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matthias.thiele > 10.07.2024, 14:11:42
Yaouoay > 10.07.2024, 16:00:17
Matthias schrieb:Es handelt sich um einen Gleichsetzungsnominativ bzw. Prädikativ mit „ist“ als Kopulaverb, das ein Prädikativkomplement verlangt.
Solche Komplemente können entweder
- Adjektive (die Aufgaben sind schwer)
- Adjektivgruppen (die Aufgaben sind sehr schwer)
- Nomen (die Aufgaben sind Mist)
- Nominalgruppen (die Aufgaben sind großer Mist) oder
- Präpositionalgruppen (die Aufgaben sind zum Lachen)
sein.
Das gebeugte Kopulaverb ‚ist‘ kann aber nicht zusammen mit einem Infinitiv stehen, der ein Akkusativobjekt verlangt, wie
Matthias schrieb:Ich halte den folgenden Satz grammatisch für falsch. Zitat:
‚Die Aufgaben des Controllers sind die wirtschaftlichen Entwicklungen analysieren, die Verbesserungsmaßnahmen umsetzen, die betriebswirtschaftlichen Prozesse kontrollieren.‘
Zitat:Die Aufgaben des Controllers sind:
- die wirtschaftlichen Entwicklungen analysieren
- die Verbesserungsmaßnahmen umsetzen
- die betriebswirtschaftlichen Prozesse kontrollieren
Matthias schrieb:Ich halte den folgenden Satz grammatisch für falsch. […] (Oder ist etwa die obige Variante nach dem gegenwärtig üblichen Einknicken des Rechtschreibrates bei allen sich einschleichenden üblen Sprachgewohnheiten zulässig?)
matthias.thiele > 10.07.2024, 17:17:28
(10.07.2024, 16:00:17)Yaouoay schrieb: Hallo! (:
Moin Yaouoay,
Ich habe dazu nichts in meinem Zweifelsfälleduden oder online finden können. Hier daher erstmal meine Einschätzung ohne Garantie.
Matthias schrieb:Es handelt sich um einen Gleichsetzungsnominativ bzw. Prädikativ mit „ist“ als Kopulaverb, das ein Prädikativkomplement verlangt.
Solche Komplemente können entweder
- Adjektive (die Aufgaben sind schwer)
- Adjektivgruppen (die Aufgaben sind sehr schwer)
- Nomen (die Aufgaben sind Mist)
- Nominalgruppen (die Aufgaben sind großer Mist) oder
- Präpositionalgruppen (die Aufgaben sind zum Lachen)
sein.
Das gebeugte Kopulaverb ‚ist‘ kann aber nicht zusammen mit einem Infinitiv stehen, der ein Akkusativobjekt verlangt, wie
Kannst Du für diese Aussage Quellen nennen? Ich habe nur im Wikipedia-Artikel „Prädikativum“ eine Aussage dazu finden können, welche Deiner eher widerspricht: „Ein solches Prädikativ kann mit praktisch allen Wortarten gebildet werden“
Die Quelle für die Komplemente sind
https://grammis.ids-mannheim.de/terminologie/202
und
https://grammis.ids-mannheim.de/progr@mm/6885
Bei letzterem Link musst Du den Lösungsabschnitt aufklappen.
Dass das Kopulaverb 'sein' nicht mit einem Infinitiv stehen kann (im Gegensatz z.B. zu Modalverben), habe ich selbst geschlussfolgert, weil es sich seltsam bei allen denkbaren Beispielen anhört, z.B. 'etwas ist Berichte schreiben', allein als Satzklammer
|Er|| ist | |Mittelfeld| |machen|
anders bei Modalverben, die keine Kopluaverben sind
|Er|| muss | |Mittelfeld| |machen|
wirkt auf uns wohl befremdlich, weil wir eben 'gewohnheitsmäßig' die oben genannten Komplemente erwarten.
Dieses befremdliche Stutzen habe ich versucht zu beschreiben bzw. zu begründen.
Irgendetwas in mir schrie nach einem "zu"!
Matthias schrieb:Ich halte den folgenden Satz grammatisch für falsch. Zitat:
‚Die Aufgaben des Controllers sind die wirtschaftlichen Entwicklungen analysieren, die Verbesserungsmaßnahmen umsetzen, die betriebswirtschaftlichen Prozesse kontrollieren.‘
Ich finde den Satz stilistisch etwas holprig und würde ihn in dieser Form auch mit zu erweitern. Er liest sich für mich, als wäre er als Liste konzipiert worden:
Genau das war auch mein Gedanke beim erstmaligen Lesen, dass dem Verfasser (ein Schüler) eine Liste wie auf einer Powerpoint-Präsentation oder einem Handout etc. vorschwebt,.
