Hallo,
Im Grunde ist die Antwort einfach: Das Passiv dient der Argumentenreduzierung, das betrifft allerdings nur die Agens-Patiens-Struktur. "liegen" ist einstellig, kann also kein Patiens haben. Genauer gesagt kann "liegen" als zweistellig analysiert werden, wenn der ORT als Pflichtargument angesehen wird. (Es kann auch ausgelassen werden "Er liegt zu sterben, Er liegt mehr als dass er steht, Ich liege lieber weich, etc.") Bei der Passivdiathese geht es aber nur um Agens und Patiens.
Deshalb ist (1) schonmal hinfällig, auch mehrwertige passivierte Verben können obligative lokale Ergänzungen haben "Das Buch wird aus dem Deutschen ins Englische übersetzt.", bzw. gibt es auch Argumentstrukturen bei "liegen" ohne ORT.
(3) "liegen" hat kein Patiensargument, deswegen geht diese Erklärung nicht.
(4) ist auch falsch, man braucht keinen Rezipienten um zu passivisieren. (Außerdem ist auch "Ich liege ihm zu Füßen." denkbar, und trotzdem ließe sich das nicht passivisieren.)
(5) Das Partizip II von "liegen" ist "gelegen", ein starkes Verb. Das Partizip II wird beim Perfekt gebraucht und "Das Buch hat dort gelegen." ist einfachst bildbar.
(6) "liegen" ist eigentlich nicht dreistellig.
Nach dem Ausschlussverfahren bleibt nur (2) übrig. In dem Satz "Das Buch liegt auf dem Tisch." ist "das Buch" die Theta-Rolle THEMA und "auf dem Tisch" ist der ORT. Deshalb gibt es hier keine Agens- und Patiens-Rollen, die einzigen Rollen, die für das Passiv in Frage kämen.
Außerdem würde ich "liegen" als unakkusativisches/ergatives Verb einstufen. Es gibt auch das unpersönliche Passiv, wo aus intransitiven Verben ein Passiv entsteht, also ein Argument weniger realisiert wird und am Ende aber keins übrig bleibt (Es wurde geraucht. In den Gängen wird nicht gelaufen!)
Aber: Unakkusativische Verben sind auch intransitiv, können aber nicht weiter passivisiert werden: *es wird gelegen, *es wird errötet, *es wird zerbrochen. Aber unakkusativische Verben können als Partizip II als Adjektiv benutzt werden, gewöhnliche intransitive Verben nicht: *der gebellte Hund versus der eingeschlafene Hund. (eingeschlafen ist unakkusativisch). Bei "liegen" geht das auch: "der an einem Teich gelegene Baum".
Unakkusativische Verben haben kein Agens-Argument, andere intransitive Verben können das aber (je nach Definition der Theta-Rollen, das geht oft ziemlich schwammig zu). Auch bei "liegen" ist "Das Buch liegt..." deutlich kein Agens, aber bei "Der Mann raucht." ist schon sehr deutlich ein Agens. Bei "Der Mann schläft." ist es wiederum nicht so deutlich ein Agens, vielleicht eher ein Experiencer, aber wie gesagt, die Definitionen gehen oft wild. Aber weil unakkusativische Verben wie "liegen" kein Agens haben, kommt nochmal die zweite Antwort deutlich als einzige Lösung in Frage. Zudem bilden viele unakkusativische Verben das Perfekt mit dem Hilfsverb "sein" (Er ist eingeschlafen). Im Standarddeutsch geht das bei "liegen" eher nicht, aber man sieht in vielen süddeutschen Dialekten, dass man "Das Buch ist gelegen" sagt.
Zitat:Im Beispielsatz "Carsten ist eingeschlafen" ist Carsten ja ebenfalls Patiens, da die Person ja von einer Handlung betroffen ist/einem Zustand unterliegt.
Hier würde man es als EXPERIENCER analysieren, denke ich.