Genetische Universalsprache vorhanden?

@Kevin:

• Romanistik. → Nicht ASW. q.e.d.
  
• Drüber sprechen, auch ohne es zu heißt nicht dran glauben.

Die gesamte UG-Diskussion – teilweise auch die hier – wird so fruchtlos geführt wie der inkompatible Dialog zwischen Atheisten, die rationale, nachvollziehbare Beweise einfordern und Gläubigen, die ihre Argumentation auf Dogmen und Annahmen aufbauen, welche jeder neutralen Überprüfung entzogen sind. Der Vergleich erklärt übrigens auch die Vehemenz und Unvereinbarkeit, mit der sich Vertreter der beiden Lager mitunter begegnen.

UG ist eben ein sprachphilosophisches Gedankenkonstrukt und nichts anderes. Diees Konstrukt hat bestimmt seinen Wert als Denkmodell und als Grundlage für verschiedene Syntaxphilosophische Betrachtungen. Als Theorie über die Evolution des Menschen oder seines Sprachvermögens taugt sie nichts, denn eine naturwissenschaftlich (genetisch, evolutionsbiologisch, neurospychologisch) greifbare Grundlage hat sie nachweislich nicht.

Danke für eure Antworten. Leider bin ich auf dem Gebiet der UG-Gegner (noch) nicht informiert genug, um differenziert Position beziehen zu können. Dass man als Student, obwohl man gerne mal links und rechts neben der Basisliteratur liest, nicht angemessen über fundamental unterschiedliche Ansätze aufgeklärt wird, halte ich jedoch für bedenklich. Hätte ich nicht mal zufällig ein Referat über Funktionalismus gehalten, wäre ich vermutlich kaum in Kontakt mit anderen Ideen gekommen.

Das meinte ich mit dem Religionshaften. Es gibt Verfechter auf beiden Seiten, die ihre Meinung dermaßen für die einzig Erwähnenswerte und natürlich einzig Richtige halten, dass sie das in der Lehre auch so darstellen. Jedes halbwegs adäquate Lehrbuch sollte aber auf diese verschiedenen Sichtweisen ("Schulen") hinweisen.

(02.03.2012, 01:13:22)Kevin schrieb: Für mich reicht als Gegenbeweis der UG-Theorie, dass sprechende Papageien Formen benutzen, die sie vorher nicht gehört haben. So kamen Formen vor wie: He writed. anstelle von He wrote. Entweder hätten Papageien dann auch eine UG oder niemand eine.

Wo hast du diese Information denn her? Das hört sich ziemlich krass an. Ich kenne mich mit Studien an Tieren nicht so gut aus, aber das hört sich für mich - ehrlich gesagt - etwas zu fantastisch an, dass Papageien ein Präteritum bilden können und dann auch noch nach einem Muster, dass es im Englischen sogar gibt (wenn auch nicht mit dem Verb, dass du als Beispiel gebracht hast).

(01.03.2012, 23:30:09)Sebastian schrieb: Es stimmt schon, dass viele Linguisten (noch) UG-Anhänger sind. Das ist halt die althergebrachte Lehrmeinung, das hat man selbst schon so gelernt und Chomsky hat sowieso recht. :P

(02.03.2012, 09:44:51)janwo schrieb: UG ist eben ein sprachphilosophisches Gedankenkonstrukt und nichts anderes. Diees Konstrukt hat bestimmt seinen Wert als Denkmodell und als Grundlage für verschiedene Syntaxphilosophische Betrachtungen.

Ist es tatsächlich nur Chomsky, und ist es tatsächlich nur die Syntax, (bzw. eine von der Syntax her aufgezogene Sprachtheorie) oder steckt da nicht möglicher Weise doch etwas grundlegenderes hinter, werden solche Positionen nicht in variabler Form auch von vielen anderen vertreten? Ich denke da zum Beispiel an die NSM von Frau Wierzbicka et al.

Es gibt verschiedene Tiere, die mehr oder mider produktiv "Wortbildung" betrieben haben (sollen). Wie dem auch immer sei, man könnte auch argumentieren, dass die ihre eigene, artspezifische "UG" haben, die zumindest in Ansätzen kompatibel mit der menschlichen ist. Gewonnen hat man dadurch aber nichts.

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(02.03.2012, 11:54:28)thf schrieb: Ist es tatsächlich nur Chomsky, und ist es tatsächlich nur die Syntax, (bzw. eine von der Syntax her aufgezogene Sprachtheorie) oder steckt da nicht möglicher Weise doch etwas grundlegenderes hinter, werden solche Positionen nicht in variabler Form auch von vielen anderen vertreten? Ich denke da zum Beispiel an die NSM von Frau Wierzbicka et al.

Letztlich geht es doch größtenteils auf N.C. zurück, wenn man es mal als Ideengeschichte verfolgt. OK, die Natürlichkeitstheorie mit allen Seitenlinien ist vielleicht eher parallel zu Chomsky denn ein Ableger von ihm, aber unbeeinflusst ist das ganz bestimmt nicht.

@janwo: Die Kurse gehörten aber damals nicht zur Frankoromanistik. Es gibt ja noch den Master der allgemeinen Sprachwissenschaft in Hamburg und wir hatten daher einige Dozenten gehabt, die nicht unbedingt auf eine Einzelphilologie eingestimmt sind. Die Kurse waren sehr oft weit entfernt von der Romanistik, was natürlich in Anbetracht dessen, dass sie eigentlich doch dem nahe sein sollten, schade war.
Frau Stolz zumindest denkt auch privat so, ich hab viel mit ihr zu tun und rede mit ihr dann immer über sowas.

