1. Wenn ich anerkenne, dass
konjugiert soviel bedeutet wie
von einer zugrunde liegenden Verbform (Basisform) zu einer abgeleiteten Verbform verändert, und wenn es sich so verhält, dass jede Verbform entweder zugrunde liegend oder abgeleitet ist, so ist der Infinitiv, da er unstrittig eine Verbform ist, genau dann eine konjugierte Form, wenn er nicht Basisform ist. Welcher Art die Veränderung ist und ob die Basisform z. B. der Wortstamm ist, sind hiervon unberührt; wesentlich ist allein die Annahme, dass es abgeleitete Formen gibt und Formen, aus denen abgeleitet wird und die ich hier zugrunde liegend genannt habe.
2. Da ich keine Eigenschaften des Infinitivs ausmachen kann, die ihn gegenüber anderen Verbformen als zugrunde liegender kennzeichnen, komme ich zu dem Schluss, dass er ebenso konjugierte Form sein muss wie all die anderen. Denn warum sollte beispielsweise die Eigenschaft, hinsichtlich Person und Numerus unmarkiert zu sein, als Hinweis darauf verstanden werden, dass von dieser Form andere Formen abgeleitet werden?
3. Eine andere Bedeutung als hier
Basisform hat der Begriff der
Zitierform, wie er mir nach meiner Erinnerung zum ersten Mal in John Lyons zweibändigem Buch
Semantik begegnet ist. Zitierform von Verben ist der Infinitiv präsens aktiv zum Beispiel in Wörterbüchern des Deutschen, Italienischen oder Russischen, typischerweise aber nicht in Wörterbüchern des Lateinischen, das im Übrigen nicht bloß einen einzigen synthetisch gebildeten Infinitiv eines Verbs kennt. Ich vermag nicht zu erkennen, dass die von den Wörterbuchautoren getroffene Wahl der Ziterformen linguistisch wohl begründet ist; vielmehr folgt sie der Tradition einer mir willkürlich erscheinenden Setzung aus vorwissenschaftlicher Zeit.
‒. Ich hoffe, in Inhalt und Form provozierend genug gewesen zu sein um zur Förderung der (niemals endgültigen) sprachwissenschaftlichen Erkenntnis Diskussionsbeiträge zu erheischen, die meine Behauptungen widerlegen, in Frage stellen, in ein anderes Licht rücken, untermauern oder präzisieren.