Deiktischer Perspektivwechsel?

Hallo Leute,
meine Frau, @tyuditha, lernt ja nun auch Deutsch bzw. bekommt es regelmäßig zu hören, und neulich ist ihr etwas aufgefallen. Es gibt im Deutschen Fälle, wo es so aussieht, als ob der Sprecher einen Perspektivwechsel vornimmt und Lokal- oder Personaldeixis aus der Hörerperspektive verwendet. Ich meine jetzt nicht so Fälle von Elternsprech (Motehrese), wo die Mutter zum Kind sagt "Die Mama macht ....". 

Was ich meine sind Fälle wie diese: 

• Sprecher antwortet  auf die Frage, ob er ins Wohnzimmer kommen könne: "Ich bin schon da!"
  Der Aufenthaltsort des Sprechers sollte doch logischerweise "hier" sein (Origo des Zeigfeldes nach Bühler). 
  
• Sprecher verkündet beim Betreten eines Raumes: "Da isser wieder!" 
  Selbes Problem mit "da", zusätzlich auch noch Pronomen 3.Sg statt 1.Sg. 
  

Habt Ihr hierfür noch andere Beispiele? Hat jemand eine Erklärung oder gar einen Terminus hierfür? Ist das trivial?
Fragen über Fragen....

Hallo,
ein bisschen erinnert mich das an das österreichische "hin" und "her", die nach norddeutscher Perspektive oft vertauscht sind. Ich würde sagen "Ich komme mal zu dir hin und zeige dir das." ich höre bei einigen Süddeutschen aber auch "Ich komme mal zu dir her ..."

Also bei dem ersten Beispiel interpretiere ich das "da" so, dass die kommende Person ja noch nicht an dem Ort ist, der das Ziel ist. ("Ich bin schon/gleich da, wo du bist.") Das heißt, aus der Deiktik des Sprechers ist es noch kein "hier" sondern noch ein "da", da es noch entfernt ist.

Bei dem zweiten Satz würde ich fast sagen, dass das "da" nicht genau das gleiche ist, wie aus dem ersten Satz? Im Sinne von irgendwo erscheinen, benutzt man häufiger "da" als "hier" ohne eine Entfernung oder personenabhängige Deiktik anzugeben. "Er ist wieder da" bezeichnet ja auch keinen konkreten Ort, nur die existierende Bedeutung.
Deswegen würde ich sagen, dass dieser Unterschied daher kommt, dass sie nicht bedeutungsgleich sind? Vielleicht ist auch eine asymmetrische Hypernomie, dass "da" und "hier" konkrete Deiktiken unterscheiden, aber eine allgemeine, hyperonyme Angabe auch durch "da" benutzt wird, ähnlich wie "Tag" einmal die 12h Sonne oder die 24h des Tages bezeichnen kann.

Das DWDS (und wahrscheinlich auch andere Wörterbücher) führt beim Lemma "da" einmal die Bedeutung "1. bezeichnet einen vom Standort des Sprechers entfernt liegenden Ort" auf und darunter "2. bezeichnet den Standort des Sprechers". Synchron betrachtet ist das lokale "da" also quasi deiktisch flexibel, es liegt in Deinen Beispielen kein Perspektivwechsel vor. Diachron ist wohl die Bedeutung "hier" später aufgetaucht.

Ich erkläre es mir wie folgt: Der deiktische Anteil von "da" wirkt für mich in Sätzen wie "Sind wir bald da?" eher rudimentär. Ich habe "da" in diesem Kontext immer als umgangssprachliches (ökonomischeres) Substitut für "am gewünschten Ort" betrachtet. Diachron natürlich in der Bedeutung "dort", aber heute nicht mehr ohne Einbüßen von Nuancen mit diesem austauschbar ("Sind wir bald dort?" klingt, zumindest für mich, ziemlich unnatürlich). Dieses "da" im Sinne von "am gewünschten Ort" wäre dann übertragen worden auf Situationen, in denen man schon am gewünschten Ort ist. In Sätzen wie "Ich bin da" oder "Da bin ich" verortet dieses "da" dann die sprechende Person weniger auf einer Deixis als an einen absoluten Standort, der vorangehend etabliert wurde (in Deinem ersten Beispiel das Wohnzimmer). Einen Beleg für diese Theorie habe ich nicht gefunden.

Ein sehr ähnlicher Fall, in dem meine Theorie ebenfalls Sinn ergeben würde: "Bist du gleich da?", wobei "da" auf den Standort der sprechenden Person verweist. Auch im Satz "Ich bin am Wochenende nicht da" im Sinne von "nicht zuhause" ist diese nichtdeiktische Bedeutung von "da" zu sehen.

Kannst Du damit etwas anfangen? (:

da ist ein gerne diskutierter Sonderfall in der Deixis, weil es im Gegensatz zu hier und dort als Lokaldeiktikon nicht eindeutig entfernungsspezifisch ist. Das heißt, ganz untypisch für Lokaldeiktika, es geht hier nicht um die Distanz zur Origo, es ist nicht ausschließlich direkter Zwischenschritt zwischen hier und dort. Diewald (1991) schreibt in dem Kapitel dazu, dass es "das Lokaldeiktikon mit den wenigsten semantischen Merkmalsausprägungen [ist]. Diese monimale Ausstattung mit nennenden Spezifikationen erleichtert seine Übertragbarkeit in andere Dimensionen und Zeigmodi" (157). Also kurzum: Weil da semantisch unterspezifiziert ist im Gegensatz zu den anderen Lokaldeiktika, kann es je nach Kontext für diese substituiert werden. Die Funktion, die mit der lokaldeiktischen Funktion von da in Fällen wie dem von dir genannten Ich bin schon da konkurriert, nennt sich Präsentativ, da findet sich sicher was zu (no pun intended). 

Vielleicht hilft das ein wenig?

Das Zitat ist aus Diewald, G. (1991). Deixis und Textsorten im Deutschen. Tübingen: Niemeyer.