Hallo,
ich stehe gerade an einem Definitionsscheideweg. Es ist nicht das Hauptthema meiner Masterarbeit, aber ich stoße immer auf Kongruenzwörter in meinem Gebärdensprachset. (Deutsche, Britische, Französische und Spanische Gebärdensprache)
Einige dieser Wörter sind relativ gut beschrieben und werden als Hilfsverben eingestuft. So das Hilfsverb
PAM (Person-Agreement-Marker) aus DGS, das auch AUF glossiert wird wegen dem gleichlautenden Mundbild. Es steht meist nach einem Verb, das selbst nicht mit Subjekt und Objekt kongruieren kann (oder nur mit einem davon) und zeigt die Kongruenz an. Das geschieht in Form von der C-Handform (Daumen und Zeigefinger bilden ein C) und die Startstelle der Gebärdenbewegung ist die Indexstelle im Gebärdenraum für das Subjekt, die Endstelle die des Objekts. Also
KENNEN ich-PAM-du bedeutet "Ich kenne dich." und das Kongruenzhilfsverb hat also die Gebärde, wo die C-Hand (Daumen und Zeigefinger sind horizontal, zeigen also jeweils nach rechts und links) von meiner Brust aus einen Bogen Richtung DU zeichnet.
Ich hoffe, das ist etwas deutlich geworden. Es gibt auch in einigen anderen Gebärdensprachen solche verbalen Kongruenzhilfsverben. Viele Verben können die gleiche Kongruenz selbst anzeigen, das Prinzip ist das gleiche mit Start=Subjekt- und End=Objekt-Stelle. (Bis auf die Handvoll Ausnahmen.) Weil es sich um Verbkongruenz handelt, ist die Definition als Hilfsverb auch sehr einfach.
Worin aber das Problem liegt, ist, dass die gleiche Kongruenz zweier Referenten an vielen anderen Gebärden auftritt. Zum Beispiel haben die Gebärden
MEHR·ALS, WENIGER·ALS, SO·XXX·WIE (also Komparativ und Äquativ) in Spanischer Gebärdensprache auch Kongruenz mit beiden Beteiligten. ("Er (ist) größer als ich."=
GROẞ er-WENIGER·ALS-ich) Sie können keine Partikeln sein wie "wie, als, so ... wie" sein, denn die kongruieren nicht. Können Präpositionen mit zwei Referenten kongruieren?
Gebärdensprachen werden eigentlich universell als Sprachen bezeichnet, die keine richtige Kasusunterscheidung haben und nur einen abstrakten Kasus haben, der gleich markiert ist. (Hier also die Indices im Gebärdenraum, die durch Gebärden "angesprochen, berührt, durchdrungen" werden für die Kongruenz.)
Ich habe jetzt den Fall in DGS, dass ein Wort wie "mit, zusammen" auch kongruieren kann mit zwei Referenten, je nachdem wer mit wem. Also:
ich-ZUSAMMEN-du GEHEN. "Ich gehe zusammen mit dir." Meinem Sprachwissen nach kann dadurch auch das Subjekt ausgelassen werden,
pro-drop ist eine typische Eigenschaft von DGS. Aber hier würde es nicht doppelt markiert werden. Also besteht ja eine Beziehung zwischen Verbkongruenz und der "Präposition". (Natürlich kann es auch Nominalphrasen-intern sein, semantisch werden ja die Aktanten nur vebrunden, um dann eine gemeinsame Kongruenz mit dem Verb zu etablieren,
GEHEN ist hier ja monovalent (+Ort))
Weil ich hier zu Deutsch denke, würde ich es intuitiv als Präposition definieren? Ich habe es aber nun auch als Hilfsverb in meiner Thesis bezeichnet, weil es analog zu dem PAM-Hilfsverb funktioniert und mit zwei Referenten kongruiert. Können Präpositionen das auch? Oder sollte es eine eigene Klasse hierfür geben in Gebärdensprachen? Einen "und"-Ausdruck gibt es auch, sie könnten auch so koordiniert werden, aber das ist semantisch nicht das gleiche hier. (Entweder durch die "deutsch-motivierte" Gebärde
UND, oder indem eine kurze Pause zwischen beiden Referenten ist und beide mit einem Kopfnicken affirmiert werden.)
Es gibt auch solche Kongruenzwörter wie
FÜR, das auch zwei Kongruenzstellen haben kann à la "von mir für dich".
Verrenne ich mich da in zu viel denken, ob wie würdet ihr solche "bivalenten Adpositionen" einstufen?
Vielen Dank und viele Grüße,
Kevin