Moin,
der Umstand, dass es das Verb
versenden gibt, legt m.E. nahe, dass die Struktur von "Versendung" eher so sein dürfte wie in (1):
(1) [N [ [Vpref ver ] [V send ] ] [Nsuff -ung ] ]
Außerdem hast Du in Deinem Baum für
Versendung das Präfix als als
Nsuff bezeichnet. Ist das
a) ein Flüchtigkeitsfehler
b) Eure Notation für "alle anderen Morpheme kommen
nach diesem Morphem" (da Du in diesem Fall ein Präfix mit
Nsuff kategorisiert hast, würdest Du somit alle Morpheme, die nach diesem Präfix kommen, einschließlich des Stamms, als Suffixe bezeichnen? Das wäre äußerst seltsam, da man als Suffixe normalerweise Morpheme bezeichnet, die
nach dem Stamm kommen.)
c) oder gehst Du davon aus, dass alle Affixe im Deutschen als Suffixe basisgeneriert und anschließend ggf. in Präfix-Positionen bewegt werden? Wenn dies der Fall ist, welche morphologische Theorie nimmst Du an?
Harmonischen Serialismus?
Zu den
Wortbildungstypen - ist damit die Unterscheidung zwischen Derivation und Komposition gemeint?
Wenn ja, dann handelt es sich bei Ver-sendung um Derivation, während bei Vers-endung und Plattenhändler sowohl Derivation als auch Komposition involviert sind, wobei das Ergebnis jeweils ein endozentrisches Kopf-Modifikator-Kompositum ist.
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Exkurs: Typen von Komposita; falls bekannt, bitte ignorieren
endozentrisches Kompositum: man kann die Bedeutung des Kompositums anhand der einzelnen Glieder des Kompositums bestimmen. Das Gegenteil ist ein
exozentrisches Kompositum wie z.B.
Grünschnabel (= junger Mensch, Anfänger)
Kopf-Modifikator-Kompositum: ein Glied des Kompositums ist der syntaktische und semantische Kopf, der syntaktische Merkmale wie
part of speech (Nomen, Verb, usw.), Genus und Numerus sowie die generelle Bedeutung bestimmt, und das andere ist der Modifikator, der die Bedeutung des semantischen Kopfes modifiziert / eingrenzt[1] (ein Platten-händler ist ein Händler, der sich auf Platten spezialisiert; eine Versendung ist eine Endung, und zwar diejenige eines Verses).
Ein Beispiel für Komposita, die keinen syntaktischen oder semantischen Kopf haben, sind sogenannte
dvandva-Komposita, die es im Deutschen nicht gibt, im Baskischen allerdings schon:
Gizona hau Aitor da eta bere emazte-a Maria da.
man DEM Aitor be.
3SG and 3SG.POSS wife-DEF.
SG Maria be.
3SG
'This man is Aitor and his wife is Maria'
Emakume hau Maria da eta bere senar-ra Aitor da.
woman DEM Maria be.
3SG and 3SG.POSS husband-DEF.
SG Aitor be.
3SG
'This woman is Maria and her husband is Aitor'
Baina senar-emazte hau-ek ez dira Aitor eta Maria.
but husband-wife DEM-
PL not be.
3PL Aitor and Maria
'But this couple isn't / aren't Aitor and Maria'
Das Kompositum senar-emazte hat keinen semantischen Kopf: es bezeichnet weder eine Art Ehemann noch eine Art Ehefrau, es bezeichnet auch nicht jemanden, der gleichzeitig Ehemann und Ehefrau ist (so wie das Kompositum
Fürstbischof jemanden bezeichnet, der gleichzeitig
Fürst und
Bischof ist), sondern es bezeichnet einen Ehemann und eine Ehefrau zusammen, also eine Gruppe aus einem Ehemann und einer Ehefrau.
Senar-emazte hat auch keinen syntaktischen Kopf. Das sieht man daran, dass andere Elemente im Satz nicht mit einem der Glieder des Kompositums kongruieren (=in Genus, Numerus und Person übereinstimmen), sondern mit beiden gleichzeitig und also im Plural stehen. Das nennt man auch
Merkmalsresolution.
[1] Modifikatoren in Kopf-Modifikator-Komposita verhalten sich wie intersektive Adjektive, und tatsächlich werden in Kontexten, in denen man im Deutschen Komposita bildet, im Französischen gern mal Relationsadjektive verwendet.