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Yaouoay > 26.05.2020, 13:42:42
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Yaouoay schrieb:Heyo!
Ist Euch schon einmal folgende terminologische Synchronizität aufgefallen?:
Konjunktion – Subjunktion
Konjunktiv – Subjunktiv
Konjugation – …
Und da kommt die Subjugation ins Spiel. Mögliche Bedeutungen:
- Neben der Konjugation und der Deklination ist sie die dritte Art der Flexion. In manchen Sprachen vielleicht hilfreich?*
- intonatorische Prozesse, Prosodie (z. B. ironische/interrogative/imperative/… Satzmelodie)
- In meiner Kunstsprache verwende ich den Begriff für euphonische Prozesse, die aber keinen Einfluss auf die Semantik haben:
Betonungswechsel (freier Wortakzent, der wandert, um ein angenehmes Metrum zu erzeugen)
Sandhi (/r/ und /v/ zwischen Vokalen, um Hiate zu vermeiden)
*Auf einer sachlichen Ebene würde mich schon interessieren, in welchen Sprachen es eine Flexionsgruppe gibt, die weder in Konjugation noch in Deklination fällt. Weiß da jemand etwas?
LG~Y
Kevin > 26.05.2020, 14:28:24
Zitat:Auf einer sachlichen Ebene würde mich schon interessieren, in welchen Sprachen es eine Flexionsgruppe gibt, die weder in Konjugation noch in Deklination fällt. Weiß da jemand etwas?Allgemein ist das Feld Flexion <> Deklination ein viel vertheoretischtes Feld. Es gibt mehrere Ansätze, um beide gegeneinander abzugrenzen. Vor allem gibt es da den dichotomischen Ansatz, der alle morphologischen Prozesse klar in Flexion und Derivation einteilt. Klappt natürlich nicht wirklich. Dann gibt es den Kontinuumsansatz, dass Prozesse irgendwo auf ein Spektrum zwischen Flexion und Deklination fallen. Natürlich ein Totschlagansatz, wenn wir das nicht einteilen können, dann wird es eben ein Spektrum. Und dann gibt es auch ein Zwischenansatz, der drei Einteilungen vornimmt. Den mag ich persönlich am ehesten. Da gibt es "kontextuelle Flexion", das sind vor allem Kongruenzphänomene, das heißt Relationen, die durch die Syntax vorgegeben werden, zwischen den Satzteilen, zum Beispiel Nominativ vs. Akkusativ, Verbalkongruenz für Person und Numerus, etc. Die zweite Kategorie ist dann "inhärente Flexion", also Zwischenformen, die oft eher zur Flexion zählen würden, aber im Grunde nur aus sich selbst heraus provoziert werden, nicht durch Kongruenzen zu anderen Satzteilen. So ist der nominale Plural eigentlich eine inhärente Eigenschaft des Nomens, nur die verbale Kongruenz damit wäre ein Fall von kontextueller Flexion. Hierzu zählen auch Komparativ, Tempus, Aspekt, Infinitiv etc. Die dritte Gruppe ist dann gemeinhin, was wir als Derivation verstehen.
Yaouoay > 26.05.2020, 14:58:23
Zitat:Da gibt es "kontextuelle Flexion", das sind vor allem Kongruenzphänomene, das heißt Relationen, die durch die Syntax vorgegeben werden, zwischen den Satzteilen, zum Beispiel Nominativ vs. Akkusativ, Verbalkongruenz für Person und Numerus, etc. Die zweite Kategorie ist dann "inhärente Flexion", also Zwischenformen, die oft eher zur Flexion zählen würden, aber im Grunde nur aus sich selbst heraus provoziert werden, nicht durch Kongruenzen zu anderen Satzteilen. So ist der nominale Plural eigentlich eine inhärente Eigenschaft des Nomens, nur die verbale Kongruenz damit wäre ein Fall von kontextueller Flexion. Hierzu zählen auch Komparativ, Tempus, Aspekt, Infinitiv etc. Die dritte Gruppe ist dann gemeinhin, was wir als Derivation verstehen.
