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AlexderFranke > 19.01.2012, 02:21:32
Kevin > 19.01.2012, 14:31:35
AlexderFranke > 19.01.2012, 18:49:25
Privileg > 19.01.2012, 22:47:44
Kevin > 19.01.2012, 23:28:23
Zitat:Genauso auch Schulen, wo auf Niederdeutsch alle Fächer unterrichtet wird, außer das Fach Deutsch. Immerhin gibt es noch ein paar Millionen Menschen, die teilweise mit Niederdeutsch im Umfeld aufgewachsen sind. Ich wäre dafür, daß Niederdeutsch für alle Schüler im Sprachgebiet Hauptfach ist.Also bisher gibt es keine Schule in Norddeutschland die ausschließlich niederdeutschen Unterricht anbietet. Es gibt ganz selten mal Schulen, die in ihrem regulären Unterrichtsplan Plattdeutsch vorgesehen haben, meistens gibt es nur eine AG oder vielleicht ein Wahlfach. Einen reinen niederdeutschen Unterricht könnte man erst machen, nachdem die Schüler auch Plattdeutsch gelernt hätten; das niederdeutsche Sprachgebiet ist zu dünn besiedelt mit schulreifen Plattdeutschsprechern, als dass eine rein niederdeutsche Schule denkbar wäre.
Zitat:Wenn Niederdeutsch eine eigene Sprache ist, dann muß das auch für Bairisch und Alemannisch gelten.Wie kommst du denn auf die Aussage? Warum müsste das gelten? Plattdeutsch hat eine ganz andere Entwicklung als das Deutsche hinter sich, Bairisch und Alemannisch hingegen sind da enger mit dem Deutschen verwandt, schließlich basiert Deutsch auf den oberdeutschen Dialekten.
Zitat:Deutschland ist, was Regionalsprachen angeht, noch rückständiger als Frankreich.Das finde ich nicht. Die Spracheinstellungen sind noch immer ziemlich schlecht. Außerdem hat Frankreich noch immer nicht die EU-Charta der Regional- und Minderheitensprachen ratifiziert und sagt noch immer in öffentlichen Anlässen, es gäbe keine Minderheiten in Frankreich, wozu aber die Bretonen, Sinti und Roma, Basken etc. gehören. Diese existieren aber öffentlich nicht. Außerdem werden kaum bis gar keine Gelder in den Erhalt von eben diesen Sprachen gesteckt. Der Rückgang der Sprachen ist enorm und bald wird Baskisch seinen Anteil in Frankreich auch verloren haben. Frankreich hat sogar Sprachgesetze, die es gebieten einen bestimmten Sprachanteil von Französisch in den Medien zu haben und schließen somit Regional- und Minderheitensprachen aus.
Zitat:Am ehesten sehe ich Fortschritte im Saterland beim Saterfriesischen und in Ostfriesland.Ostfriesland ist noch immer eher die Hochburg des Plattdeutschen, da ließe sich sowas am ehesten ermöglichen. Beim Saterfriesischen wäre ich mir gar nicht mal so sicher. Die Saterfriesen haben noch nie eine große Minderheit gebildet, es waren immer wenige und sind es immer noch. Natürlich hat sich der Anteil immer weiter verkleinert. Werbung auf Saterfriesisch zu machen wäre eher nur möglich, wenn sich das Produkt oder so auch wirklich auf diese Region beschränke. Außerdem kommt Saterfriesisch da auch in den administrativen Bereichen vor. Allerdings sind die Saterfriesen ein sehr bescheidenes Völkchen, die sich nicht trauen, mit dem Geld, das sie vom Staat bekommen, Projekte zu finanzieren. Zuerst wäre auch das Projekt "Der kleine Prinz" auf Saterfriesisch daran gescheitert, bis man denen sagte, dass in deren Kasse noch was weiß ich nicht wie viel Geld lag.