@Sebastian: Das ist nicht zu fantastisch. =) Irene Pepperberg hat sehr viele Studien dazu angeleitet und mit einigen Papageien gearbeitet. Sie hat einmal mit Alex gearbeitet, der ihrer Aussage nach sogar das Konstrukt von "Null" verstand und addieren konnte. Und hier besagter Papagei: N'kisi, der ein großes englisches Vokabular hatte, Sprache aller Vorraussicht nach nicht nur nachahmte, sondern auch kreativ anwandte. In dem Artikel wird auch ein Beispiel genannt, wie er mit dem Präteritum bei unregelmäßigen Verben umgeht.

Und weil es grad so lustig war, als ich das gesehen habe:
Bird saying don't touch me

Für mich ist dadurch aber klar, dass es keine UG in unserem Verständnis geben kann. Warum sollte ein Papagei auf menschliche Sprache ausgelegt sein? Bei Papageien ist ein solches Verhalten eher ein Fehlverhalten nach Tierpsychologen. Ich denke, es ist viel eher die Flexibilität von Gehirnen. Dass Papageien dazu in geringem Maße fähig sind, zeigt doch nur, dass auch der Mensch ohne UG das könnte.

Noch mal ein interessanter Beitrag:

Zitat:Im Anfang war die Geste - Vom Ursprung der Sprache
via SWR2 Wissen von wissen@swr2.de (Robert Brammer) am 06.02.12

Der amerikanische Anthropologe und Primatenforscher Michael Tomasello vermutet, dass die Kommunikation der Menschen untereinander zuerst in den natürlichen Gesten des Zeigens und der Pantomime entstanden ist. Auch der belgische Computerexperte Luc Steels forscht über die Ursprünge der Sprache, die sich nach Ansicht der beiden Wissenschaftler nur in einem sozialen Miteinander entwickeln konnte. Und sie ist, anders als dies Noam Chomsky annimmt, auch kein Produkt der genetischen Evolution, sondern eine kulturelle Erfindung. (Produktion 2010)

Der Beitrag als MP3: http://mp3-download.swr.de/swr2/wissen/s...12844s.mp3

Dass Sprache nur aus einem sozialen Miteinander entstanden sein kann, sollte doch eigentlich klar sein, oder? Wie sollte es auch anders sein, wenn es hauptsächliche reine soziale Funktion hat? Ich denke einfach, dass Sprache ganz natürlich gewachsen ist. Auch Tiere verwenden Kommunikationsmittel, auch mittels Laute. Es gibt sogar Tiere, so wird angenommen, ich habe schon wieder vergessen, welche das waren, irgendwelche Wüstenhamster, die lautlich kommunizieren und darin Farbadjektive kodierten. Da ist eine Versuchsperson über die Wiese gegangen und hatte nur Weißes an, danach rotes, etc. und jedesmal waren die Laute anders und man konnte die Stelle ermitteln, wo das vermutliche Adjektiv kodiert wurde. Das grenzt irgendwie schon fast an zweifache Gliederung.
Was ich damit sagen will, ist, dass ich nicht glaube, dass es zuerst Gesten und Pantomime gewesen sein muss, sondern aus der ganz normalen zu Tieren gehörenden Kommunikationsart entstanden ist und mit der steigenden Intelligenz des Menschen sich verkompliziert hat. Wie man an Affen, Vögeln und manchen Pferden sehen kann, sind auch Tiere zu komplizierterer Kommunikation fähig, durchaus auch zu zweifacher Gliederung, aber diese Kommunikation ist für ihre Umgebung und ihr kognitiver Status einfach nicht erforderlich.
Ich glaube, dass es eine doppelseitige Beeinflussung gab, die geistige Weiterentwicklung des Menschen und der Sprache, dass sie sich gegenseitig beeinflusst haben und somit die weitere Entwicklung gefördert haben.
Ich halte auch das Konstrukt und die Idee überhaupt der UG für sehr unlogisch. Es erscheint mir sehr abstrus, dass wir in den angeborenen Neuronenverflechtungen wirklich bereits Mechanismen haben, die über Syntax, Morphologie und Lexik bescheid wissen, wenn auch sehr allgemein. Das kommt mir sehr spökerhaft vor.

Sind denn Universalien aus funktionalistischer Sicht neurowissenschaftlich besser belegt oder erklärbar? Denn ganz ohne angeborene Fähigkeiten möchte ja dann doch niemand auskommen, oder (keine rhetorische Frage)?

Die angeborenen Fähigkeiten sind welche, die wesentlich grundlegender und allgemeiner sind, als nur sprach(erwerbs)bezogen: Interaktionsbedürfnis, Die Anlage bestimmter motorischer Fähigkeiten, ein bei der Geburt noch nicht komplett vernetztes Gehirn, usw. Das merkt man schon daran, dass kein einziges der an der Sprachproduktion beteiligten Organe ausschließlich diesem Zweck dient und dass die anderen Zwecke zumeist auch bei anderen Lebewesen analog vorhanden sind.

Für grammatische/strukturelle Universalien gibt es weder eine neurologische Notwendigkeit noch wirklich lupenreine und unwidersprochene Belege. Was wirklich "universell" ist, sind eher Dinge, die wir trivial nennen würden, da sie unter unser Verständnis von 'Sprache' fallen.

An anderer Stelle hatte ich bereits auf dieses Buch hingewiesen. Hier noch einmal: Daniel Everett: Language the Cultural Tool ist jetzt erschienen.
http://www.guardian.co.uk/books/2012/mar...sfeed=true