Vorweg, ich bin kein Linguist und habe das auch nicht studiert.
Hey, ich hab grad was zum Alemannischen geschrieben (siehe mein Beitrag zum "Hoflädele", wobei das "s"-Phänomen auch in nichtalemannischen Dialekten auftritt.
Was uns auffällt, ist dass die "einheimischen" Kinder, die vor 20, 30 Jahren alle Dialekt gesprochen haben, jetzt offenbar (?) viel häufiger Standarddeutsch sprechen. Irgendwas kippt da. Ob das mal quantifiziert worden ist, weiß ich nicht. Auch im Elsass ist es jetzt so, dass die letzte Generation, die noch halbwegs Deutsch spricht, derzeit wohl im Alter 25+ ist (grob geschätzt, mal falsch liegen). Die Kinder lernen es nicht mehr. Also schon die im mittleren Alter können es nicht mehr richtig. Kleine Stichprobe, also man möge mich korrigieren. Auch hier wäre eine Quantifzierung und eine Trendbeobachtung interesssant. In Straßburg wird da glaub ich geforscht.
Bei der Uni Tübingen gibt einen Sprachatlas
https://uni-tuebingen.de/fakultaeten/wir...rachatlas/
kannst du auf "Erzählungen" klicken für längere Beispiele.
Gibt auch Vereine , auch speziell zu den badischen alemannischen Dialekten.
Wobei generell das Problem besteht, dass z.B. hier im mittleren Schwarzwald der Dialekt, in der Breite gesprochen, einen wesentlich niedrigen Sozialstatus hat als das in der Schweiz der Fall ist.
Das Problem ist auch, dass Dialekt halt nicht gelehrt wird an der Schule, wie eine Sprache, auch mit standardisierter Schrift und Ausspracheregeln, Grammatik usw. Das Problem ist hier, dass der Dialekt von Ort zu Ort variiert und es einfach keine Lehrer gibt, und auch alles durcheinandergeht durch die vielen Dialakte (gsi / gwä / gs... zig Varianten), schon wenn ein paar km weiter in die Schule geht (Schulwechsel).
https://www.youtube.com/watch?v=Sh3i8k3ZKvo
https://www.youtube.com/watch?v=UpXLOOcGdGQ
Zum Gedicht ist zu sagen, dass hier m.E. versucht wurde, den Dialekt mit standarddeutscher Intonation gefälliger rüberkommen zu lassen, teils haben sich std-deutsche Aussprachen und Wörter eingeschlichen.
Zum Deutschkurs ist zu sagen, dass erst am Ende klargemacht wird, dass es von Vorteil ist, beider Sprachen Herr zu sein, und eben NICHT der Dialekt der Karrierekiller ist, sondern im Gegenteil die Fähigkeit Dialekt und Std-Deutsch zu sprechen der Karriere hilft. Sehr schlecht gemacht "von der Message her". Ein weiteres Problem ist, dass die Leute den Dialekt nicht selbstbewusst sprechen. Neben dem Image spielen auch Unsicherheiten eine Rolle, weil man ihn wie gesagt nie richtig gelernt hat in der Schule. Mit Nichtdialektsprechern ist es dann sehr schwer, den Dialekt korrekt aufrechzuerhalten ohne in einen Mischbereich zu kommen. Oft sieht man, wie starke Dialektsprecher mit jeder Minute mehr ins Standarddeutsche rutschen, wenn sie sich mit jdm unterhalten, der Standarddeutsch spricht. Während dieser Übergangsphase entstehen dann große Unsicherheiten und man stolpert viel, weil u.a. die grammatikalischen und Aussprache-Unterschiede sehr erheblich sind und man nicht immer smooth transitionieren kann.
Ein weiteres interessantes Thema sind Regiolekte, also dass z.B. alemannische Ausspracheregeln angewendet werden auf standarddeutsche Wörter, die es im Alemannischen gar nicht gibt. Z.B. "wo warsch du" gibt es glaub ich gar nicht im Dialekt. wo warst du, das ist Standarddeutsch. Dialekt wäre "wo bisch du gsi", denn im Dialekt gibt es kein Präteritum, glaube ich.
Außerdem interessant, wie die Zeiten gebildet werden:
Ich bin gewesen - Ich bin gsi (oder gwä usw)
Ich war - Ich bin gsi
Ich war gewesen - Ich bin gsi gsi (oder gwä gwä)
Du hast gehabt - Du hesch ghet
Du hattest - Du hesch ghet
Du hattest gehabt - Du hesch ghet ghet
Einige anerkannte Autoren (Preisträger) haben das mitunter aber auch im Stddeutschen verwendet: Hast du ihn gesehen gehabt? statt Hattest du ihn gesehen. -- Besonder effektiv: Hattest du ihn gesehen gehabt?
Auch z.B. interessant, dass im Ggsatz zum Standarddeutschen die 1. Person Plural Indikativ Präsenz nicht identisch ist mit dem Infinitiv (z.B. bei haben).
Sehr interessant auch Wörter die "seller" und deren Etymologie. (selli usw.)