchstaben bestehen. Es handelt sich also maximal um Bigramme. Nehmen wir mal weiter an, dass Flexionseigenschaften mittels einzelner Wörter kodiert werden. Dann hätten wir eine grundlegende Unterscheidung in grammatische und lexikalische Wörter. Bei einer Sprache (inklusive Fachsprache, Altagssprache usw.) kommst Du locker auf 250.000 bis 500.000 lexikalische Wörter. Du brauchst also bei einer Sprache ohne Homonymie und Polysemie genauso viele Bigramme. Jetzt kannst Du ja mal selbst rechnen,indem Du einfach die Wurzel ziehst. Bei 250.000 brauchst Du mindestens 500 Buchstaben und bei 500.000 mindestens 707 Buchstaben. Das dient aber wie gesagt nur der Markierung lexikalischer Wörter, zur Markierung grammatische Wörter brauchst Du noch zusätzliches Zeicheninventar.

(11.07.2021, 21:21:27)PavelLande schrieb: 2) Machen diese Kriterien überhaupt Sinn und braucht man überhaupt so eine künstliche Sprache?

Ich picke mir mal diesen Punkt der Fragestellung heraus. 

a) Machen diese Kriterien Sinn? 
Sie machen Sinn, so weit derlei überhaupt sinnvoll oder sinnlos sein kann. Bei den meisten der o.a. Kriterien muss man eine "Kosten-Nutzen"-Abwägung machen; schwierige Erlernbarkeit vs. Eindeutigkeit und Präzision. Was ist der Zweck dieser Kunstsprache? Soll sie der Fachkommunikation dienen oder dem Alltagsgespräch? Für Poesie dürfte sie nahezu ungeeignet sein — Poesie "lebt" von den unklaren Bedeutungsgrenzen und der Vielschichtigkeit. 
Für Befehle oder effektive Kommunikation mögen kurze Wörter hilfreich sein. Zu viele phonologische Distinktionen können dem aber zuwider laufen: Schon das relativ harmlose Lautinventar des Deutschen macht beim Sprechfunk oder am Telefon ein Buchstabieralphabet notwendig, wenn absolute Klarheit unerlässlich ist. 
Eine Grammatik ohne Ausnahmen, Lücken oder Unregelmäßigkeiten gibt es vermutlich nicht in den natürlichen Sprachen. Früher oder später wandelt sich etwas, verschleift sich etwas, verkürzt sich etwas. Das ist immer so. Material erodiert, wird ersetzt und/oder umgedeutet, erwirbt oder verliert Funktionen.  Inwiefern derlei "sinnvoll" oder wünschenswert ist, ist wohl eine nur subjektiv beantwortbare Frage.

b) Braucht man so etwas? 
Definiere "brauchen". Soll es 'benötigen' heißen oder 'nützlich finden'? 
Eine derartig rigide und komplexe Kunststprache dürfte zweifelsohne für die meisten Menschen sehr, sehr weit unten in der Bedürfnishierarchie angesiedelt sein (→ Maslowsche_Bedürfnishierarchie). Wie schon oben gefragt: Was soll der Zweck einer solchen Sprache sein?