AlexderFranke > 20.01.2012, 01:17:55
Kevin > 20.01.2012, 18:50:18
Zitat:Saterfriesisch ist der letzte Rest der alten emsfriesischen Mundart des Ostfriesischen. Früher war das Saterland also Teil des gesamten ostfriesischen Sprachraums. Man könnte vom Saterland aus die Sprache im gesamten Ostfriesland wiederbeleben.Aber das Saterfriesische selbst wurde schon immer nur dort gesprochen, soweit ich weiß. Natürlich gehört es zum Ostfriesischen und das wurde auch in vielen Varietäten in ganz Ostfriesland gesprochen, aber nicht das Saterfriesische per se.
Zitat:Ich sehe aber den Weg zur Zukunftssicherung am besten erfüllt, in dem man es wieder über das Saterland hinaus verbreitet. Im alten weserfriesischen Raum könnte man das, was vom Wangerooger Friesisch überliefert ist, zur Wiederbelebung heranziehen, weil es der am längsten noch gesprochene Teil des Weserfriesischen ist.Dem würde ich gar nicht mal unbedingt zustimmen. Denn genetisch gesehen bilden die Saterfriesen eine Ethnie, während im allgemeinen Ostfriesland nicht mehr von einer eigenen Ethnie gesprochen werden kann. Die eigentliche Ethnie, wenn man überhaupt davon sprechen kann noch, wären hier die Sachsen. Einer anderen Ethnie nun eine Sprache aufzuzwängen, die vielleicht mal auf dem Gebiet gesprochen wurde, halte ich für problematisch.
Zitat:Ich habe davon gehört, daß es in Hamburg ein niederdeutsches Gymnasium geben soll mit den demnächst ersten Schülern, die ihr Abitur auf Niederdeutsch ablegen.Da verwechselst du etwas. In Hamburg sollte nur das Fach "Niederdeutsch" eingeführt werden und da dann die Möglichkeit, das als Fach im Abitur mit einzubringen. Das sollte aber für ganz Hamburg gelten, nicht nur ein einzelnes Gymnasium. Auch in Niedersachsen soll bald eventuell ein Pflichtfach Niederdeutsch eingeführt werden. Was aus den ganzen Fächern wird, weiß ich nicht; die Bundesländer stellen sich gerne stur und langsam an.
Zitat:Standard-Deutsch gründet teils auf Oberdeutsch, teils auf Mitteldeutsch. Die meisten Ähnlichkeiten sehe ich mit mitteldeutschen Mundarten. Das nicht standard-deutsch beeinflußte Bairisch ist doch sehr verschieden, was den Rang Regionalsprache rechtfertigt. Beim unverfälschten Schwäbisch-Alemannisch sehe ich das genauso. Ich sehe einen deutlichen Unterschied in Lautung, Wortschatz und Grammatik zwischen dem Block Niederdeutsch/Mitteldeutsch und Bairisch.Es gibt durchaus linguistische Argumente, die für einen eigenen Sprachstatus stünden. Allerdings ist da die Lage noch immer etwas anders als beim Niederdeutschen, was die Sprachhistorie betrifft, die Pragmatik und etc. Viele der Varietäten dort sind nicht verschriftlicht. Sicher sind manche Varietäten schwer zu verstehen. Aber ich muss sagen als durch und durch Norddeutscher habe ich keine allzugroßen Probleme, tiefes Bairisch oder Allemannisch zu verstehen. Wo ich aber zustimmen würde, ist, das Schwytzerdütsch so langsam in den Sprachstatus zu heben, da dort der Gebrauch sich durchaus unterscheidet und die Bedeutung über eine reine Umgangssprache hinausgeht.
Das Ohr, das an mitteldeutsche Mundarten gewohnt ist, versteht Niederdeutsch recht gut. Vor allem das Rheinische hat mit dem Niederdeutschen einige Gemeinsamkeiten. Beim unverwässerten Bairisch verstehe ich noch weniger als bei Niederdeutsch oder Holländisch. Auch von jemand anderem habe ich gehört, daß er nur in Oberbayern manchmal nichts verstanden habe.
