Hei,
diese onomasiologische Fragestellung geht in meiner Antwort auf eine kontrastive Betrachtung ein.
Es gibt viele grammatikalische Phänomene, die in Sprachen gar nicht vorkommen bzw. mit anderen Mitteln ausgedrückt wird. Man muss sich also fragen, was kann eine Sprache ausdrücken und was muss sie ausdrücken?
Ein gutes Beispiel, was schon angeführt wurde, ist das Futur. Es existiert in den germanischen Sprachen als analytische und/oder synthetische Form (vgl. Spanisch -é, -ás, -á, -emos, -éis, -án; Schwedisch ska/kommer att + ha und durch andere lexikalische Mittel)
Im Finnischen gibt es diesen Tempus nicht. Zumindest nicht im engeren Sinne!
In den ersten Übersetzungen der Bibel kam es jedoch dazu, dass Agricola (welche die Bibel übersetzte) sich am Beispiel indogermanischer Sprachen orientierte und das Verb 'tulla + Illativ' ('Tulen lukemaan tätä kirjaa' Ich werde dieses Buch lesen) verwendete. Auch heute noch wird diese Struktur verwendet, um einen expliziten Bezug zur Zukunft zu schließen, aber diese Konstruktion ist jedoch kein richtiges Finnisch.
Man nutzt daher bevorzugterweise das Präsensin Verbindung mit temporalen Ergänzungen wie 'huomenna' morgen oder 'ensi vuonna' nächstes Jahr. Jedoch folgen auch Kasus wie der Partitiv luen kirja-a' (ich lese gerade ein Buch) einer gewissen temporalen Lesart.
Auch die Evidentialität als semantisch-pragmatische Kategorie kann ich Sprachen verschieden ausgedrückt werden. Sie muss es jedoch nicht. Nur würde es wohl dabei zu Missverständnissen im Dialog kommen.
Sprachen wie das Eastern Pomo oder andere indianersprachen sowie Sprachen des Himalya-Gebiets drücken ihre Evidentialität durch Affixe aus. Für die Quelle ihres Wissens nutzen sie ggf. immer andere Suffixe (Perzeption, Hören-Sagen, Folklore etc.) andere hingegen, haben ein Suffix für mehrere Quellen-Arten. Diese grammatikalische Kodierung ist dabei obligatorisch!
In europäischen Sprachen sieht das wieder ganz anders aus. Es gibt eine Kategorie, die explizit darauf verweis, dass es sich dabei um Evidentialität handelt. Vielmehr fusioniert diese Information mit anderen grammtikalischen Phänomenen (Passiv,Tempus, Modus etc.) Hier ist die Kodierung fakultativ!
Es besteht natürlich die Möglichkeit auch in unserem Sprachgebiet zu erläutern, ob die Quelle durchs Hören oder auf anderen Wegen zu uns kam. Perzeption gilt dabei jedoch als das Medium, dem eine direkte Evidenz zugesprochen wird wohingegen zum Beipsiel das Passiv oder der Konjunktiv indirekte Evidenz kodieren.
Eine weitere Mögliche sind Modalverben/-adjektive, die dann den grad der Wahrheit der Aussage beschreiben und wie weit sich der Textproduzent dessen als verantworltich dem gegenüber präsentiert.
Diese zwei Beispiele sollten also zeigen, dass grammtikalische Phänomene als übersprachliche Phänomene ausgedrückt werden können, es aber nicht muss beziehungsweise finden sich je nach Sprache andere Wege eine Äquivalenz zu finden.