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wirrbel > 01.07.2017, 13:36:13
PeterSilie > 01.07.2017, 14:24:23
(01.07.2017, 13:36:13)wirrbel schrieb: Anlässlich der Einführung des "Großen" ß kam ich mal wieder ins Nachdenken über diesen "Schnörkel" der bundesdeutschen Orthografie. Vorweggeschickt sei: es geht mir hier nicht um Tipps zur Anwendung der amtlichen Rechtschreibregeln, sondern eher um die Frage ob die Schreibung so sinnvoll ist.
Ich komme aus dem schwäbischen, und von daher kam mir das ß schon immer etwas sinnlos vor (schließlich spreche ich so ziemlich jedes s stimmlos aus). Nun ist mir aber aufgefallen, das ja auch in perfektem hochdeutsch nicht jedes "s" stimmhaft ausgesprochen wird. Also z.B. "Kasten" ist stimmlos [ˈkastn̩], aber "Rose" wäre stimmhaft [ˈʀoːzə].
Aus dem türkischen kenne ich eine klare Unterscheidung zwischen "s" [s] und "z" [z]. Man könnte sich eine Orthografie vorstellen, in der "Kasten" als Kasten geschrieben wird, und und "Rose" als Roze (etwa wenn man "z" konsequent ts schreiben würde und dann z übrig bliebe für ein stimmhaftes s).
Da ich mir bei stimmhaftem und stimmlosen s nicht sicher bin, habe ich das mal für ein paar Wörter durchgespielt, also
- Zee
- Roze
- Haus
- Rast
- Ast
- Zie
- Naze
- Raspel
- Hoze
- Frühlingsgefühl
- Spas
- muss (von müssen)
- Mus (Brei)
- Wasser
Nachdem ich diese Liste erstellt habe frage ich mich, ob die Verwendung des ß auch aus phonetischer Sicht vielleicht etwas beliebiger ist als man den Eindruck hat wenn man die Rechtschreibregeln hierzu liest. Meine bisherigen Erklärungsversuche
[/i]
- Hypothese 1: ß ist ein extra stimmloser s Laut
- Hypothese 2: Das ß ist dazu da Abweichungen von silbenbasierten Regeln zu markieren, etwa das vor st s immer stimmlos ist, also muss es nicht speziell ausgezeichnet werden, und am Silbenanfang vor Vokal immer stimmhaft. Ich finde das jedoch nicht eingänig, weil Haus stimmlos ausgesprochen wird, und so sollte das doch dann auch bei Fuß sein, dann könnte man auch Fus schreiben.
Ich bin mir sicher, dass ich nicht der erste bin, der sich dazu schon gedanken gemacht hat. Könnt ihr mir was dazu erzählen?
PS: Alternativ die Liste mit ß/s, also nach dem Blick auf die Lautschrift könnte ich mir vorstellen, dass die Wörter so im Duden stehen könnten.
- See
- Rose
- Hauß
- Raßt
- Aßt
- Sie
- Nase
- Raßpel
- Hose
- Frühlingßgefühl
- Spaß
- mußß (von müssen)
- Muß (Brei)
- Waßßer (Brei)
wirrbel > 01.07.2017, 16:15:01
(01.07.2017, 14:24:23)PeterSilie schrieb: Zu der Deiner Idee kann ich nicht viel sagen, doch möchte ich mal einwerfen, dass die deutsche Orthografie auch weitere Prinzipien berücksichtigt. Bspw. die Morphemkonstanz: Bei Haus steht das <s> silbenfinal am rechten Rand der Coda. Entsprechend muss es wegen der Auslautverhärtung im Deutschen stimmlos gesprochen werden. Zugrundeliegend ist es aber stimmhaft, was man an den Pluralformen und am Genitiv Singular sehen kann, wo es silbeninitial am linken Rand der zweiten Silbe steht. Insofern sollte nach Deiner Idee Hauß aber Hauses geschrieben werden. Das würde m. M. n. aber für noch mehr Verwirrung sorgen.
Yaouoay > 01.07.2017, 19:37:48
wirrbel schrieb:See
Rose
Hauß
Raßt
Aßt
Sie
Nase
Raßpel
Hose
Frühlingßgefühl
Spaß
mußß (von müssen)
Muß (Brei)
Waßßer (Brei)
kirilo81 > 07.07.2017, 13:07:54
PeterSilie > 07.07.2017, 13:58:34
(07.07.2017, 13:07:54)kirilo81 schrieb: Grrr, ein Absturz hat meine halbfertige Nachricht gefressen, also jetzt nur die Kurzfassung ohne den Teil zur jetzigen Regelung:
Obwohl die s/ß-Schreibung nach dem Reförmchen von 1996 eigentlich ganz gut geregelt ist, geht es vielleicht noch besser, v.a im Rahmen einer echten Reform.
In meiner Neuorthografie (demnächst ausführlicher in einem Artikel) habe ich mich nach langem Hin-und-her zu der folgenden sehr einfachen Lösung entschieden (die Stammschreibung habe ich inzwischen, anders als noch auf der Netzseite steht, aufgegeben):
Da wortanlautendes S immer stimmhaft und silbenauslautendes S immer stimmlos ist, wird es in diesen Positionen immer mit dem einfachen <s> geschrieben. Nur im Silbenanlaut im Inlaut gibt es eine Phonemopposition /s/ - /z/. Diese wird mit <ß> - <s> wiedergegeben. Beispiele:
sone (z)
rôse (z)
haus (s) - heuser (s)
grôs (s) - grôße (s)
waßer (s)
dû bist (s)
dû must (s) - müßen (s)
kirilo81 > 08.07.2017, 00:22:00
(07.07.2017, 13:58:34)PeterSilie schrieb: Wie gehst Du dann mit der Opposition Szene (gemeint ist die Variante ohne Affrikate) ['se.nə] - Sehne ['ze.nə] um? Würde hierbei nicht die Distinktion verloren gehen? Außerdem gibt es weitere Fälle mit stimmlosem [s] am Wortanfang als Varianten:
Cent
Sommer-Sale
kirilo81 > 10.07.2017, 14:43:51