Zitat:Die Aufgaben des Controllers sind:
- die wirtschaftlichen Entwicklungen analysieren
- die Verbesserungsmaßnahmen umsetzen
- die betriebswirtschaftlichen Prozesse kontrollieren
In Listenform fände ich zu-Infinitive unpassender als reine Infinitive.
Aber es sollte ausdrücklich ein Fließtext wie in einem Aufsatz sein!
Was in uns schreit nach einem "zu"?
Matthias schrieb:Ich halte den folgenden Satz grammatisch für falsch. […] (Oder ist etwa die obige Variante nach dem gegenwärtig üblichen Einknicken des Rechtschreibrates bei allen sich einschleichenden üblen Sprachgewohnheiten zulässig?)
Es ist in der Linguistik mehr oder weniger Konsens, dass es in der Sprache nicht strikt ein „Richtig“ und „Falsch“ gibt, sondern dies lediglich Konstrukte sind, die aus der Bemühung entstehen, einen bestimmten Dialekt zu normieren und somit zu konservieren. Populäre Konzepte wie „Sprachverfall“, „Fehler“, „sich einschleichende üble Sprachgewohnheiten“ sind nicht wissenschaftlich. Sie werden „Präskriptivismus“ genannt, im Gegensatz zum wissenschaftlichen „Deskriptivismus“.
Sprache wandelt sich seit jeher, das kann (und sollte) ein Rechtschreibrat nicht aufhalten. Zumal weder der Rechtschreibrat noch irgendeine andere Institution die Grammatik des Deutschen normiert – lediglich Orthographie und Interpunktion.
Wenn in der Linguistik gefragt wird, ob ein Ausdruck grammatisch ist, geht es nicht um eine willkürliche Festlegung von oben, sondern darum, ob dieser Ausdruck von Muttersprachler*innen verwendet wird. Niemand würde den Artikel dem Substantiv nachstellen und „Aufgaben die“ sagen, das ist ungrammatisch, auch aus linguistischer Sicht. Aber wenn es Menschen gibt, die prädikative Infinitive ohne zu verwenden (was es offensichtlich gibt), ist das in dieser Hinsicht nicht falsch.
Es gibt durchaus Kontexte, in denen derartige Normierungen hilfreich (vielleicht sogar nötig) sind. Deutsch als Fremdsprache zu lehren wäre zum Beispiel bedeutend schwieriger, wenn es keine einheitliche Norm gäbe. Und aufgrund der gesellschaftlichen Stigmatisierung grammatisch „falscher“ Ausdrücke ist es (noch) sinnvoll, Publikationen dieser Norm anzupassen (sprich: sie korrekturlesen zu lassen). Aber wenn Du wissen willst, ob ein Satz der Duden-Grammatik entspricht, würde ich an Deiner Stelle nicht in einem Linguistik-, sondern in einem Lektorats-/Korrektorats-Forum fragen.
Der letzte Satz vom mir war nur Gemecker über den allgemeinen Sprachverfall. Ich könnte dazu noch weitere Beispiele bringen, z.B. warum 'am nächsten' der Superlativ von 'nah' ist, habe aber nicht die Zeit. Vielleicht gehe ich dann wirklich in ein anderes Forum, mir geht es nur darum, was nach den aktuell geltenden Regeln als richtig oder falsch gilt.
Liebe Grüße
Yaouoay
Danke gleichfalls!
Yaouoay > 10.07.2024, 20:24:20
Zitat:Dass das Kopulaverb 'sein' nicht mit einem Infinitiv stehen kann (im Gegensatz z.B. zu Modalverben), habe ich selbst geschlussfolgert, weil es sich seltsam bei allen denkbaren Beispielen anhört, z.B. 'etwas ist Berichte schreiben'
Zitat:weil es sich seltsam bei allen denkbaren Beispielen anhört, z.B. 'etwas ist Berichte schreiben', allein als Satzklammer
|Er|| ist | |Mittelfeld| |machen|
Zitat:Der letzte Satz vom mir war nur Gemecker über den allgemeinen Sprachverfall.
Zitat:Dieses befremdliche Stutzen [Bild: https://www.linguisten.de/images/smilies/confused.gif] habe ich versucht zu beschreiben bzw. zu begründen.