Zitat:Ich finde auch den Eiertanz zwischen Schriftdeutsch und Schweizerdeutsch merkwürdig.Ich finde es nicht merkwürdig, sondern eher vorbildhaft. Das ist einer der seltenen Fälle, wo eine Low variety kein schlechteres Prestige hat als die High variety. Der Gebrauch der beiden Varietäten ist ziemlich klar umrissen. Die High variety hat zudem ein mittlerweile ziemlich schlechtes Ansehen und wird immer seltener gebraucht und wird wohl in einiger Zeit gänzlich verschwinden.
Privileg > 20.01.2012, 18:56:13
Kevin > 20.01.2012, 20:55:08
Zitat:Für mich ist es auch schade, dass es keine festlandkeltischen Sprachen mehr gibt. Es wäre genug Platz dafür vorhanden. Man könnte zum Ausgleich auf dem Festland mehr inselkeltische Sprachen einführen. Das ist leichter, als zum Beispiel rekonstruiertes Gallisch zu nehmen, von dem man auch nicht weiß, wie es sich weiterentwickelt hätte. Vielleicht wäre Bretonisch gut, weil es, da es ja auf dem Festland gesprochen wird, einen passenden Symbolwert hat. Für Irisch spricht, dass viele Handschriften auf dem Kontinent gefunden wurden.Es gibt aber keine genaue Ethnie mehr der Festlandkelten. Wer sollte es also sprechen? Die Sprachen sollten erstmal dort gestärkt werden, wo sie auch real gesprochen werden. Man kann ja nicht einfach eine Sprache zufällig auswählen und sie einfach woanders ansiedeln. Das hat bisher so gut wie nie geklappt, wenn nicht einmal die Ethnie mehr existiert. Sowas hat nur einmal geklappt, wo eine Aboriginis in Australien ihre eigentliche Sprache schon verloren haben und einen anderen weiter entfernten Stamm fragten, ob sie ihre Sprache benutzen könnten, um etwas mehr ethnische Eigenheit zu haben, obwohl sie historisch nie diese Sprache sprachen oder auch nur irgendwie damit zu tun hatten. Dort spielt aber immer der Wunsch der jeweiligen Ethnie mit, die es hier aber nicht gibt, hier gibt es nur die wehmütige Traurigkeiten von Sprachaktivisten.
Privileg > 20.01.2012, 21:27:49
AlexderFranke > 21.01.2012, 00:58:44
janwo > 21.01.2012, 12:17:11
(19.01.2012, 02:21:32)AlexderFranke schrieb: Ich finde, daß es ein Verlust für Europa ist, daß heute nicht veränderte Formen des Gallischen, Iberischen usw. an Stelle der romanischen Sprachen gebraucht werden.und
(20.01.2012, 18:56:13)Privileg schrieb: Für mich ist es auch schade, dass es keine festlandkeltischen Sprachen mehr gibt. Es wäre genug Platz dafür vorhanden. Man könnte zum Ausgleich auf dem Festland mehr inselkeltische Sprachen einführen.Und wie soll man das erreichen? Soll man leute zwingen, diese Sprachen zu lernen und zu verwenden? Das ist dann genauso linguistischer Imperialismus wie der Zwang zur Weltsprache es wäre. Und wo will man da aufhören? Müssten wir dann nicht auch den Sprachen hinterhertrauern, die in unseren Breiten gesprochen wurden, bevor sie durch die indoeuropäischen Einwanderer verdrängt wurden? Von den Idiomen der Neanderthaler will ich gar nicht erst anfangen!
Privileg > 21.01.2012, 12:32:16
AlexderFranke > 21.01.2012, 13:32:24
Privileg > 21.01.2012, 16:40:02