(15.04.2012, 15:30:16)Leo schrieb: Guten Tag, mir ist neulich folgendes aufgefallen:
Das lateinische Verb addere muss ja offensichtlich von ad und dare kommen, also "hinzugeben" bedeuten.
Nun gibt es ein Lautgesetz, das besagt, dass wärend der Periode der lateinischen Erstbetonung ein nebentoniges a in offener Silbe zu i, in geschlossener zu e wird (vgl. ago vs. ex-igo bzw. factum vs. con-fectum).
Die Entwicklung der Vokale in den Nebentonsilben ist ein weites Feld, wo es zu den Normalvertretungen zahlreiche Ausnahmen gibt.
Insofern hast du Recht, dass die normale Entwicklung von
a (und allen anderen kurzen Vokalen) in unbetonter offener Silbe
i ist.
Aber: vor
r erscheinen alle diese Vokale als
e, vor Labial können sie zu
u werden und vor
l müssen sie zu
u werden.
Und abschließend lässt sich festhalten:
"Die dargestellten Entwicklungen sind vielfach durch innerparadigmatischen Ausgleich bzw. den Einfluß etymologisch verwandter Formen analogisch oder aber durch sekundäre Lautentwicklungen (z.B. Assimilation) durchbrochen worden." (
Meiser 22006: §52.8.)
Dass
r benachbarte Vokale offener werden lässt, kommt durchaus häufiger vor, da hast du Recht.
Also haben wir:
ad + dare > áddare > áddere
ad + datus > áddatus > ádditus
und zu b)
Die Nebentongesetze beziehen sich auf die Zeit, als das Lateinische noch einen Anfangsakzent hatte (ca. 6. Jh. v. Chr.).
Erst danach erfolgte dann die Neuverteilung nach dem Pänultimagesetz. Und da bei
addere die Pänultima kurz ist (kurzer Vokal in offener Silbe), fällt der Akzent auf die Antepänultima, in diesem Fall zufällig auch die erste Silbe, zurück.
Auch im PPP liegt die Betonung auf der ersten Silbe, das i ist kurz.
Meiser, Gerhard
22006: Historische Laut- und Formenlehre der lateinischen Sprache. 2. Aufl. Darmstadt.