Hallo Lena!
(16.09.2012, 20:55:11)Lena2012 schrieb: ich verstehe dein Problem, aber leider hat Tesniere wohl diese Sichtweise, ...
Zur Erläuterung für die anderen: Mein Problem war die terminologische Vermischung formaler und funktionaler Kriterien, die Tesnière betreibt, wenn er behauptet, bei:
- Annas Haus/das Haus Annas/das Haus der Anna
- Das Haus von Anna
- Annahaus
- Annasches / das Annasche Haus
... handele es sich in allen Fällen gleichermaßen um attributiv verwendete Adjektive; das ist meines Erachtens nur bei der letzten, also der vierten der obigen Varianten der Fall.
Man mag Tesnière zwar zugute halten, dass die synchrone Sprachwissenschaft zu seiner Zeit noch in den Kinderschuhen steckte, seine Interpretation mag auch aus sprachwissenschafts-historischer Sicht interessant sein; für praktisch nutzbar halte ich diese Verwischung der Trennlinie zwischen der formalen Kategorie "Adjektiv" und der funktionalen Kategorie "Attribut" hingegen nicht, didaktisch, also im Hinblick auf die Fremdsprachenvermittlung halte ich diesen Ansatz für geradezu katastrophal: Damit stiftet man nur Verwirrung bei den Lernenden.
(16.09.2012, 20:55:11)Lena2012 schrieb: vllt helfen dir folgende Links weiter, um den Sachverhalt näher zu verstehen:
http://spzwww.uni-muenster.de/griesha/sp...trans.html
http://www.yauh.de/files/klausur_dg.pdf
Merke schon, da stoßen selbst die Profis an ihre Grenzen ;)
Nun ja, es ist ja nicht so, als ob ich den Ansatz von Tesnière inhaltlich jetzt nicht verstünde, auch und gerade nach der Lektüre der von dir verlinkten Dokumente; ich halte diesen Ansatz nur schlichtweg für verfehlt und würde, wenn ich an deiner Stelle wäre, in meiner Hausarbeit auch nicht mit diesbezüglicher Kritik an Tesnière sparen.
(15.09.2012, 23:11:27)[Anonymisiert] schrieb: Wenn meine Vermutung stimmt, dann würde ich aus dem Bauch heraus auch die Frage bejahen, dass es sich bei einem als Attribut verwendeten Beziehungsadjektiv wie hölzern tatsächlich um eine Translation aus einem Präpositionalattribut aus Holz handeln könnte. Vielleicht denke ich aber jetzt auch zu holzschnittartig oder bin komplett auf dem Holzweg. ;)
Diese meine erste Vermutung hat sich damit allerdings tatsächlich als vollkommen abwegig erwiesen:
Bei einer Überführung des Präpositionalattributs
aus Holz in das adjektivische Attribut
hölzern würde ja eben gerade
keine Translation stattfinden, da es sich aus dem Blickwinkel Tesnières ja bereits bei beiden Ausdrücken um "attributive Adjektive" handelt. Die Translation findet hier nach Tesnières vielmehr früher statt, nämlich dann, wenn durch Hinzufügung von Wortbildungsmorphemen bzw. einer Präposition (in anderen Fällen ggf. durch grammatische Morpheme [etwa: Genitiv-S] oder Komposition mit einem anderen Substantiv) aus einem Substantiv ein "Adjektiv" wird, wobei Tesnières hier mit
Adjektiv eigentlich
Attribut, also nicht wirklich die
Klasse eines Wortes (dessen
Form), sondern die
Funktion eines Syntagmas meint.
Die Frage, ob Tesnières bei der Bildung von Beziehungsadjektiven wie
hölzern,
jetzig,
karibisch, etc. von Translationen aus anderen Wortklassen sprechen würde, kann man jedoch, nach allem, was ich bisher gelesen habe, wohl dennoch eindeutig bejahen. Allerdings stellt sich für mich dann auch die Frage, welchen praktischen Nutzen eine solche Klassifizierung dann eigentlich noch haben sollte, wenn Tesnières dies bei Bildungen wie
aus Holz,
von jetzt,
Karibikinsel etc. ebenso sieht.
Ich denke daher, du solltest dem Rat deines Dozenten folgen und anhand möglichst vieler Beispiele "durchdeklinieren" was alles an der strukturellen Oberfläche passiert, wenn ein Substantiv oder ein Adverb, möglicherweise auch ein Verb oder ein anderes Adjektiv (Nicht-Beziehungsadjektiv) zu einem Beziehungs-"Adjektiv" (Adjektiv nach Tesnièresschem Verständnis) wird. Und wie gesagt: ich würde bei dieser Gelegenheit nicht mit kritischen Anmerkungen an Tesnières Adjektiv-Verständnis sparen, so sehr ich auch Anhänger und Verfechter seiner Valenz-Idee bin, nach der das Verb im Zentrum eines jeden Satzes steht und nicht das Subjekt.
Gruß Gernot