42. > 26.05.2020, 16:29:22
thf > 26.05.2020, 22:00:38
(26.05.2020, 13:42:42)Yaouoay schrieb: *Auf einer sachlichen Ebene würde mich schon interessieren, in welchen Sprachen es eine Flexionsgruppe gibt, die weder in Konjugation noch in Deklination fällt. Weiß da jemand etwas?
janwo > 28.05.2020, 03:41:20
(26.05.2020, 13:42:42)Yaouoay schrieb: *Auf einer sachlichen Ebene würde mich schon interessieren, in welchen Sprachen es eine Flexionsgruppe gibt, die weder in Konjugation noch in Deklination fällt. Weiß da jemand etwas?
Yaouoay > 28.05.2020, 17:54:04
thf schrieb:Aus meiner Sicht sind die Begriffe Konjugation und Deklination eher traditionell begründet, als dass sie präzise Begriffe zur linguistischen Beschreibung und Analyse sind (persönlich halte ich sie für arbiträr und nicht besonders nützlich für linguistische Zwecke). Sie basieren im Grunde auf der Vorstellung über ein zugrundeliegendes Wortklassensystem, in dessen Zentrum Verben und Nomina stehen, die jeweils bestimmte Kategorien haben. Allerdings sind Wortklassensystem an sich ja schon problematisch und auch die Unterscheidung zwischen Nomina und Verben ist nicht absolut (wie zum Beispiel Sasse etwa mit seinen "scales between verbiness and nouniness" zeigen konnte). Wenn wir von Konjugation und Deklination sprechen, haben wir, würde ich sagen, ein grobes Bild von Verben und Nomina vor Augen, das sich im Wesentlichen aus europäischen (Schul)sprachen ergibt. Ich halte es aber oft für nicht besonders sinnvoll, diese Kategorien auf nicht damit verwandte Sprachen zu übertragen. Daher stellt sich die Frage, ob es Sprachen gibt, die was "Drittes" haben, meiner Meinung nach, nicht so wirklich.
janwo schrieb:Joah. In vielen "klassischen" Grammatikographien wird die sogenannte oder auch Komparation als eine dritte Art der Flexion verstanden. Die meisten Standard Average European Sprachen haben so etwas, gerne auch mal mit Stammflexion oder gelegentlicher Suppletion:
schnell - schneller - schnellst-
groß - größer - größt-
viel - mehr - meist-
gut - besser - best-
Wie ja überhaupt Flexion eigentlich eine Stammveränderung bedeutet, z.B. durch Ablaut oder Konsonantenwechsel (denken - dachte).
janwo > 28.05.2020, 18:22:10
thf > 28.05.2020, 20:13:00
(28.05.2020, 17:54:04)Yaouoay schrieb: Hm, interessanter Punkt. Natürlich sind linguistische Fachbegriffe arbiträr, da sie etwas Abstraktes beschreiben wollen. Dass diese abstrakten Konzepte (z. B. verbiness and nouniness) in jeder Sprache etwas anders aussehen, liegt auf der Hand.
Meine Überlegung spielte ein bisschen in die Richtung von dem, was 42 schrieb.
Und auch janwo hat mir eine gute Anregung gegeben:
Yaouoay > 28.05.2020, 21:22:17
janwo schrieb:Das mit den (suppletierten oder derivierten) Zahlwörtern wird gemeinhin unter Wortbildung gefasst. Hier werden ja nicht bestimmte Kategorien (Kasus, Genus, Tempus, usw.) systematisch/paradigmatisch angewandt.
thf schrieb:Aus meiner Sicht gehören Konjugation und Deklination aber nicht zu diesen Begriffen, weil sie zu viele Vorannahmen treffen und zu viel Ballast mit sich bringen. Wenn man mit einer konkreten Sprache arbeitet und feststellt, dass es Phänomene gibt, für die sich "Konjugation" und "Deklination" als Begriffe eignen würden und wenn man darin einen analytischen oder deskriptiven Vorteil sieht (statt zum Beispiel einfach von Flexion zu sprechen), kann man das ja machen. Dann müssen die Begriffe aus meiner Sicht aber für diese Sprache definiert werden und es muss klar sein, dass Deklination/Konjugation nicht automatisch gleich zu setzen sind mit dem gleichnamigen Terminus einer anderen Sprache.
