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Ein altgriechischer Satz, der Schwierigkeiten macht
Ein altgriechischer Satz, der Schwierigkeiten macht
Jon.Schnee > 18.09.2019, 18:02:08
Hallo Leute,
heute brauche ich mal etwas Hilfe, oder besser vielleicht ein paar Ideen, von Leuten mit Altgriechisch-Kenntnissen.
Ich schreibe gerade an meiner Zulassungsarbeit für das Staatsexamen: Ich ediere einen altgriechischen Briefwechsel zwischen den Humanisten Turnèbe und Camerarius, mit Übersetzung und Kommentar. Jetzt sitze ich gerade am Kommentar für einen der Briefe an einer Stelle, die mir von Anfang an suspekt war, und je intensiver ich mich damit beschäftige, desto verwirrender wird es. Vielleicht könnt ihr euch die Sache ja mal anschauen.
Hintergrund: Die Briefe sind gedruckt in einem Sammelband von 1568 veröffentlicht, also keine Handschrift und unter Umständen vom Drucker/Setzer falsch gedruckt oder Stellen bewusst herausgenommen. Im vorherigen Brief hat Camerarius die französischen Humanisten glücklich gepriesen, ob ihrer großen finanziellen Ressourcen und ihrer gerechten Königsherrschaft. Die Interpunktion ist exakt so wie im frühneuzeitlichen Druck.
Der erste Teil bis μακαρίους ἐνόμιζες ist, denke ich, klar:
"Das eine nur hat mich allerdings nicht erfreut (=οὐ προσίετο) - denn du wirst ertragen, wenn ich freiheraus spreche und mich in keiner Weise zurückhalte - dass du nämlich uns hier glücklich genannt hast".
Und der Rest?
Als ich die Stelle mit meinem Prof durchging, einigten wir uns zunächst auf „wobei du unsere Lage – die du im Übrigen nicht richtig einschätzt und darüber falsche Vermutungen anstellst – mit deiner in eine Waagschale wirfst / vergleichst“. Also πρὸς ὑμᾶς τὰ καθ’ ἡμᾶς ἴκταρ βάλλων zusammengezogen zu "das bei uns zu euch hinzuwerfen = vergleichen".
Jedoch: diese Übersetzung funktioniert nur, wenn man das zweite οὐδέ wegkonjiziert, das wir in dem Moment wohl einfach übersehen hatten, was nur ich ungerne tue. Zudem, wie ich im Kommentar schreibe:
Zudem ist die Interpretation von ἴκταρ βάλλειν als „vergleichen“ zwar nachvollziehbar, jedoch legt er Teil ὡς ἄν τις φαίη nahe, dass Turnèbe hier eine antike Stelle oder ein Sprichwort zitiert [hier nenne ich einige Belege dafür]. Die Stelle, die als Quelle naheliegt, finden wir in Platons Politeia, wo dieser schreibt: ταῦτα δὴ πάντα πρὸς τύραννον πονηρίᾳ τε καὶ ἀθλιότητι πόλεως, τὸ λεγόμενον, οὐδ’ ἵκταρ βάλλει (Plat. Rep. IX, 575 c): „Alle diese Dinge kommen in der Schlechtigkeit und dem Elend, dass sie für den Staat bedeuten, einem Tyrannen nicht einmal nahe“. Dies ist die eigentliche Bedeutung des Sprichwortes οὐδέ ἴκταρ βάλλειν, von der hier auszugehen ist, „nicht einmal nahekommen“ oder „nicht ansatzweise das Wasser reichen können“. Es ist auch die Bedeutung, die Erasmus [von Rotterdam] dem Sprichwort in seinen Adagien zuschreibt. [Auf Blatt 162 verso von https://doi.org/10.3931/e-rara-44672]
Also muss man hier wohl etwas grundsätzlich anders machen.
Vielleicht πρὸς ἡμᾶς statt πρὸς ὑμᾶς konjizieren? Itazistische Aussprache scheint für die Zeit belegt zu sein, sie würde viele der Druck-/Satzfehler erklären. Damit erhielte man "wobei du uns, da du unsere Lage nicht richtig einschätzt und darüber falsche Vermutungen anstellst, wie man sagt nicht einmal nahekommst".
Oder dazu noch ὡς mit irrealer Bedeutung?: "dass du uns hier glücklich nennst, als ob du uns, wie man so sagt, nicht einmal das Wasser reichen könntest – wobei du (allerdings) unsere Situation nicht richtig einschätzt und falsche Vermutungen darüber anstellst".
Es wäre megacool, wenn jemand vielleicht noch eine Idee hätte oder mich zumindest in einer meiner Varianten bestärken könnte. Das Griechisch in diesen Briefen ist einfach hammerschwer.
Χάριν ἔχω ὑμῖν.
Φιλικῶς Ἀλέξανδρος
RE: Ein altgriechischer Satz, der Schwierigkeiten macht
Willi Wamser > 18.09.2019, 18:18:11
Am besten in e-latein Forum anmelden. Da findest du zwei bis drei Altphilologen, die nicht nur gut, sehr gut sind, sondern auch an deiner Problemstellung interessiert bis davon enthusiasmiert.