Kevin > 28.05.2020, 21:46:36
Yaouoay > 29.05.2020, 20:31:21
(28.05.2020, 21:46:36)Kevin schrieb: Ich weiß gerade nicht, ob es hier super mit reinpasst, weil ich müde bin. Aber ich hatte während meiner Arbeit an dem Projekt über Gebärdensprache folgende typologisch merkwürdige Aussage:
Das Lexem SEKRETÄR ist zweimorphemisch in Deutscher Gebärdensprache DGS, mit dem gebundenen Morphem {-ER}, das von PERSON abstammt.
Diese zweite Gebärde hat eine ähnliche Form wie das Hilfsverb PAM (Person Agreement Marker), das auch von PERSON abstammt, das bei einem Verb sowohl Subjekt als auch Objekt markiert, indem die Bewegung bei dem Subjekt startet und bei dem Objekt aufhört. Mittlerweile ist es bei jüngeren Sprechern ein gebundenes Kongruenzmorphem (darüber ging mein Projekt). Hier ein Beispiel ICH BIN STOLZ AUF DICH. (Die letzte Bewegung/Handform ist das Kongruenzmorphem, vom Subjekt (ich) zum Objekt (du).)
Die Endung -ER am Nomen ist unveränderlich, außer dass es sich phonetisch assimiliert an die vorherige Gebärde. (Schwer zu sehen im Video, da sehr vorsichtige Wörterbuchsprache.)
Das PAM tritt nur bei transitiven oder reflexiven Verben auf und hat, wenn nicht gänzlich assimiliert das simultane Mundbild "AUF", -ER hat manchmal (aus dem Deutschen wohl) das Mundbild "ER".
Die folgende Aussage fand ich so merkwürdig, weil es deutlich die Endung für Nomen Agentis ist, also -ER, es aber klar mit dem Subjekt kongruiert, was aber nur eine Eigenschaft von Verben wäre. (Kongruieren heißt hier, die Handfläche zeigt zum Subjekt (die Person) hin und die Endposition der Bewegung endet auch dort.) Zudem wäre die Kongruenz hier eine ergative, da die Zielposition mit dem Subjekt übereinstimmt und nicht wie sonst mit dem Objekt. (Das mag phonetischer Natur sein, die Bewegung beginnt im neutralen Bereich und die Endposition hat mehr "semantische Kraft" vielleicht. Wer weiß.)
Hier der einfache Satz ICH BIN SEKRETÄR.
Aber ich fand die Aussage deshalb so interessant, weil zum einen das Mundbild mehr oder weniger eindeutig zeigt, dass die zugrunde liegende Gebärde eigentlich ein -ER ist und kein PAM (bei vorsichtiger Sprache wie hier würde das durch "AUF" als Mundbild begleitet werden, hier ist es aber eher ein "ER") und dass die Gebärde plötzlich zur Personenkongruenz benutzt wird.
Zwar gibt es häufiger Hinweise für Ergativität in DGS, aber die sind nicht so offensichtlich wie hier. Die Aussage ICH SEKRETÄR hätte vollkommen gereicht und ist auch wohl häufiger. Aber dass ein nominales Agentiv-Morphem eine verbale Kongruenzeigenschaft hat, fand ich einfach super interessant. (Ich hatte auch einen jungen Muttersprachler gefragt, er kannte es nur am Rande, aber sein ebenfalls muttersprachlicher Vater meinte, dass es durchaus ein gängiges Wortbildungsmuster ist.)
Irgendwie fand ich, dass es ein bisschen hierher passte, weil es darum ging, wie schwammig die Grenzen zum Teil sein können. DGS hat sehr viel Nullkonversion und ohnehin ein schwammiger Verhältnis zwischen Nomina und Verben, aber die Art war immer eher implizit, hier fand ich es sehr interessant.
Kevin > 29.05.2020, 23:09:45
42. > 23.06.2020, 13:37:31
Yaouoay > 23.06.2020, 14:07:39
Zitat:Wunderschöne Verwirrung stiftet natürlich auch die Personenflexion irischer Präpositionen: https://de.wikipedia.org/wiki/Irische_Sp...positionen